3121.0-J Verfahren bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Todesfall, bei ungeklärter Todesart und bei Auffinden von unbekannten Leichen sowie Verfahren beim Auffinden von Leichen in sonst...
DE - Landesrecht Bayern

3121.0-J Verfahren bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Todesfall, bei ungeklärter Todesart und bei Auffinden von unbekannten Leichen sowie Verfahren beim Auffinden von Leichen in sonstigen Fällen Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien der Justiz, des Innern, für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz und der Finanzen vom 24. August 2006, Az. 4103 – II – 8371/01, IC2-2473-2, 322k-G8070-2005/1-10, 46-L 0430-001-5604/06 (JMBl. S. 174)

Zum Vollzug des § 159 der Strafprozessordnung (StPO) und des § 4 der Bestattungsverordnung (BestV) vom 1. März 2001 (GVBl S. 92, ber. S. 190) sowie zum Verfahren beim Auffinden von Leichen in sonstigen Fällen wird bestimmt:

Abschnitt 1

1. Geltungsbereich

1.1

Die nachfolgenden Bestimmungen sind anzuwenden, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BestV), wenn die Todesart ungeklärt ist (§ 3 Abs. 3 Satz 2 BestV) oder wenn ein Toter gefunden wird, der nicht sofort identifiziert werden kann (unbekannter Leichnam).

1.2

Anhaltspunkte für einen nicht natürlichen Tod im Sinne der Nr. 1.1 liegen insbesondere dann vor, wenn eine Person in einem Gewässer oder einem sonst lebensbedrohlichen Ort bereits so lange vermisst ist, dass nach all-gemeiner Erfahrung ihr Tod angenommen werden muss und Rettungsversuche aussichtslos sind.

1.3

Stirbt ein Unbekannter nach längerer Behandlung im Krankenhaus, so wird sein Leichnam nicht „gefunden“. Dagegen wird der Leichnam eines Unbekannten "gefunden", wenn jemand zwar unter den Augen anderer gestorben ist, aber eine sofortige Identifizierung nicht möglich ist.

2. Bergung und ggf. Suche, Transport, Bewachung und Unterbringung der Leiche

2.1

Die Polizei hat unverzüglich dafür zu sorgen, dass die Leiche geborgen und bewacht oder sicher untergebracht wird, es sei denn, die Leiche ist wegen damit verbundener Gefahren oder wegen unvertretbaren Aufwands nicht zu bergen. Die Bergung umfasst auch das Suchen der Leiche. An der Leiche dürfen bis zum Eintreffen des Arztes, der die endgültige Leichenschau vornimmt, Veränderungen nur vorgenommen werden, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zwingend erforderlich sind. Spuren, die zur Aufklärung der Todesursache dienen können, dürfen nicht vernichtet oder beeinträchtigt werden.

2.2

In unaufschiebbaren Fällen beauftragt die Polizei nach Art. 14 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 BestG einen Arzt mit der Durchführung der Leichenschau. Gibt die Staatsanwaltschaft die Leiche nicht zur Bestattung frei (§ 159 Abs. 2 StPO), sondern ordnet eine Leichenöffnung nach § 87 StPO an, ist der Transport zum Ort der Leichenöffnung (z.B. gerichtsmedizinisches Institut) Aufgabe der Polizei.

3. Anzeige

3.1

Die Polizei hat den Todesfall oder das Auffinden der Leiche und die dabei getroffenen Feststellungen unverzüglich der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Die Anzeige ist schriftlich nachzureichen, wenn sie zunächst auf andere Weise übermittelt worden ist.

3.2

Unberührt bleiben Anzeigepflichten der Polizei nach sonstigen Bestimmungen, insbesondere
die Anzeige des Todesfalls beim zuständigen Standesbeamten nach Maßgabe von § 35 Personenstandsgesetz und der Bekanntmachung des Staatsministeriums des Innern zum Vollzug des Personenstandsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung
die Anzeige nach Ziffer 3 der PDV 389 (Vermisste, unbekannte Tote, unbekannte hilflose Personen).

4. Weiteres Verfahren nach der Anzeige

4.1

Der Staatsanwalt verfährt aufgrund einer nach Nr. 3.1 erstatteten Anzeige nach Nrn. 33 bis 38 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV).

4.2

Die Genehmigung der Staatsanwaltschaft nach § 159 Abs. 2 StPO zur Bestattung einer Leiche ist auf Formblättern nach dem

5. Ärztliche Leichenschau und Leichenschau nach § 87 StPO

Art. 2 Abs. 1 BestG schreibt bei jedem Todesfall eine ärztliche Leichenschau vor; diese ist von der Leichenschau nach § 87 StPO zu unterscheiden, die Beweiszwecken in Strafverfahren dient und erforderlichenfalls neben der ärztlichen Leichenschau im Sinne des BestG vorzunehmen ist. Ist anzunehmen, dass die Leichenschau nach Art. 2 Abs. 1 BestG nicht ordnungsgemäß vorgenommen wird oder wurde, so kann die Staatsanwaltschaft oder die Polizei verlangen, dass die Leichenschau von einem Arzt der unteren Behörde für Gesundheit, Veterinärwesen, Ernährung und Verbraucherschutz ("Gesundheitsamt"), in dessen Amtsbezirk sich die Leiche befindet, von einem Landgerichtsarzt, von einem Facharzt für Rechtsmedizin oder von einem durch die Polizei besonders verpflichteten Arzt vorgenommen wird, oder, wenn sie bereits durchgeführt worden ist, wiederholt wird (§ 5 Abs. 2 BestV).

6. Aufgaben der Polizei nach Freigabe der Leiche durch die Staatsanwaltschaft

Hat die Staatsanwaltschaft die Leiche nach § 159 Abs. 2 StPO zur Bestattung freigegeben, obliegen alle Verrichtungen zur Vorbereitung der Bestattung sowie die Bestattung selbst dem Bestattungspflichtigen (Art. 15 BestG, § 15 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV) bzw. im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 BestG der Gemeinde. Daneben obliegt der Rücktransport einer nach § 87 StPO obduzierten und zur Bestattung freigegebenen Leiche zu einer Bestattungseinrichtung in der Nähe des Auffindungsortes der Polizei, es sei denn der Bestattungspflichtige möchte die freigegebene Leiche selbst auf eigene Kosten an einen anderen Ort verbringen. In unaufschiebbaren Fällen muss die Polizei die dem Bestattungspflichtigen obliegenden, der Bestattung vorausgehenden notwendigen Verrichtungen und die Bestattung sowie die Beseitigung von Körper- und Leichenteilen selbst oder durch vertraglich Beauftragte vornehmen (Art. 14 Abs. 2 BestG). Ob eine Maßnahme unaufschiebbar ist, hängt davon ab, ob sie nach den Umständen des Einzelfalls zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sofort erforderlich ist.

7. Kosten

7.1

Die bis zur Freigabe der Leiche zur Bestattung (§ 159 Abs. 2 StPO) anfallenden Kosten für Bergung, Transport, Bewachung und Unterbringung sind von der Polizei zu tragen. Die Polizei merkt die ihr bis zur Freigabe der Leiche entstandenen Auslagen nach Maßgabe des § 464a StPO in Verbindung mit Nr. 9015 KV-GKG zu den Akten des Strafverfahrens vor. Die im Zusammenhang mit einer Leichenöffnung (§ 87 StPO) anfallenden Kosten der Bewachung und Unterbringung der Leiche (z.B. Kühlzellen am Ort der Obduktion) sind abweichend von Satz 1 durch die Staatsanwaltschaft bzw. dem Gericht zu tragen. Nach Abschluss einer Leichenöffnung sind die Kosten des Rücktransportes der Leiche zu einer Bestattungseinrichtung in der Nähe des Auffindungsortes von der Polizei zu tragen.

7.2

Verlangt die Staatsanwaltschaft oder die Polizei nach obiger Nr. 5, dass die Leichenschau nach Art. 2 Abs. 1 BestG vom Arzt der unteren Behörde für Gesundheit, Veterinärwesen, Ernährung und Verbraucherschutz („Gesundheitsamt“) oder vom Landgerichtsarzt vorgenommen oder wiederholt wird, ist für diese Leichenschau nach §§ 1, 6 Abs. 1 der Verordnung über die Benutzungsgebühren der Gesundheitsverwaltung (GGbO) in Verbindung mit Tarif- Nr. 3.8 des Gebührenverzeichnisses 3 eine Gebühr zu entrichten. Diese Gebühr ist gemäß Art. 4 BestG in Verbindung mit § 1968 BGB endgültig vom Erben des Verstorbenen zu tragen.

7.3

Beauftragt die Polizei in unaufschiebbaren Fällen nach obiger Nr. 2.2 einen Arzt mit der Durchführung der Leichenschau, sind die Kosten zunächst von der Polizei zu tragen; die Polizei kann diese Kosten dem Pflichtigen auferlegen (Art. 14 Abs. 2 BestG).

7.4

Wird die Polizei nach Freigabe der Leiche durch die Staatsanwaltschaft gemäß obiger Nr. 6 in unaufschiebbaren Fällen tätig, trägt sie zunächst die dadurch entstandenen Kosten; sie kann diese Kosten (mit Ausnahme der Kosten für den Rücktransport zu einer Bestattungseinrichtung in der Nähe des Auffindungsortes) dem Bestattungspflichtigen auferlegen (Art. 14 Abs. 2 BestG).

Abschnitt 2

1. Bergung, Transport, Bewachung und Unterbringung von nicht von § 159 StPO erfassten Leichen ist Aufgabe der Polizei, wenn und soweit sie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen, also dem präventiv-polizeilichen Bereich nach Art. 2 Abs. 1 PAG zuzurechnen sind. Das Gleiche gilt für die Beseitigung von Körper- und Leichenteilen. Von einer polizeilichen Aufgabe nach Art. 2 Abs. 1 PAG ist insbesondere auszugehen bei der Bergung von namentlich bekannten und eines natürlichen Todes verstorbenen Personen, die in allgemein zugänglichen öffentlichen Bereichen (Grünanlagen, öffentliche Verkehrsmittel, Straßen und Plätze, Wanderwege) gefunden werden und aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dort geborgen werden müssen. Eine unaufschiebbare Maßnahme nach Art. 14 Abs. 2 BestG ist in solchen Fällen nicht gegeben. Die Polizei kann die ihr dabei entstehenden Kosten niemandem auferlegen (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 KG).
2. Dienen Bergung, Transport, Bewachung und Unterbringung einer nicht von § 159 StPO erfassten Leiche nicht oder nicht mehr der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern sind sie notwendige Vorbereitung zur Bestattung, obliegen diese Maßnahmen grundsätzlich dem Bestattungspflichtigen (Art. 15 BestG, § 15 BestV) oder der Gemeinde (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG). Das Gleiche gilt für die Beseitigung von Körper- und Leichenteilen. Von Maßnahmen zur Vorbereitung der Bestattung ist insbesondere auszugehen bei der Bergung von namentlich bekannten und eines natürlichen Todes in Krankenhäusern oder an der Arbeitsstelle verstorbenen Personen. Nur in unaufschiebbaren Fällen obliegen solche Maßnahmen der Polizei (Art. 2 Abs. 4 PAG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 2 BestG). Die Polizei kann die ihr dabei entstehenden Kosten dem Bestattungspflichtigen (Art. 15 BestG, § 15 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV) auferlegen.

Abschnitt 3

Die Gemeinsame Bekanntmachung tritt am 1. November 2006 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Gemeinsame Bekanntmachung der Staatsministerien der Justiz, des Innern und der Finanzen über das Verfahren bei Anhaltspunkten für einen nicht natürlichen Todesfall und bei Auffinden von unbekannten Leichen vom 23. Februar 1973, Az.: 4103 – II - 4919/71, IC2-2532/1-3 und Az.: L 0 430-1-1203 (MABl S. 181), sowie die IM-Bekanntmachung vom 25. Oktober 1974 (MABl S. 808), außer Kraft.
I. A.
Klotz
Ministerialdirektor
I. A.
Schuster
Ministerialdirektor
I. V.
Berthel
Ministerialdirigent
I. A.
Weigert
Ministerialdirektor
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