ÖPNVG
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz über die Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNVG) Vom 8. Juni 1995

§ 1 Zielsetzung

Öffentlicher Personennahverkehr soll im gesamten Landesgebiet im Rahmen eines integrierten Gesamtverkehrssystems und optimal verknüpft mit den weiteren Verkehrsträgern des Umweltverbundes, insbesondere Fußverkehr, Radverkehr, Carsharing als eine vollwertige Alternative zum motorisierten Individualverkehr zur Verfügung stehen. Er soll dazu beitragen, daß die Mobilität der Bevölkerung gewährleistet, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg gesichert und verbessert sowie den Belangen des Umweltschutzes einschließlich des Klimaschutzes, der Energieeinsparung und der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs Rechnung getragen wird. Jedes Verkehrsmittel im öffentlichen Personennahverkehr soll im Rahmen seiner besonderen Vorteile eingesetzt werden. Das Eisenbahnnetz soll für eine leistungsfähige und bedarfsgerechte verkehrliche Erschließung erhalten und ausgebaut werden. Ferner ist anzustreben, daß auf diesem Netz ein attraktives und nach Möglichkeit vertaktetes Angebot im Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung steht. Bei der Verwirklichung dieser Ziele ist der Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels angemessen Rechnung zu tragen. Zur Erreichung dieser Ziele sollen grundsätzlich die zuständigen Aufgabenträger auch die Ausgabenverantwortung tragen.

§ 2 Begriffsbestimmungen

(1) Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen. Das ist im Zweifel der Fall, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt.
(2) Öffentlicher Personennahverkehr ist auch der Verkehr mit Taxen oder Mietwagen, der einen Verkehr nach Absatz 1 ersetzt, ergänzt oder verdichtet.
(3) Das Verkehrsministerium entscheidet im Zweifelsfall, ob die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 vorliegen.

§ 3 Grundsätze der Planung

(1) Die Planungen für den öffentlichen Personennahverkehr sind mit den Grundsätzen und Zielen der Raumordnung und Landesplanung sowie der kommunalen Bauleitplanung abzustimmen.
(2) Die Landes-, Regional- und Bauleitplanung soll eine ausreichende Verknüpfung von Wohn- und Erholungsbereichen, Arbeitsstätten, öffentlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen durch den öffentlichen Personennahverkehr vorsehen.
(3) Bei der Planung soll dem öffentlichen Personennahverkehr vor allem in verdichteten Räumen Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden, soweit dies mit dem öffentlichen Verkehrsinteresse und dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbar ist. Dabei soll der Ausbau vorhandener Verkehrswege gegenüber dem Neubau Vorrang erhalten.

§ 4 Leitlinien für die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs

(1) Die Aufgabenträger nach § 6 sollen im Rahmen der freiwilligen Aufgabenerfüllung die in den Absätzen 2 bis 8 enthaltenen Leitlinien für die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs berücksichtigen.
(2) Die Linienführungen und Fahrpläne im öffentlichen Personennahverkehr sollen bedarfsgerecht gestaltet und mit dem Ziel der Bildung eines integrierten Gesamtverkehrssystems fortentwickelt werden.
(3) In ausreichendem Umfang sollen Umsteigeanlagen für den Übergang zwischen den Linien und Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs sowie zum Fernverkehr zu den weiteren Verkehrsträgern des Umweltverbunds und zum motorisierten Individualverkehr vorgesehen und benutzerfreundlich gestaltet werden.
(4) In den Fahrplänen soll ein bedarfsgerechter Bedienungstakt mit Umsteigemöglichkeiten an den Verknüpfungspunkten angestrebt werden. Die Einführung durchgehender und vergleichbar gestalteter Informationssysteme soll unterstützt werden.
(5) Soweit schienengebundene Verkehre bestehen oder ausgebaut werden, sollen sie als Grundangebot ausgestaltet und die übrigen Leistungen im öffentlichen Personennahverkehr darauf ausgerichtet werden.
(6) Entsprechend dem zeitlich und räumlich unterschiedlichen Bedarf für Verkehrsleistungen sollen abgestufte Bedienungskonzepte verwirklicht werden. Dabei sollen auch alternative Bedienungsformen genutzt werden.
(7) Zur Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs sollen Sonderlinienverkehre nach § 43
des Personenbeförderungsgesetzes - PBefG - in der Fassung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1691) in der jeweils geltenden Fassung in geeigneten Fällen in Linienverkehre nach § 42
PBefG überführt werden. Auf eine Aufhebung bestehender Bedienungsverbote soll hingewirkt werden.
(8) Bei der Planung und Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeuge und der Verkehrsangebote im öffentlichen Personennahverkehr sollen die Belange von Familien mit Kindern und von Frauen besonders berücksichtigt werden. Dies gilt auch für Personen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind; für diese Personengruppe soll der barrierefreie Zugang und in geeigneten Fällen die Beförderung in behindertengerecht ausgerüsteten Fahrzeugen vorgesehen werden.

§ 5 Aufgabe

Die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr ist eine freiwillige Aufgabe der Daseinsvorsorge.

§ 6 Aufgabenträger

(1) Träger der freiwilligen Aufgabe nach § 5 sind mit Ausnahme der Regelungen des Absatzes 2 sowie des § 3
Absatz 3 Nummer 4 des Gesetzes über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) vom 7. Februar 1994 (GBl. S. 92), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. November 2004 (GBl. S. 800), in der jeweils geltenden Fassung die Stadt- und Landkreise in eigener Verantwortung. Die Befugnis der Gemeinden, Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr zu fördern oder durch eigene Verkehrsunternehmen zu erbringen, bleibt unberührt. Sieht eine Gemeinde davon ab, weiterhin entsprechend Satz 2 tätig zu werden, so wird hierdurch nicht die Verpflichtung des Aufgabenträgers begründet, diese Leistungen fortzuführen oder selbst zu erbringen.
(2) Träger der Aufgabe des Schienenpersonennahverkehrs nach § 2 Abs. 5
des Allgemeinen Eisenbahngesetzes - AEG - vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396) ist das Land, soweit nicht durch Rechtsverordnung nach § 7 etwas anderes bestimmt ist. § 3 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1
des Gesetzes über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart vom 7. Februar 1994 (GBl. S. 92) in der jeweils geltenden Fassung bleibt unberührt.
(3) Die Aufgabenträger nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 sowie der Verband Region Stuttgart nach Maßgabe des § 3
Absatz 1 Nummer 4 und Absatz 3 Nummer 4 in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3 GVRS sind in ihrem Wirkungskreis zuständige Behörde für den öffentlichen Personennahverkehr im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3. Dezember 2007, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung. Satz 1 gilt entsprechend, wenn Gemeinden nach Absatz 1 Satz 2 tätig werden. Die zuständige Behörde ist insbesondere berechtigt, nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausschließliche Rechte und Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu vergeben und allgemeine Vorschriften zu erlassen.
(4) Erlässt der Verband Region Stuttgart in seiner Zuständigkeit nach Maßgabe des Absatzes 3 allgemeine Vorschriften im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/ 2007 zum Zweck der Tarifintegration für das Gebiet des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart, geschieht dies im Einvernehmen mit den betroffenen Landkreisen sowie dem Verkehrsministerium. Das Einvernehmen kann seitens der Landkreise nur einstimmig verweigert werden. Das Einvernehmen der Landkreise und des Verkehrsministeriums gilt als erteilt, wenn es nicht binnen vier Monaten nach dem jeweiligen Eingang des Entwurfs verweigert wird.

§ 7 Regelungen zur Trägerschaft für den Schienenpersonennahverkehr

Das Verkehrsministerium kann durch Rechtsverordnung festlegen, daß räumlich oder nach Art der Verkehrsbedienung abgegrenzte Teile des Schienenpersonennahverkehrs von der Trägerschaft nach § 6 Abs. 2 Satz 1 ausgenommen werden. Die Festlegung nach Satz 1 soll erfolgen, wenn
1.
der Teil der Aufgabe ganz überwiegend örtliche oder regionale Bedeutung hat oder
2.
die Wirtschaftlichkeit der Verkehrsbedienung in einem bestimmten Gebiet durch Zusammenführung der Aufgabenträgerschaft für den gesamten öffentlichen Personennahverkehr verbessert werden kann oder
3.
durch Zusammenarbeit der Gebietskörperschaften gewährleistet ist, daß eine abgestimmte und den Verkehrsbedürfnissen entsprechende Bedienung im Schienenpersonennahverkehr innerhalb eines durch starke verkehrliche Verflechtungen gekennzeichneten Raumes sichergestellt wird.
Erfolgt eine Festlegung nach Satz 1, werden die Einzelheiten in einer Vereinbarung zwischen dem Land und dem jeweils betroffenen Aufgabenträger geregelt.

§ 8 Zusammenarbeit von Aufgabenträgern

(1) Die Aufgabenträger sollen zur Abstimmung der Planung, Organisation und Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit soll sich bei verkehrlichen Verflechtungen auf die zuständigen Stellen benachbarter Länder erstrecken. Soweit es zur Umsetzung des Satzes 2 erforderlich ist und der Verwirklichung der Zielsetzung des § 1 dient, kann mit Zustimmung der Rechtsaufsichtsbehörde von den §§ 5 bis 7, 9, 11 und 12 dieses Gesetzes abgewichen werden.
(2) Die §§ 10 und 11 des Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit in der Fassung vom 16. September 1974 (GBl. S. 408, ber. 1976 S. 408) in der jeweils geltenden Fassung bleiben unberührt.
(3) Das Land stimmt sich bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Schienenpersonennahverkehr mit den übrigen Aufgabenträgern des öffentlichen Personennahverkehrs ab.

§ 9 Verkehrsverbünde

(1) Zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs und zur Steigerung seiner Attraktivität, insbesondere durch die koordinierte Gestaltung des Leistungsangebots sowie durch einheitliche und nutzerfreundliche Tarif- und Beförderungsbestimmungen (Verbundtarif), werden Verkehrsverbünde gebildet. Verkehrsverbünde fördern die Zusammenarbeit zwischen Aufgabenträgern und den Verkehrsunternehmen.
(2) Die Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 Satz 1 sowie der Verband Region Stuttgart nach § 3 Absatz 3 Nummer 4 und § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3
GVRS stellen den flächendeckenden Bestand von Verkehrsverbünden und die Anwendung eines Verbundtarifs sicher. Bei der Wahrnehmung der Aufgaben sind die verkehrs- und entwicklungspolitischen Ziele des Landes gemäß den §§ 1 und 4 zu beachten. Im Interesse einer integrierten Aufgabenwahrnehmung unterstützt das Land die Verkehrsverbünde weiterhin als Gesellschafter in Verbundgesellschaften, als Mitglied in den Zweckverbänden oder als beratendes Mitglied in den Aufsichtsgremien.
(3) Bei verbundgrenzüberschreitenden Verkehren ist grundsätzlich der Baden-Württemberg-Tarif (BW-Tarif) anzuwenden. Ausnahmen hiervon werden in der zu erlassenden Rechtsverordnung nach Absatz 8 Nummer 2 geregelt.
(4) Das Land stellt den Aufgabenträgern nach § 6 Absatz 1 Satz 1 sowie dem Verband Region Stuttgart nach § 3 Absatz 3 Nummer 4 und § 4 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 3
GVRS jährlich Verbundfördermittel in Höhe von 50 000 000 Euro zum Ausgleich der Verbundtarife und der kooperationsbedingten Lasten der Verbünde zur Verfügung (Verbundförderung). Die Aufgabenträger müssen jeweils eigene Beiträge zur Verbundfinanzierung in mindestens gleicher Höhe erbringen. Diese kommunalen Beiträge dürfen nicht aus Zuweisungen des Landes nach § 15 dieses Gesetzes erbracht werden. Andernfalls wird die Zuweisung des Landes zur Verbundförderung nur entsprechend anteilig gewährt.
(5) Die von den Verbünden ermittelten Ausgleichszahlungen für Verkehre in der Aufgabenträgerschaft des Landes werden direkt vom Land an die jeweiligen Verkehrsunternehmen zugewiesen und von der jeweiligen Zuweisung an die Aufgabenträger abgezogen. Soweit in Verbünden das Land als Aufgabenträger selbst über die allgemeine Vorschrift zur Sicherstellung des Verbundtarifs mit beschließt, kann eine abweichende Finanzierung in der zu erlassenden Rechtsverordnung geregelt werden.
(6) Die Zuweisungen nach Absatz 4 setzen voraus, dass die Aufgabenträger beziehungsweise die Verkehrsverbünde im Rahmen der Vorgaben der Aufgabenträger sicherstellen, dass
1.
gemäß Absatz 1 der flächendeckende Bestand von Verkehrsverbünden und die flächendeckende Anwendung eines Verbundtarifs sichergestellt wird,
2.
die Verbundstruktur wettbewerbsneutral und transparent ausgestaltet und dadurch ein diskriminierungsfreier Zugang zum Verbund gewährleistet ist, der entsprechende Mitwirkungsbefugnisse für alle Marktteilnehmer ermöglicht,
3.
transparente und verkehrsunternehmensneutrale Einnahmeaufteilungsverfahren grundsätzlich nach der Nutzung der Verkehre im Verbund zur Anwendung kommen,
4.
landeseinheitliche Beförderungsstandards und Service- und Marketingkonzepte wie landesweite Kundenserviceanlaufstellen sowie sonstige Aktivitäten zur Steigerung der Attraktivität der öffentlichen Mobilität umgesetzt werden,
5.
das Land bei der Durchführung von Vergabeverfahren für das Erbringen von Nahverkehrsleistungen insbesondere durch die Bereitstellung von Daten unterstützt wird,
6.
dem Land Fahrplan- und Echtzeitinformationen sowie Nachfragedaten zur Nutzung im Rahmen der Ausbaustrategie des Landes und zur Verbesserung der Fahrgastinformation bereitgestellt werden,
7.
die Haltestellen- und Fahrplandaten für alle in den Verbund einbezogenen Linien zur Ansicht und Weiterverarbeitung im offenen digitalen Standardformat unter einer offenen Datenlizenz dem Land zur Verfügung gestellt werden und
8.
im Interesse einer integrierten Aufgabenwahrnehmung das Land weiterhin beratendes Mitglied in den Aufsichtsgremien der Verbundgesellschaften oder Mitglied in den Zweckverbänden bleibt.
(7) Das Land kann die Zuweisung entsprechend kürzen beziehungsweise zurückfordern, wenn eine der Voraussetzungen in Absatz 6 nicht erfüllt wird. Die Verwendung der Zuweisungen ist dem Land jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Schluss eines Kalenderjahres durch den Aufgabenträger nachzuweisen.
(8) Das zuständige Ministerium wird ermächtigt durch Rechtsverordnung insbesondere
1.
die Höhe der Zuweisung auf die Aufgabenträger, 2.
die Konkretisierung der Anwendung des BW-Tarifs nach § 9 Absatz 3,
3.
eine abweichende Finanzierung gemäß Absatz 5, 4.
die Konkretisierungen der Voraussetzungen nach Absatz 6 für die Verbundförderung und
5.
das Verfahren, die Zuständigkeiten für die Auszahlung, den Nachweis und die Prüfung über die Verwendung der Zuweisung
zu regeln.
(9) Neben der Verbundförderung nach Absatz 4 stellt das Land zusätzlich weitere Mittel für verbundgrenzüberschreitende Verkehre mit Anwendung des BW-Tarifs nach Absatz 3 Satz 1 sowie für weitere zeitlich befristete Förderungen von Tarifmaßnahmen und Verbundzusammenschlüssen im Rahmen der jeweiligen haushaltsrechtlichen Ermächtigungen zur Verfügung. Das Nähere regelt eine nach § 18 erlassene Verwaltungsvorschrift.

§ 10 Programm zur Investitionsplanung im öffentlichen Personennahverkehr

Das Verkehrsministerium stellt jährlich auf der Grundlage des angemeldeten Bedarfs ein Programm zur Investitionsplanung im öffentlichen Personennahverkehr auf, das jeweils einen Zeitraum von fünf Jahren umfaßt. Bei der Aufstellung sind die Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu beachten sowie die Verkehrsentwicklung und die Belange des Umweltschutzes inschließlich des Klimaschutzes, der Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels und des Städtebaus zu berücksichtigen.

§ 11 Nahverkehrsplan

(1) Die Aufgabenträger nach § 6 Abs. 1 Satz 1 haben für ihr Gebiet zur Sicherung und zur Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs einen Nahverkehrsplan im Sinne des § 8
Abs. 3 PBefG aufzustellen (weisungsfreie Pflichtaufgabe). Benachbarte Aufgabenträger können einen gemeinsamen Nahverkehrsplan aufstellen.
(2) Bei der Aufstellung des Nahverkehrsplans sind die Regelungen der §§ 1 und 3 sowie die Zielsetzungen, die den Regelungen des § 4 zugrunde liegen, zu beachten. Nahverkehrspläne haben integrierte und intermodale Gesamtverkehrskonzepte zu berücksichtigen und können Bestandteil solcher Konzepte sein. Aufgabenträger im Verbandsgebiet des Verbandes Region Stuttgart haben zusätzlich dessen Regionalverkehrsplanung zu beachten.
(3) Der Nahverkehrsplan bildet den Rahmen für die Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs. Er hat mindestens zu enthalten:
1.
eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Einrichtungen und Strukturen sowie der Bedienung im öffentlichen Personennahverkehr und dessen Verknüpfung mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes;
2.
eine Bewertung der Bestandsaufnahme (Verkehrsanalyse Modal Split);
3.
eine Abschätzung des im Planungszeitraum zu erwartenden Verkehrsaufkommens im motorisierten Individualverkehr und im öffentlichen Personennahverkehr (Verkehrsprognose);
4.
Ziele und Rahmenvorgaben für die Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs sowie dessen Verknüpfung mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes;
5.
Aussagen über zeitliche Vorgaben und erforderliche Maßnahmen zur Verwirklichung einer möglichst weitreichenden Barrierefreiheit im öffentlichen Personennahverkehr.
(4) Im Nahverkehrsplan sollen geplante Investitionen für Zwecke des öffentlichen Personennahverkehrs mit ihren voraussichtlichen Kosten und der Finanzierung dargestellt werden.
(5) Der Nahverkehrsplan soll durch einen Nahverkehrsentwicklungsplan ergänzt werden, der Aussagen enthält
1.
zur angestrebten Entwicklung der Verkehrssituation, die auch über den Planungszeitraum des Nahverkehrsplans hinaus reichen (langfristige Verkehrsentwicklungsprognose);
2.
zu angestrebten Angebotsverbesserungen in betrieblicher und tariflicher Hinsicht mit Darstellung der Fördermöglichkeiten.

§ 12 Aufstellung des Nahverkehrsplans

(1) Bei der Vorbereitung des Nahverkehrsplanes sind die Gemeinden im Gebiet des Aufgabenträgers, der örtlich zuständige Träger der Regionalplanung, die Straßenbaulastträger, die vorhandenen Verkehrsunternehmer sowie die für die Erteilung von Genehmigungen für Linienverkehre nach dem Personenbeförderungsgesetz zuständigen Behörden zu beteiligen. Soweit Behindertenbeauftragte oder Behindertenbeiräte der Aufgabenträger vorhanden sind, sind diese anzuhören. Andere Stellen können beteiligt werden.
(2) Soweit Schienenpersonennahverkehr im Sinne von § 2
Abs. 5 AEG betroffen ist, erfolgt die Aufstellung im Benehmen mit den hierfür zuständigen Aufgabenträgern oder den von ihnen beauftragten Stellen.
(3) Soweit Gemeinden in erheblichem Umfang Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr fördern oder durch eigene Verkehrsunternehmen erbringen, ist ihr Einvernehmen zu den ihr Gebiet betreffenden Inhalten des Nahverkehrsplans erforderlich.
(4) Nahverkehrspläne benachbarter Aufgabenträger sowie von Aufgabenträgern innerhalb von Verkehrskooperationen sind aufeinander abzustimmen.
(5) Die Aufstellung des Nahverkehrsplans erfolgt durch Beschluß des Aufgabenträgers. Der Aufgabenträger kann Dritte oder Regionalverbände mit dem Entwurf des Nahverkehrsplans beauftragen. Der Nahverkehrsplan ist beim Aufgabenträger zur kostenlosen Einsicht durch jedermann während der Sprechzeiten aufzulegen.
(6) Der Nahverkehrsplan ist dem Regierungspräsidium anzuzeigen.
(7) Der Nahverkehrsplan nach § 11 ist bis spätestens 31. Dezember 1998 aufzustellen. Spätestens nach Ablauf von fünf Jahren ist der Nahverkehrsplan zu überprüfen und bei Bedarf fortzuschreiben. Für die Überprüfung und Fortschreibung gelten die Vorschriften für die Aufstellung des Nahverkehrsplans.

§ 13 Finanzierung

(1) Das Land fördert den öffentlichen Personennahverkehr nach Maßgabe des Staatshaushaltsplans.
(2) Die nach § 5 in Verbindung mit § 6 des Regionalisierungsgesetzes auf das Land entfallenden Mittel sind vorrangig für den Schienenpersonennahverkehr zu verwenden. Die für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung stehenden Mittel werden insbesondere zur Erhaltung des Schienennetzes und des Leistungsangebots sowie zum Bau neuer und zur Reaktivierung stillgelegter Schienenstrecken eingesetzt.
(3) Neben der Finanzierung der kommunalen Aufgabenträger nach § 15 und der Verbundförderung nach § 9 gewährt das Land nach Maßgabe von Richtlinien und des Haushaltsplans weitere Förderungen zur Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Verkehrsverbünde und der Verbundtarife. Das Nähere bestimmen nach § 18 erlassene Verwaltungsvorschriften.

§ 14 Ersetzung von Bundesrecht

§ 45a PBefG wird gemäß § 64a PBefG durch die §§ 15 bis 18 ersetzt.

§ 15 Finanzierung der kommunalen Aufgabenträger

(1) Die Aufgabenträger nach § 6 Absatz 1 Satz 1 sowie der Verband Region Stuttgart nach § 3
Absatz 3 Nummer 4 und § 4 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c GVRS erhalten vom Land ab dem Jahr 2021 eine jährliche Zuweisung zur Finanzierung von Verkehrs- und Tarifleistungen im öffentlichen Personennahverkehr in Höhe von 217 296 666 Euro. Ab dem Jahr 2022 erhöht sich der Betrag auf 233 963 333 Euro und ab dem Jahr 2023 erhöht sich der Betrag auf 250 630 000 Euro.
(2) Die Höhe der Zuweisungen nach Absatz 1 ergeben sich aus einem Verteilschlüssel, der raumstrukturelle, auf den öffentlichen Personennahverkehr bezogene und leistungsbezogene Parameter berücksichtigt. Dabei wird sichergestellt, dass jeder Aufgabenträger mindestens Zuweisungen in der Höhe erhält, die zum Ausgleich der aus der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung des Höchsttarifs im Ausbildungsverkehr resultierenden Mindereinnahmen nach § 16 Absatz 1 notwendig sind (Sicherungsmechanismus). Unterschreitet bis zum 31. Dezember 2023 für den jeweiligen Aufgabenträger die berechnete Höhe der jährlichen Zuweisung die Mittelausstattung des Jahres 2019, so wird in den Jahren 2021 bis einschließlich 2028 ein Härtefallausgleich gewährt. Der Härtefallausgleich wird bis einschließlich 2026 in voller Höhe der Differenz gewährt. Für die Jahre 2027 und 2028 wird der Härtefallausgleich um je ein Drittel reduziert. Die Mittel für den Sicherungsmechanismus und den Härtefallausgleich werden den Beträgen nach Absatz 1 vorweg entnommen. Die Aufgabenträger stellen dem Land die notwendigen Daten zum Zwecke der Berechnung der Zuweisungshöhe zur Verfügung.
(3) Das Nähere, insbesondere die Ausformung und Gewichtung der genannten Faktoren, deren Berechnungsgrundlagen, die stufenweise Umsetzung des Verteilschlüssels, der Sicherungsmechanismus, der Härtefallausgleich sowie die zur Verfügung zu stellenden Daten zur Berechnung des Schlüssels wird durch Verordnung des zuständigen Ministeriums im Einvernehmen mit dem Ministerium für Finanzen, dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz geregelt.
(4) Gemeinden, die gemäß § 6 Absatz 1 Satz 2 Verkehrsleistungen über einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag veranlassen oder durch eigene Verkehrsunternehmen erbringen, erhalten als Ausgleich hierfür auf Anforderung eine angemessene Mittelausstattung auf der Grundlage der Zuweisung nach Absatz 1 von dem jeweiligen Aufgabenträger, welche den Verteilschlüssel der Verordnung nach Absatz 3 auch im Verhältnis zwischen Aufgabenträger und Gemeinde sachgerecht berücksichtigt. Finanzielle Effekte aus allgemeinen Vorschriften des Aufgabenträgers zugunsten des Verkehrs der Gemeinde sind dabei in Abzug zu bringen. Macht eine Gemeinde Gebrauch von § 16 Absatz 5 Satz 2, so hat sie einen Anspruch darauf, dass der von ihr veranlasste oder erbrachte Verkehr von der Anwendbarkeit der allgemeinen Vorschrift des Aufgabenträgers nach § 16 Absatz 1 ausgenommen und die diesbezüglich angemessene Finanzausstattung direkt an die Gemeinde zugewiesen wird. Dabei hat die Gemeinde sicherzustellen, dass in den öffentlichen Dienstleistungsaufträgen die Anwendung des Verbundtarifs vereinbart wird.
(5) 50 Prozent der Zuweisung nach Absatz 1 werden zum 1. April, die verbleibenden 50 Prozent werden zum 1. Oktober des jeweiligen Jahres an die Aufgabenträger ausgezahlt. Eine vorzeitige Auszahlung kann bei Vorliegen einer besonderen Härte gewährt werden. Das Nähere wird durch Verordnung des zuständigen Ministeriums geregelt.
(6) Die Verwendung der Zuweisung nach Absatz 1 und 3 ist dem Land jährlich innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss eines Kalenderjahres durch die Aufgabenträger nachzuweisen. Die Zuweisung nach Absatz 1 und 3 ist durch die Aufgabenträger innerhalb von drei Jahren nach Ende des Kalenderjahres, in dem die Zuweisung erfolgt, zweckentsprechend zu verwenden. Anderenfalls sind die Aufgabenträger verpflichtet, die Zuweisung dem Land zurückzuerstatten.

§ 16 Rabattierung des Ausbildungsverkehrs und gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen

(1) Den kommunalen Aufgabenträgern nach § 6 Absatz 1 Satz 1 sowie dem Verband Region Stuttgart nach § 3
Absatz 3 Nummer 4 und § 4 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c GVRS obliegt im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung für Personen mit Zeitfahrausweisen des Ausbildungsverkehrs im öffentlichen Personennahverkehr. Sie stellen insoweit in ihrem Zuständigkeitsbereich sicher, dass für jeden angebotenen Zeitfahrausweis des Jedermannverkehrs, mit Ausnahme von angebotenen Zeitfahrausweisen, die nur für bestimmte abgegrenzte Nutzergruppen gelten, ein um mindestens 25 Prozent rabattierter Tarif für Zeitfahrausweise des Ausbildungsverkehrs angeboten wird. Dies gilt nicht für aus sozialen Gründen preisvergünstigte Zeitkarten, die nur für bestimmte abgegrenzte Nutzergruppen angeboten werden, und für Zeitkarten, die durch Zuschüsse Dritter im Preis reduziert sind. Wer Auszubildender ist, bestimmt sich nach § 1
Absatz 1 der Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr. Die Aufgabenträger erlassen hierzu entsprechende Tarifvorgaben als Höchsttarifregelungen in Form von allgemeinen Vorschriften nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007.
(2) Absatz 1 gilt für den Verband Region Stuttgart im Rahmen seiner Zuständigkeit nach Maßgabe des § 6
Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit § 3 Absatz 3 Nummer 4 und § 4
Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe c GVRS entsprechend.
(3) Soweit dies zur Sicherstellung im Sinne des Absatzes 1 erforderlich ist, hat der jeweilige Aufgabenträger aus den gemäß § 15 zugewiesenen Mitteln Leistungen an Verkehrsunternehmen zum Ausgleich der im Ausbildungsverkehr nicht gedeckten Kosten oder Verluste zu erbringen.
(4) Sofern die gemäß § 15 zugewiesenen Mittel den Betrag übersteigen, der notwendig ist, um die aus der allgemeinen Vorschrift nach Absatz 1 Satz 4 resultierenden nicht gedeckten Kosten oder Verluste auszugleichen, und diese Mittel nicht im Rahmen einer allgemeinen Vorschrift für weitere gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen zur Festsetzung von Höchsttarifen für alle Fahrgäste oder bestimmte Gruppen von Fahrgästen verwendet werden, sind die nicht im Rahmen allgemeiner Vorschriften ausgekehrten Mittel vom jeweiligen Aufgabenträger in seinem jeweiligen Zuständigkeitsbereich für die Finanzierung anderer gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu verwenden und vollständig an die Verkehrsunternehmen zu verausgaben.
(5) Aufgabenträger, die eine Direktvergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vornehmen, können unter Beachtung dieser Verordnung die Mindestrabattierung nach Absatz 1 für diese direkt vergebenen Leistungen auch über die öffentlichen Dienstleistungsaufträge sicherstellen. Dies gilt entsprechend für Gemeinden, die gemäß § 6 Absatz 1 Satz 2 Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr fördern oder durch eigene Verkehrsunternehmen erbringen.

§ 17 Beteiligung, Zusammenarbeit

(1) Sind in einem Gebiet eines Verkehrsverbundes im Sinne des § 9 Absatz 1 mehrere Aufgabenträger in ihrer Zuständigkeit betroffen, stellen diese eine einheitliche Rabattierung nach § 16 sicher. § 9 Absatz 2 gilt entsprechend. Dass in diesem Rahmen spezielle Höchsttarife für bestimmte Gruppen von Fahrgästen nur in Teilen eines Gebiets eines Verkehrsverbundes angeboten werden, bleibt davon unberührt. Kann im Fall des Satz 1 kein Einvernehmen hergestellt werden, wird die Rechtsaufsichtsbehörde im Rahmen der ihr zustehenden Befugnisse tätig.
(2) Die betroffenen Verkehrsverbünde und Verkehrsunternehmen sind vor Erlass der allgemeinen Vorschrift im Rahmen einer Anhörung zu beteiligen.
(3) Das Verkehrsministerium vermittelt im Einzelfall und auf freiwilliger Grundlage bei Härten zwischen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen. Es trifft hierfür die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen.

§ 18 Verwaltungskosten, Verwaltungsvorschrift

(1) Von den zugewiesenen Mitteln nach § 15 Absatz 1 und Absatz 2 dürfen die Aufgabenträger ab dem Jahr 2021 höchstens jeweils 1 Prozent für entstehende Verwaltungskosten verwenden.
(2) Das Verkehrsministerium erlässt die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften.
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