Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren Vom 15. November 2016
§ 1 Anerkennung von Personen
Als psychosozialer Prozessbegleiter soll anerkannt werden, wer über
1.
die in § 3
Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (PsychPbG) vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2525, 2529) in der jeweils geltenden Fassung genannten fachlichen Qualifikationen,
2.
eine in der Regel mindestens zweijährige praktische Berufserfahrung in einem der unter § 3
Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 PsychPbG genannten Bereiche und
3.
die für die Durchführung psychosozialer Prozessbegleitung erforderliche persönliche Zuverlässigkeit
verfügt.
§ 2 Anerkennung von Aus- oder Weiterbildungen
(1) Eine Aus- oder Weiterbildung nach § 3
Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 PsychPbG soll anerkannt werden, wenn
1.
die in ihr vermittelten Inhalte die Teilnehmer befähigen, selbständig psychosoziale Prozessbegleitung unter Einhaltung der den §§ 2 und 3
PsychPbG zugrunde liegenden Standards durchzuführen,
2.
ihr ein geeignetes didaktisches und methodisches Konzept zugrunde liegt und
3.
ihre Form, Dauer und Teilnehmerzahl so bemessen sind, dass die angestrebten Lernziele erreicht werden können.
(2) Zu den nach Absatz 1 Nummer 1 zu vermittelnden Inhalten gehören in der Regel die für die psychosoziale Prozessbegleitung relevanten Kenntnisse
1.
der rechtlichen Grundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens sowie weiterer für die Opfer von Straftaten relevanter Rechtsgebiete,
2.
der Viktimologie, insbesondere Kenntnisse zu den besonderen Bedürfnissen spezieller Opfergruppen,
3.
der Psychologie und Psychotraumatologie,
4.
der Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung und
5.
der Methoden und Standards der Qualitätssicherung und Eigenvorsorge.
(3) Die Anerkennung kann versagt werden, wenn begründete Zweifel an der fachlichen Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Referenten oder der Zuverlässigkeit des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung bestehen oder erforderliche Nachweise nach Satz 2 nicht fristgerecht vorgelegt worden sind. Zur Prüfung von Zweifeln kann die nach § 4 Absatz 2 zuständige Stelle von dem Anbieter einer Aus- oder Weiterbildung Nachweise über seine Zuverlässigkeit oder über die fachliche Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Referenten verlangen. Für die Vorlage dieser Nachweise setzt die zuständige Stelle eine angemessene Frist.
§ 3 Besondere Pflichten des psychosozialen Prozessbegleiters
(1) Psychosoziale Prozessbegleiter haben Verschwiegenheit über die ihnen im Rahmen einer Prozessbegleitung anvertrauten oder sonst bekannt gewordenen Umstände zu bewahren.
(2) Psychosoziale Prozessbegleiter müssen kalenderjährlich an mindestens einer eintägigen fachspezifischen Fortbildungsveranstaltung hörend oder dozierend teilnehmen.
§ 4 Zuständigkeit
(1) Zuständig für Anerkennungen nach § 1 ist das Oberlandesgericht Stuttgart. Ein Vorverfahren nach den §§ 68 bis 73
der Verwaltungsgerichtsordnung findet nicht statt.
(2) Zuständig für Anerkennungen nach § 2 ist das Justizministerium.
§ 5 Antrag
(1) Die Anerkennung ist schriftlich bei der nach § 4 zuständigen Stelle zu beantragen.
(2) Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 1 sind Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die dort genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Nachweise der persönlichen Zuverlässigkeit nach § 1 Nummer 3 sind ein erweitertes Führungszeugnis nach § 30a
Absatz 1 Nummer 1 des Bundeszentralregistergesetzes und eine persönliche Erklärung des Antragstellers, ob gegen ihn zum Zeitpunkt der Antragstellung ein gerichtliches Strafverfahren oder ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig ist.
(3) Mit dem Antrag auf Anerkennung nach § 2 sind Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die in § 2 Absätze 1 und 2 genannten Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen.
§ 6 Befristung
Die Anerkennung nach § 1 ist auf fünf Jahre zu befristen. Im Falle einer gerichtlichen Beiordnung gilt die Anerkennung nach § 1 auch nach Ablauf der Frist für das Verfahren fort, in dem die Beiordnung erfolgt ist.
§ 7 Erneute Anerkennung
Zum Ablauf der Frist nach § 6 Satz 1 soll auf Antrag erneut anerkannt werden, wer weiterhin die Voraussetzungen nach § 1 Nummern 2 und 3 erfüllt und die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht nach § 3 Absatz 2 nachweist. §§ 5 und 6 gelten entsprechend.
§ 8 Wegfall und Fortbestand von Anerkennungsvoraussetzungen
(1) Der psychosoziale Prozessbegleiter ist verpflichtet, die nach § 4 Absatz 1 zuständige Stelle unverzüglich über Umstände zu unterrichten, die geeignet sein können, zu einem Wegfall der persönlichen Zuverlässigkeit nach § 1 Nummer 3 zu führen.
(2) Der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung ist verpflichtet, die nach § 4 Absatz 2 zuständige Stelle unverzüglich über Umstände zu unterrichten, die geeignet sein können, zu einem Wegfall der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 2 zu führen.
(3) Die nach § 4 zuständigen Stellen können von dem psychosozialen Prozessbegleiter beziehungsweise von dem Anbieter der Aus- oder Weiterbildung verlangen, dass Nachweise des Fortbestehens der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 1 Nummer 3 oder § 2 vorgelegt werden. § 2 Absatz 3 Sätze 2 und 3 gilt entsprechend.
§ 9 Länderübergreifende Sachverhalte
(1) Die Anerkennung eines psychosozialen Prozessbegleiters durch ein anderes Land steht im Einzelfall der Anerkennung nach § 1 gleich, soweit der psychosoziale Prozessbegleiter eine Aus- oder Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen hat, die nach § 2 anerkannt ist oder deren Anerkennung nach Absatz 2 einer Anerkennung nach § 2 gleichsteht.
(2) Die Anerkennung einer Aus- oder Weiterbildung durch ein anderes Land steht der Anerkennung nach § 2 gleich.
(3) Die nach § 4 Absatz 2 zuständige Stelle kann nach Anhörung des Anbieters einer Aus- oder Weiterbildung bestimmen, dass dessen durch ein anderes Land anerkannte Aus- oder Weiterbildung die in § 2 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt und deren Anerkennung nach Absatz 2 einer Anerkennung nach § 2 nicht gleichsteht.
(4) Die für die Entscheidung nach § 1 zuständige Stelle übergibt Zweifelsfälle vor Abschluss eines Anerkennungsverfahrens an die nach § 4 Absatz 2 zuständige Stelle, um eine Prüfung nach Absatz 3 zu ermöglichen.
§ 10 Verordnungsermächtigung
Das Justizministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung
1.
abweichend von § 4 eine zuständige Stelle für die Anerkennung nach §§ 1 und 2,
2.
Einzelheiten der Anerkennungsvoraussetzungen nach § 2 Absätze 1 und 2,
3.
weitere Einzelheiten der Verfahren zur Anerkennung nach §§ 1 und 2 und
4.
Einzelheiten zu Inhalten und Umfang der Fortbildung nach § 3 Absatz 2
zu bestimmen.
§ 11 Verzeichnis
(1) Die nach § 4 Absatz 1 zuständige Stelle führt ein Verzeichnis der nach § 1 anerkannten psychosozialen Prozessbegleiter.
(2) Die verzeichnisführende Stelle nimmt auf Antrag des psychosozialen Prozessbegleiters dessen örtliche und sachliche Tätigkeitsschwerpunkte in das Verzeichnis auf.
(3) Die nach § 4 Absatz 1 zuständige Stelle führt ein Verzeichnis der Aus- und Weiterbildungen, die nach § 2 anerkannt sind oder deren Anerkennung nach § 9 Absatz 2 einer Anerkennung nach § 2 gleichstehen.
§ 12 Übergangsregelung
Bis zum 31. Juli 2017 können Personen, die eine von einem Land anerkannte Aus- oder Weiterbildung nach § 3
Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 PsychPbG begonnen, aber noch nicht beendet haben, nach § 1 anerkannt werden, sofern die in § 1 Nummern 2 und 3 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Anerkennung erlischt, wenn der Antragsteller den erfolgreichen Abschluss der Aus- oder Weiterbildung nicht bis zum 31. Juli 2017 nachweist. § 6 Satz 2 gilt entsprechend.
§ 13 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2017 in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
STUTTGART, den 15. November 2016
Die Regierung des Landes Baden-Württemberg: |
|
KRETSCHMANN |
|
STROBL |
SITZMANN |
DR. EISENMANN |
BAUER |
DR. HOFFMEISTER-KRAUT |
LUCHA |
HAUK |
HERMANN |
|
ERLER |
Feedback