Abkommen zwischen der Regierung des Freistaates Bayern und der Bundesregierung der Republik Österreich über die Regelung der Wasserkraftnutzung der Saalach Vom 20. Juli 1959 (Art. I–VIII)
¹Die durch den Verlauf der Staatsgrenze und den Ausbau einzelner Stufen sowie durch andere Umstände bedingten Verhältnisse am Saalachunterlauf lassen die Anwendung des Vertrages vom 16. Oktober 1950 über die Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG auf die genannte Flußstrecke nicht zweckmäßig erscheinen.
²Die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung der Republik Österreich sind daher zur Regelung der Wasserkraftnutzung der Saalach wie folgt übereingekommen:
Artikel I Gegenstand dieses Abkommens ist die Wasserkraftnutzung der Saalach in jenen Strecken, in denen dieses Gewässer die Grenze zwischen beiden Staaten bildet; ausgenommen ist die Mündungsstrecke der Saalach vom Unterwasser des Kraftwerkes Rott-Freilassing abwärts, deren Nutzung in Verbindung mit einer künftigen Salzachstufe der Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG vorbehalten bleibt.
Artikel II Die Verfügung über die Rohwasserkräfte der Saalachgrenzstrecken, soweit sie Gegenstand dieses Abkommens sind, steht unbeschadet bestehender Rechte zu:
Österreich in der oberen Grenzstrecke sowie in der unteren Grenzstrecke von km 5,0 flußabwärts bis zum Unterwasser des Kraftwerkes Rott-Freilassing;
Bayern in der unteren Grenzstrecke von Flußkm 5,0 flußaufwärts.
Artikel III Im Falle des Ausbaues einer Stufe gilt für die Durchführung des auf jeder Seite erforderlichen wasserrechtlichen Verfahrens:
(1) ¹Die zuständige Behörde jener Seite, der die Rohwasserkraft dieser Stufe gemäß Art. II zugeteilt ist, führt ihr Verfahren für die gesamte Anlage mit Ausnahme der rein örtlichen Belange der anderen Seite unter Beiziehung der Vertreter der anderen Seite durch. ²Die zuständige Behörde der anderen Seite legt in ihrem Verfahren das Schwergewicht auf die örtlichen Belange ihres Gebietes.
(2) ¹Nach Abschluß der beiderseitigen Ermittlungsverfahren werden die wasserrechtlichen Bewilligungen nach gegenseitiger Fühlungnahme (Benehmen) erteilt. ²Hierbei regelt die zuständige Behörde der führenden Seite nach den für sie geltenden Bestimmungen unter Bedachtnahme auf die bestehenden Verträge alle die Einrichtung, den Betrieb und die Instandhaltung der Hauptanlage einschließlich der das Bett und den Fluß sowie sonstige gemeinsame öffentliche Interessen betreffenden Fragen. ³Die zuständige Behörde der anderen Seite folgt dieser Regelung in ihrer Entscheidung, soweit als zulässig, und ergänzt sie durch den Abspruch über die Vorbringen in ihrem Gebiet.
(3) Zulässig im Sinne des Abs. 2 wäre eine Entscheidung nicht mehr, wenn durch sie gegen eine Rechtsnorm verstoßen, die Pflicht zur Wahrung des öffentlichen Interesses verletzt oder der Ermessensspielraum überschritten würde.
(4) ¹Auch die während des Betriebes, im Falle des Erlöschens oder der Erneuerung des Wasserbenutzungsrechtes erforderlichen behördlichen Verfügungen, Anordnungen und Maßnahmen, die gemeinsame Interessen berühren, trifft die zuständige Behörde jener Seite, der die Stufe zugesprochen ist, nach Fühlungnahme (Benehmen) mit der zuständigen Behörde der anderen Seite. ²Soweit für die andere Seite nach ihrem Recht eine Entscheidung erforderlich ist, wird sie tunlichst analog getroffen werden.
Artikel IV (1) Die beiderseitigen wasserrechtlichen Bewilligungen sollen nicht auf Widerruf, sondern für ein und dieselbe Stufe auf gleiche Dauer erteilt werden.
(2) Beide Seiten werden einander die für die Errichtung und den Betrieb einer Staustufe benötigte Rohwasserkraft auf Nutzungsdauer ohne Entgelt zur Verfügung stellen.
(3) Beide Seiten werden bei Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung die Möglichkeit sonstiger, im öffentlichen Interesse gelegener Wassernutzungen durch einen entsprechenden, dem Unternehmer zumutbaren Vorbehalt wahren.
(4) Ansuchen um Verlängerung bzw. Erneuerung eines Wasserbenutzungsrechtes werden im Sinne des Art. III behandelt.
Artikel V Die beiderseitigen Wasserrechtsbehörden werden in allen, die Wasserkraftnutzung der Saalachgrenzstrecken berührenden Fragen von nicht bloß örtlichem, nur einen Staat betreffenden Interesse (also zum Beispiel bei Hochwasserrückhaltemaßnahmen, Schwellbetrieb, Stauraumspülungen usw.), miteinander Fühlung nehmen, um die beiderseitigen Auffassungen aufeinander abzustimmen.
Artikel VI (1) Durch dieses Abkommen werden die bestehenden Vertragsverhältnisse hinsichtlich des Verlaufs der Staatsgrenze und der Regelung flußbaulicher Belange nicht berührt.
(2) Soweit zur Durchführung dieses Abkommens Rechte und Pflichten Dritter begründet werden müssen, wird auf beiden Seiten die unmittelbare Berechtigung bzw. Verpflichtung der in Betracht kommenden Beteiligten im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten bewirkt werden.
Artikel VII (1) Wenn sich die beiden Regierungen über die Auslegung oder Anwendung irgendwelcher Bestimmungen dieses Abkommens nicht einigen sollten, werden sie solche Angelegenheiten einem Schiedsgericht unterbreiten.
(2) Das Schiedsgericht wird für jeden Streitfall derart gebildet, daß jede Regierung ein Mitglied benennt und beide Regierungen einen Obmann wählen, der weder deutscher noch österreichischer Staatsangehöriger ist.
(3) ¹Das Schiedsgericht soll auf Verlangen einer Seite spätestens innerhalb dreier Monate nach Stellung eines solchen Verlangens in Tätigkeit treten. ²Es entscheidet mit Stimmenmehrheit. ³Seine Entscheidung ist bindend.
(4) Falls drei Monate nach Anrufung des Schiedsgerichtes und nachfolgender vergeblicher Erinnerung noch nicht alle seine Mitglieder bestellt sind, werden die fehlenden Mitglieder auf Verlangen einer Seite vom Präsidenten des Instituts für Internationales Recht in Genf bestellt.
Artikel VIII Das Abkommen tritt mit der Unterzeichnung in Kraft.
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