JVollzGB IV
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg (Justizvollzugsgesetzbuch - JVollzGB) Buch 4 Jugendstrafvollzug (JVollzGB IV) Vom 10. November 2009 *

Abschnitt 1 Grundsätze

§ 1 Erziehungsziel

Im Vollzug der Jugendstrafe sollen die jungen Gefangenen dazu erzogen werden, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

§ 2 Behandlungs- und Erziehungsgrundsätze

(1) Die jungen Gefangenen sind unter Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte zu behandeln. Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.
(2) Die jungen Gefangenen sind in der Ehrfurcht vor Gott, im Geiste der christlichen Nächstenliebe, zur Brüderlichkeit aller Menschen und zur Friedensliebe, in der Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher und politischer Verantwortlichkeit, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Gesinnung zu erziehen.
(3) Das Leben im Jugendstrafvollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen junger Menschen in Freiheit soweit wie möglich angeglichen werden.
(4) Schädlichen Folgen des Jugendstrafvollzugs ist entgegenzuwirken. Die jungen Gefangenen sind vor Übergriffen zu schützen.
(5) Zur Erreichung des Erziehungsziels sollen die Einsicht in die dem Opfer zugefügten Tatfolgen geweckt und geeignete Maßnahmen zum Ausgleich angestrebt werden.
(6) Den jungen Gefangenen soll ermöglicht werden, von und mit Gleichaltrigen zu lernen und Verantwortung für Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse zu übernehmen, die sich nach ihrer Eigenart und nach der Aufgabe der Jugendstrafanstalt für ihre Mitwirkung eignen.
(7) Bereitschaft, Mitwirkung und Fortschritte der jungen Gefangenen sollen im Leistungsbereich, bei der Freizeitgestaltung, in den Kontaktmöglichkeiten, durch Öffnung des Vollzugs und andere geeignete Maßnahmen anerkannt und belohnt werden, soweit die gesetzlichen und tatsächlichen Voraussetzungen dies zulassen.
(8) Bei der Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen werden der Entwicklungsstand von Jugendlichen, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen sowie deren Lebensverhältnisse und unterschiedliche Bedürfnisse, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Reifegrad, Herkunft, Glauben, Behinderung und sexuelle Identität, berücksichtigt.
(9) Die Personensorgeberechtigten von Jugendlichen und die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind so weit wie möglich in die Planung und Gestaltung der Erziehung im Vollzug einzubeziehen.

§ 3 Mitwirkung und Stellung der jungen Gefangenen

(1) Die jungen Gefangenen sind berechtigt und verpflichtet, an den Maßnahmen zur Erfüllung des Erziehungsauftrags mitzuwirken.
(2) Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den jungen Gefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer Störung der Ordnung der Jugendstrafanstalt unerlässlich sind.

Abschnitt 2 Aufnahme, Vollzugsplanung und Verlegung

§ 4 Aufnahme und Diagnoseverfahren

(1) Bei der Aufnahme werden die jungen Gefangenen über ihre Rechte und Pflichten in einer für sie verständlichen Form unterrichtet. Nach der Aufnahme werden sie alsbald ärztlich untersucht und der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter oder den von diesen beauftragten Bediensteten vorgestellt. Beim Aufnahmeverfahren dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein.
(2) Nach der Aufnahme erhebt die Zugangskommission die Umstände, deren Kenntnis für die Erfüllung des Erziehungsauftrags und die Eingliederung nach der Entlassung erforderlich sind. Die Zugangskommission entscheidet über die Zuweisung und Verlegung zum weiteren Vollzug.
(3) Erkenntnisse der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe sind einzubeziehen.

§ 5 Erziehungsplan

(1) Auf Grund des Diagnoseverfahrens wird ein Erziehungsplan erstellt.
(2) Der Erziehungsplan enthält mindestens Angaben über
1.
die Unterbringung (freie Form, offener oder geschlossener Vollzug),
2.
die Zuweisung zu einer Wohngruppe und einer Bezugsperson nach § 38 Abs. 2,
3.
Sozialtherapie, Behandlungsgruppen und soziales Training,
4.
Arbeitseinsatz, schulische und berufliche Aus- oder Weiterbildung, Arbeitstherapie,
5.
Maßnahmen zur Aufarbeitung der Tat und zum Täter-Opfer-Ausgleich,
6.
vollzugsöffnende Maßnahmen sowie 7.
Entlassungsvorbereitung und Nachsorge.
(3) Die Erziehungsplanung wird mit der oder dem jungen Gefangenen erörtert. Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Erziehungsplankonferenz abzugeben.
(4) Der Erziehungsplan wird mit der Billigung durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter wirksam. Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass der Erziehungsplan in bestimmten Fällen erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.
(5) Der Erziehungsplan ist in regelmäßigen Abständen auf seine Umsetzung hin zu überprüfen und mit der Entwicklung der oder des jungen Gefangenen sowie weiteren für den Erziehungsbedarf bedeutsamen Erkenntnissen in Einklang zu halten. Die Fortschreibung des Erziehungsplans wird mit den jungen Gefangenen erörtert.
(6) Die Personensorgeberechtigten erhalten Gelegenheit, Anregungen und Vorschläge einzubringen. Diese sollen, soweit mit der Aufgabe des Jugendstrafvollzuges und mit dem Erziehungsauftrag vereinbar, berücksichtigt werden.
(7) Der Erziehungsplan und seine Fortschreibung werden den Personensorgeberechtigten und dem Vollstreckungsleiter bekannt gegeben. Mit den Personensorgeberechtigten werden sie auf deren Wunsch erörtert.

§ 6 Verlegung, Überstellung und Ausantwortung

(1) Junge Gefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Justizvollzugsanstalt überstellt oder verlegt werden,
1.
wenn ihre Erziehung, Behandlung oder ihre Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird,
2.
aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt, insbesondere, wenn in erhöhtem Maß Fluchtgefahr besteht,
3.
zur besseren Behandlung einer Erkrankung oder zur besseren Versorgung bei Pflege- oder Hilfebedarf, insbesondere in einem Justizvollzugskrankenhaus oder in einer Krankenabteilung einer sonstigen Justizvollzugsanstalt,
4.
zur Durchführung einer kriminalprognostischen Begutachtung,
5.
aus Gründen der Vollzugsorganisation oder 6.
wenn dies aus sonstigen wichtigen Gründen erforderlich ist.
§ 8 Absatz 1 und 3 bleibt unberührt.
(2) In begründeten Fällen ist das befristete Überlassen junger Gefangener in den Gewahrsam einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde zulässig.

§ 7 Formen des Jugendstrafvollzugs

(1) Bei Eignung können junge Gefangene in einer Einrichtung des Jugendstrafvollzugs in freier Form untergebracht werden. Hierzu gestattet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter der oder dem jungen Gefangenen, die Jugendstrafe in einer dazu zugelassenen Einrichtung der Jugendhilfe zu verbüßen. Die Eignung ist stets zu prüfen.
(2) Junge Gefangene sollen in einer Jugendstrafanstalt oder einem Teil einer Jugendstrafanstalt ohne oder mit verminderten Vorkehrungen gegen Entweichung untergebracht werden, wenn sie ihre Mitwirkungspflicht erfüllen und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden.
(3) Für den Jugendstrafvollzug in freier Form oder den offenen Vollzug nicht geeignete junge Gefangene werden in einer geschlossenen Jugendstrafanstalt oder einer Abteilung mit Vorkehrungen gegen Entweichung untergebracht.
(4) Erweisen sich junge Gefangene für die Unterbringung in freier Form oder im offenen Vollzug während des Aufenthaltes dort als nicht geeignet, werden sie in den geschlossenen Jugendstrafvollzug verlegt.
(5) Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass in bestimmten Fällen die Entscheidung über die Unterbringung junger Gefangener im offenen Vollzug oder im Jugendstrafvollzug in freier Form erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.

§ 8 Sozialtherapie

(1) Junge Gefangene können in einer sozialtherapeutischen Abteilung untergebracht oder in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt werden, soweit deren besondere therapeutische Mittel und soziale Hilfen zum Erreichen des Erziehungsziels angezeigt sind. In Betracht kommen insbesondere junge Gefangene, bei denen erhebliche Entwicklungs-, Persönlichkeits- oder Verhaltensstörungen vorliegen, die in der Tat hervorgetreten sind.
(2) Ist eine Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Abteilung aus Gründen, die nicht in der Person der oder des Gefangenen liegen, nicht möglich, sind anderweitige therapeutische Behandlungsmaßnahmen zu treffen.
(3) Wenn der Zweck der Sozialtherapie aus Gründen, die in der Person der oder des Gefangenen liegen, nicht erreicht werden kann, werden die jungen Gefangenen wieder im Regelvollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt.
(4) § 6 Absatz 1 Satz 1 bleibt unberührt.

§ 9 Vollzugsöffnende Maßnahmen

(1) Vollzugsöffnende Maßnahmen können gewährt werden, wenn die jungen Gefangenen für die jeweilige Maßnahme geeignet sind, insbesondere ihre Persönlichkeit ausreichend gefestigt und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung von Straftaten oder auf andere Weise missbrauchen.
(2) Als vollzugsöffnende Maßnahme kann insbesondere angeordnet werden, dass junge Gefangene
1.
einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Jugendstrafanstalt unter Aufsicht Vollzugsbediensteter (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) nachgehen dürfen,
2.
die Jugendstrafanstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht Vollzugsbediensteter (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang), gegebenenfalls in Begleitung einer Bezugsperson (Ausgang in Begleitung), verlassen dürfen oder
3.
bis zu 24 Kalendertage in einem Vollstreckungsjahr aus der Haft freigestellt werden (Freistellung aus der Haft).
(3) Durch vollzugsöffnende Maßnahmen wird die Vollstreckung der Jugendstrafe nicht unterbrochen.
(4) Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass in bestimmten Fällen die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen mit Ausnahme der Ausführung erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.

§ 10 Verlassen der Jugendstrafanstalt aus wichtigem Anlass

(1) Aus wichtigem Anlass kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter jungen Gefangenen Ausgang gewähren oder sie bis zu sieben Tage aus der Haft freistellen; Freistellung aus anderem wichtigen Anlass als wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes einer oder eines Angehörigen darf sieben Tage im Vollstreckungsjahr nicht übersteigen.
(2) Freistellung aus der Haft, Ausgang und Ausführung aus wichtigem Anlass dürfen nur gewährt werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass sich die jungen Gefangenen dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zu Straftaten missbrauchen.
(3) Eine Freistellung nach Absatz 1 wird nicht auf die Freistellung nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 angerechnet.
(4) Kann Ausgang oder Freistellung wegen Flucht- oder Missbrauchsgefahr nicht gewährt werden, kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter junge Gefangene ausführen lassen. Die Aufwendungen hierfür haben die oder der junge Gefangene zu tragen. Der Anspruch ist nicht geltend zu machen, wenn dies die Erziehung oder die Eingliederung behindern würde.
(5) Entsprechendes gilt für die Teilnahme junger Gefangener an gerichtlichen Terminen. Auf Ersuchen eines Gerichts lässt die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter junge Gefangene vorführen, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. Die Jugendstrafanstalt unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.
(6) Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass in bestimmten Fällen die Gewährung von Maßnahmen nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 5 Satz 1, erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.

§ 11 Weisungen und Aufhebung vollzugsöffnender Maßnahmen

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann jungen Gefangenen für vollzugsöffnende Maßnahmen, das Verlassen der Jugendstrafanstalt aus wichtigem Anlass oder zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen Weisungen, insbesondere hinsichtlich ihres Aufenthaltsorts sowie der Freistellungsgestaltung, erteilen.
(2) Werden Maßnahmen nach §§ 9 und 10 in schwerwiegender Weise missbraucht, sind diese nach § 85a Absatz 3 Nummer 2 zu widerrufen.

Abschnitt 3 Unterbringung und Grundversorgung

§ 12 Unterbringung

(1) Die jungen Gefangenen werden regelmäßig in Wohngruppen untergebracht, die entsprechend dem individuellen Entwicklungsstand und Erziehungsbedarf zu bilden sind.
(2) Junge Gefangene, die auf Grund ihres Verhaltens nicht gruppenfähig sind, eine Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt oder für die jungen Mitgefangenen darstellen oder die Freiräume der Wohngruppe wiederholt missbraucht haben, können aus der Wohngruppe ausgeschlossen werden. Eine Wiederaufnahme erfolgt, wenn die Gruppenfähigkeit wiederhergestellt ist.
(3) In der Wohngruppe sollen insbesondere Werte, die ein sozialverträgliches Zusammenleben ermöglichen, gewaltfreie Konfliktlösungen, gegenseitige Toleranz und Verantwortung für den eigenen Lebensbereich vermittelt und eingeübt werden.
(4) Während der Ruhezeit werden junge Gefangene allein in ihren Hafträumen untergebracht.
(5) Mit ihrer Zustimmung können junge Gefangene auch während der Ruhezeit gemeinsam untergebracht werden, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist. Auch ohne ihre Zustimmung ist eine gemeinsame Unterbringung ausnahmsweise zulässig, wenn
1.
junge Gefangene hilfsbedürftig sind oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit junger Gefangener besteht und die anderen von einer gemeinsamen Unterbringung betroffenen Gefangenen dieser zustimmen oder
2.
dies aus zwingenden Gründen zur Bewältigung besonderer vollzugsorganisatorischer Situationen vorübergehend, längstens bis zu sechs Monate, erforderlich ist.

§ 13 Ausstattung des Haftraums

Junge Gefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Hierdurch dürfen die Übersichtlichkeit des Haftraums, die Sicherheit und Ordnung der Jugendstrafanstalt sowie die Erreichung des Erziehungsauftrags nicht beeinträchtigt werden. § 54 Absatz 3 gilt entsprechend.

§ 14 Kleidung

(1) Jungen Gefangenen ist gestattet, angemessene eigene Kleidung zu tragen.
(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt für bestimmte Bereiche der Anstalt, einzelne Gruppen von jungen Gefangenen oder im Einzelfall das Tragen von Anstaltskleidung anordnen.

§ 15 Verpflegung

(1) Die Verpflegung wird in Übereinstimmung mit den jeweils gültigen Werten für eine ausreichende und ausgewogene Ernährung in Gemeinschaftsverpflegung angeboten.
(2) Den jungen Gefangenen soll ermöglicht werden, religiöse Speisevorschriften zu befolgen.

§ 16 Einkauf

(1) Junge Gefangene können von ihrem Haus- oder Taschengeld aus einem von der Jugendstrafanstalt vermittelten Angebot Waren kaufen. Das Warenangebot ist auf die Bedürfnisse der jungen Gefangenen abzustimmen. Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt gefährden, sind vom Verkauf ausgeschlossen. Der Jugendschutz ist zu beachten. Der Einkauf kann in Form eines Listeneinkaufs durchgeführt werden.
(2) In begründeten Ausnahmefällen, insbesondere wenn ein zugelassener Artikel sonst nicht beschafft werden kann, kann die Jugendstrafanstalt einen Einkauf über andere sichere Bezugsquellen gestatten.
(3) Verfügen junge Gefangene weder über Sondergeld nach § 49 Abs. 1 noch ohne eigenes Verschulden über Haus- oder Taschengeld, wird ihnen gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

Abschnitt 4 Verkehr mit der Außenwelt

§ 17 Pflege sozialer Beziehungen

(1) Junge Gefangene haben das Recht, mit Personen außerhalb der Jugendstrafanstalt im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu verkehren. Der Kontakt zu Angehörigen und Personen, von denen ein günstiger Einfluss auf die jungen Gefangenen erwartet werden kann, wird gefördert.
(2) Junge Gefangene dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens vier Stunden im Monat.
(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Erziehung oder Eingliederung junger Gefangener fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den jungen Gefangenen weder schriftlich erledigt, noch durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.
(4) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lässt. Aus den gleichen Gründen kann die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden.
(5) Für Kinder junger Gefangener werden Langzeitbesuche vorgesehen, die auf die Regelbesuchszeiten nicht angerechnet werden. Der Langzeitbesuch muss nach Auffassung des Jugendamts dem Kindeswohl entsprechen.

§ 18 Verbot von Besuchen

Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen,
1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt gefährdet würde,
2.
bei Besuchern, die nicht Angehörige der oder des jungen Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass sie das Erreichen des Erziehungsauftrags oder die Eingliederung behindern würden.

§ 19 Überwachung von Besuchen

(1) Besuche dürfen aus erzieherischen Gründen oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf. Die Unterhaltung darf überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Gründen erforderlich ist.
(2) Die optische Überwachung eines Besuches kann auch durch technische Hilfsmittel erfolgen. Auf eine Überwachung nach Satz 1 sind die jungen Gefangenen und ihre Besucher vorher hinzuweisen. Zur Verhinderung der Übergabe von Gegenständen können besondere Vorkehrungen, insbesondere durch Tischaufsätze oder Trennscheiben getroffen werden, wenn bei der oder dem jungen Gefangenen verbotene Gegenstände gefunden wurden oder konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es zu einer verbotenen Übergabe von Gegenständen kommt.
(3) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis der Jugendstrafanstalt übergeben werden. Jungen Gefangenen dürfen Nahrungs- und Genussmittel in geringer Menge übergeben werden. Die Jugendstrafanstalt kann anordnen, dass die Nahrungs- und Genussmittel durch ihre Vermittlung beschafft werden.
(4) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn junge Gefangene oder ihre Besucherinnen oder Besucher gegen die Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Ermahnung verstoßen. Dies gilt auch, wenn Verhaltensweisen von Besuchern geeignet sind, einen schädlichen Einfluss auf die jungen Gefangenen auszuüben. Einer Ermahnung bedarf es nicht, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

§ 20 Besuche bestimmter Personen

(1) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer die junge Gefangene oder den jungen Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Die Jugendstrafanstalt kann die Modalitäten der Besuche entsprechend ihren organisatorischen Möglichkeiten regeln. Der Besuch kann davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher vorher aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lassen. Eine Kenntnisnahme vom gedanklichen Inhalt der von Verteidigern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist unzulässig.
(2) Besuche von Verteidigern werden nicht überwacht. Zur Übergabe von Schriftstücken und sonstigen Unterlagen bedürfen Verteidiger, Rechtsanwälte und Notare keiner Erlaubnis, sofern diese unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung oder der Erledigung einer die junge Gefangene oder den jungen Gefangenen betreffenden Rechtssache dienen. Beim Besuch von Rechtsanwälten und Notaren kann die Übergabe aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt von der Erlaubnis abhängig gemacht werden.
(3) § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4 bleibt unberührt.

§ 21 Recht auf Schriftwechsel

(1) Junge Gefangene haben das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,
1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt gefährdet würde,
2.
bei Personen, die nicht Angehörige der oder des jungen Gefangenen sind, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel das Erreichen des Erziehungsauftrags oder die Eingliederung behindern würde.
(3) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die jungen Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Jugendstrafanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 22 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel der jungen Gefangenen darf überwacht werden, soweit dies zur Erfüllung des Erziehungsauftrags oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt erforderlich ist.
(2) Der Schriftwechsel der jungen Gefangenen mit ihren Verteidigern wird nicht überwacht. Die Schreiben dürfen, ohne sie zu öffnen, auf verbotene Gegenstände untersucht werden. Liegt dem Vollzug der Jugendstrafe eine Straftat nach § 129 a
StGB, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1 StGB, zu Grunde, gelten § 148
Abs. 2 und § 148 a StPO entsprechend; dies gilt nicht, wenn junge Gefangene sich in einer Einrichtung des offenen Vollzugs oder Jugendstrafvollzugs in freier Form befinden, wenn ihnen vollzugsöffnende Maßnahmen oder Freistellung aus der Haft nach § 83 Abs. 2 gewährt worden sind und ein Grund, der die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter zum Widerruf oder zur Zurücknahme von vollzugsöffnenden Maßnahmen ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 3 gilt auch, wenn gegen junge Gefangene im Anschluss an die dem Vollzug der Jugendstrafe zu Grunde liegende Verurteilung eine Jugend- oder Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129 a
StGB, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1 StGB, zu vollstrecken ist.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend für Schreiben von jungen Gefangenen an
1.
die Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder,
2.
das Europäische Parlament und dessen Mitglieder,
3.
den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
4.
den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
5.
die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie die Aufsichtsbehörden nach § 40
Bundesdatenschutzgesetz, 6.
den Europäischen Datenschutzbeauftragten, 7.
den Bürgerbeauftragten des Landes, 8.
den Europäischen Bürgerbeauftragten, 9.
den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen sowie
10.
den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die entsprechenden nationalen Präventionsmechanismen,
wenn die Schreiben an die Anschriften dieser Stellen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Schreiben der in Satz 1 genannten Stellen, die an junge Gefangene gerichtet sind, dürfen nicht überwacht werden, wenn die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.

§ 23 Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Junge Gefangene haben Absendung und Empfang ihrer Schreiben durch die Jugendstrafanstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.
(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.
(3) Die jungen Gefangenen haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Die Schreiben können auch verschlossen zur Habe gegeben werden.

§ 24 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn 1.
der Erziehungsauftrag oder die Sicherheit oder Ordnung einer Justizvollzugsanstalt gefährdet würde,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
4.
sie grobe Beleidigungen enthalten, 5.
sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
6.
sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund nicht auf deutsch abgefasst sind; ein zwingender Grund zur Abfassung eines Schreibens in fremder Sprache liegt in der Regel nicht vor bei einem Schriftwechsel zwischen deutschen Gefangenen und Dritten, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder ihren Lebensmittelpunkt im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben.
(2) Eingehende Schreiben können angehalten und durch Fotokopien ersetzt werden, wenn der Verdacht besteht, dass von ihrer Beschaffenheit eine Gesundheitsgefahr ausgeht.
(3) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die oder der junge Gefangene auf der Absendung besteht.
(4) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird dies der oder dem jungen Gefangenen mitgeteilt. Hiervon kann vorübergehend abgesehen werden, wenn dies die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt erfordert. Angehaltene Schreiben werden an die Absenderin oder den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.
(5) Schreiben, deren Überwachung ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 25 Telefongespräche

(1) Jungen Gefangenen kann gestattet werden, zu telefonieren.
(2) Im Übrigen gelten für Telefonate die für den Besuch geltenden Vorschriften mit Ausnahme von § 17 Abs. 2 entsprechend. Die Überwachung der Unterhaltung ist den Gesprächspartnern der jungen Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung von der Justizvollzugsanstalt oder den jungen Gefangenen mitzuteilen. Die jungen Gefangenen sind rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht zu unterrichten.
(3) Die Kosten der Telefongespräche tragen die jungen Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Jugendstrafanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 25a Andere Formen der Telekommunikation

Die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes in der Anstalt bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Nach Zulassung kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter den jungen Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Eine Gestattung ist ausgeschlossen, wenn hierdurch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wäre. Im Übrigen finden die Bestimmungen dieses Abschnitts entsprechende Anwendung, soweit die andere Form der Telekommunikation dem Wesen der dort geregelten Kommunikationsform entspricht.

§ 26 Pakete

(1) Der Empfang von Paketen bedarf der vorherigen Erlaubnis der Jugendstrafanstalt. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 16 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln sind ausgeschlossen.
(2) Pakete sind in Gegenwart der oder des jungen Gefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe der oder des jungen Gefangenen genommen oder an die Absenderin oder den Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können oder die verderblich sind, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden der oder dem jungen Gefangenen eröffnet.
(3) Jungen Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt überprüft werden.
(4) Die Kosten des Paketverkehrs tragen die jungen Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Jugendstrafanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

Abschnitt 5 Religionsausübung

§ 27 Seelsorge

(1) Jungen Gefangenen darf religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Ihnen ist auf Wunsch zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist unverletzlich.
(2) Junge Gefangene dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Diese dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.
(3) Jungen Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 28 Religiöse Veranstaltungen

(1) Junge Gefangene haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Junge Gefangene werden zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.
(3) Junge Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 29 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 27 und 28 entsprechend.

Abschnitt 6 Gesundheitsfürsorge

§ 30 Gesunde Lebensführung, Aufenthalt im Freien

(1) Die Bedeutung einer gesunden Lebensführung ist den jungen Gefangenen in geeigneter Form zu vermitteln. Sie sind insbesondere über die schädlichen Wirkungen des Suchtmittelkonsums aufzuklären.
(2) Die Jugendstrafanstalt kann Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene treffen.
(3) Den jungen Gefangenen wird an Werktagen ein Aufenthalt im Freien von mindestens einer Stunde, an arbeitsfreien Tagen von mindestens zwei Stunden ermöglicht, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht.

§ 31 Anspruch auf medizinische Leistungen

(1) Junge Gefangene haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit. Der Anspruch umfasst auch Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und Vorsorgeleistungen. Die Beurteilung der Notwendigkeit orientiert sich an der Versorgung der gesetzlich Versicherten. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen werden erbracht, soweit die Belange des Vollzugs dem nicht entgegenstehen.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33
des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch, sofern dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzugs unangemessen ist.
(3) An den Kosten für medizinische Leistungen können junge Gefangene in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung gesetzlich Versicherter.

§ 32 Krankenhausbehandlung außerhalb vollzuglicher Einrichtungen

Soweit eine Verlegung oder Überstellung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 nicht ausreicht, können junge Gefangene für die notwendige Dauer einer Behandlung oder Versorgung in ein Krankenhaus außerhalb des Justizvollzugs gebracht werden. Ambulante Behandlungen und Untersuchungen in einem Krankenhaus außerhalb des Justizvollzugs, die zur Prüfung der besseren Behandlung einer Erkrankung oder zur besseren Versorgung bei Pflege- oder Hilfebedarf in einem Justizvollzugskrankenhaus erforderlich sind, bleiben unberührt. Eine möglichst rasche Rückverlegung in ein Justizvollzugskrankenhaus oder eine sonstige Justizvollzugsanstalt ist anzustreben.

§ 33 Anspruch auf Krankenbehandlung in besonderen Fällen

(1) Während einer Freistellung oder eines Ausgangs haben junge Gefangene einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der für sie zuständigen Jugendstrafanstalt.
(2) Der Anspruch auf Leistungen nach § 31 ruht, solange junge Gefangene auf Grund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.

§ 34 Medizinische Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der jungen Gefangenen soll die Jugendstrafanstalt medizinische Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die die soziale Eingliederung junger Gefangener fördern. Die Kosten tragen die jungen Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Jugendstrafanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 35 Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft

(1) Auf den gesundheitlichen Zustand einer schwangeren jungen Gefangenen oder einer jungen Gefangenen, die unlängst entbunden hat, ist Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes gelten entsprechend.
(2) Die junge Gefangene hat während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge sowie auf Hebammenhilfe. Die ärztliche Betreuung umfasst die Beratung der Schwangeren zur Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind einschließlich des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Krankheitsrisiko sowie die Einschätzung oder Bestimmung des Übertragungsrisikos von Karies.
(3) Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verbands- und Heilmittel geleistet.

§ 36 Entbindung und Geburtsanzeige

(1) Eine schwangere junge Gefangene ist zur Entbindung in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen. Ist dies aus besonderen Gründen nicht angezeigt, so ist die Entbindung in einer Justizvollzugsanstalt mit Entbindungsabteilung vorzunehmen. Bei der Entbindung wird Hilfe durch eine Hebamme und falls erforderlich durch eine Ärztin oder einen Arzt gewährt.
(2) In der Anzeige der Geburt an das Standesamt dürfen die Justizvollzugsanstalt als Geburtsstätte des Kindes, das Verhältnis der anzeigenden Person zur Jugendstrafanstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein.

§ 37 Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall

(1) Erkranken junge Gefangene schwer, so sind die Eltern, die Personensorgeberechtigten, eine Angehörige oder ein Angehöriger oder eine Vertrauensperson unverzüglich zu benachrichtigen. Hiervon kann auf Wunsch der oder des jungen Gefangenen abgesehen werden. Im Fall des Todes von jungen Gefangenen ist eine der in Satz 1 genannten Personen unverzüglich zu benachrichtigen.
(2) Dem Wunsch von jungen Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

Abschnitt 7 Soziale Hilfe

§ 38 Grundsatz und Bezugsperson

(1) Junge Gefangene sollen in die Lage versetzt und angehalten werden, ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu regeln.
(2) Die oder der junge Gefangene soll eine für sie oder ihn zuständige Bezugsperson aus dem Kreis der Bediensteten, der ehrenamtlichen Mitarbeiter, der Personensorgeberechtigten oder der dafür geeigneten übrigen jungen Gefangenen erhalten. Die Bezugsperson bemüht sich darum, dass etwaige persönliche Defizite und Ressourcen erkannt werden und die oder der junge Gefangene unterstützt wird.

§ 39 Hilfe während des Vollzugs

(1) Bei der Aufnahme wird den jungen Gefangenen geholfen, die notwendigen Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen und ihre Habe außerhalb der Jugendstrafanstalt sicherzustellen.
(2) Jungen Gefangenen ist eine Beratung in für sie bedeutsamen rechtlichen und sozialen Fragestellungen zu ermöglichen. Ihnen ist zu helfen, für Unterhaltsberechtigte zu sorgen, Schulden zu regulieren und den durch die Straftat verursachten Schaden zu regeln. Die Beratung soll hierbei auch die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Jugendstrafanstalt umfassen.
(3) Auf Grund des Diagnoseverfahrens oder auf Wunsch können suchtgefährdete oder süchtige junge Gefangene Suchtberatung und Vermittlung in Therapieeinrichtungen des Justizvollzugs oder anderer Träger erhalten.

Abschnitt 8 Erziehung im Leistungsbereich und Vergütung

§ 40 Grundsatz

(1) Junge Gefangene haben ein Recht auf schulische und berufliche Bildung, sinnstiftende Arbeit und Training sozialer Kompetenzen.
(2) Junge Gefangene sind verpflichtet, im Erziehungsplan vorgesehene schulische oder berufliche Bildungsmaßnahmen, eine zugewiesene Arbeit, arbeitstherapeutische oder sonstige Beschäftigung auszuüben, soweit sie hierzu körperlich in der Lage sind.
(3) Die Jugendstrafanstalt soll jungen Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei ihre Fähigkeiten und Neigungen nach Möglichkeit berücksichtigen. Zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe kann nach der Verordnung des Justizministeriums über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 30. Juni 2009 (GBl. S. 338), die durch Verordnung vom 30. März 2021 (GBl. S. 383) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung auch im Vollzug gemeinnützige Arbeit geleistet werden.
(4) Junge Gefangene, die zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht in der Lage sind oder im Leistungsbereich besonderer Erziehung bedürfen, sollen arbeitstherapeutisch beschäftigt werden oder ihre sozialen Kompetenzen trainieren.

§ 41 Unterricht und Weiterbildung

(1) Junge Gefangene erhalten Hauptschul-, Förderschul- und Berufsschulunterricht in Anlehnung an die für öffentliche Schulen geltenden Vorschriften. An dem Unterricht können auch nicht schulpflichtige junge Gefangene teilnehmen.
(2) Daneben soll nach Möglichkeit Unterricht zur Erlangung anderer staatlich anerkannter Schulabschlüsse sowie lebenskundlicher Unterricht, Religionsunterricht oder Ethik und berufsbildender Unterricht auf Einzelgebieten erteilt werden.
(3) Geeigneten jungen Gefangenen soll Gelegenheit zur Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

§ 42 Freies Beschäftigungsverhältnis

(1) Jungen Gefangenen kann gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Jugendstrafanstalt nachzugehen. Es soll vor allem der sozial erfolgreichen Eingliederung junger Gefangener dienen.
(2) Das freie Beschäftigungsverhältnis darf nur angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass sich junge Gefangene dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder das freie Beschäftigungsverhältnis zu Straftaten missbrauchen.
(3) Jungen Gefangenen können für das freie Beschäftigungsverhältnis Weisungen erteilt werden.
(4) Das freie Beschäftigungsverhältnis ist zu widerrufen, wenn junge Gefangene es missbrauchen oder Weisungen nicht nachkommen.
(5) Das freie Beschäftigungsverhältnis kann vor Antritt widerrufen werden, wenn Umstände bekannt werden, die gegen die Durchführung sprechen.
(6) Das Entgelt ist der Jugendstrafanstalt zur Gutschrift für die jungen Gefangenen zu überweisen.

§ 43 Soziales Training und Sprachkompetenz

(1) Soziales Training kann förmliche Bildungsmaßnahmen, Arbeit oder Beschäftigung ergänzen, wenn dies für die Erreichung des Erziehungsauftrags erforderlich ist.
(2) Aus Gründen der Integration und zur Förderung der Sprachkompetenz sollen jungen Gefangenen, soweit erforderlich, Deutschkurse angeboten werden.

§ 44 Arbeitsentgelt, Freistellung von der Arbeit und Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt

(1) Die Arbeit wird anerkannt durch Arbeitsentgelt und Freistellung von der Arbeit, die auch als Freistellung aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann.
(2) Üben junge Gefangene eine zugewiesene Arbeit, sonstige Beschäftigungen oder eine Hilfstätigkeit aus, so erhalten sie ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18
des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen. Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der jungen Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 Prozent der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistung junger Gefangener den Mindestanforderungen nicht genügt.
(4) Üben junge Gefangene zugewiesene arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, erhalten sie ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art ihrer Beschäftigung und Arbeitsleistung entspricht.
(5) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist den jungen Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.
(6) Haben junge Gefangene zwei Monate lang zusammenhängend eine zugewiesene Tätigkeit oder eine Hilfstätigkeit ausgeübt, so werden sie auf ihren Antrag hin einen Werktag von der Arbeit freigestellt. Die Regelung des § 50 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen junge Gefangene ohne Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Freistellung aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonstige nicht von ihnen zu vertretende Gründe an der Arbeitsleistung gehindert sind, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.
(7) Junge Gefangene können beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 in Form von Freistellung aus der Haft gewährt wird. Die Arbeitsfreistellung darf nur angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass sich junge Gefangene dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Arbeitsfreistellung zu Straftaten missbrauchen.
(8) § 50 Abs. 3 gilt entsprechend.
(9) Stellt die oder der junge Gefangene keinen Antrag nach Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 oder kann die Freistellung nach Maßgabe der Regelung des Absatzes 7 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 von der Jugendstrafanstalt auf den Entlassungszeitpunkt der oder des jungen Gefangenen angerechnet.
(10) Eine Anrechnung nach Absatz 9 ist ausgeschlossen
1.
bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Rests einer Jugendstrafe zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
2.
wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Rests einer Jugendstrafe zur Bewährung die Lebensverhältnisse des jungen Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
3.
wenn nach § 456 a Abs. 1 StPO von der Vollstreckung abgesehen wird,
4.
bei Entlassung junger Gefangener aus der Haft im Gnadenweg, soweit wegen des von der Gnadenentscheidung bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist.
(11) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 10 ausgeschlossen ist, erhalten junge Gefangene bei der Entlassung für ihre Tätigkeit nach Absatz 2 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 Prozent des nach den Absätzen 2 und 3 gewährten Entgelts oder der Ausbildungsbeihilfe. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich.

§ 45 Ausbildungsbeihilfe

(1) Nehmen junge Gefangene an einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung, am Unterricht, am sozialen Training, an Deutschkursen oder an anderen vergleichbaren Maßnahmen teil und sind sie zu diesem Zweck von der Arbeitspflicht freigestellt, so erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihnen keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2
Abs. 2 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch wird nicht berührt.
(2) Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt § 44 Abs. 2 und 3 entsprechend.
(3) Werden die Maßnahmen nach Absatz 1 stunden- oder tageweise durchgeführt, erhalten die jungen Gefangenen eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe des ihnen dadurch entgehenden Arbeitsentgelts.

Abschnitt 9 Gelder, Haftkosten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge

§ 46 Haftkostenbeitrag

(1) Von in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehenden jungen Gefangenen wird ein Haftkostenbeitrag erhoben.
(2) Der oder dem jungen Gefangenen muss ein Betrag verbleiben, der dem mittleren Arbeitsentgelt in den Jugendstrafanstalten des Landes entspricht. Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um die Wiedereingliederung der oder des jungen Gefangenen in die Gemeinschaft nicht zu gefährden.
(3) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrages erhoben, der nach § 17
Abs. 1 Nr. 4 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch durchschnittlich zum 1. Oktober des vorhergehenden Jahres zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend. Der Haftkostenbeitrag darf auch von dem unpfändbaren Teil der Bezüge, nicht aber zu Lasten des Hausgelds und der Ansprüche unterhaltsberechtigter Angehöriger angesetzt werden.

§ 47 Überbrückungsgeld

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen aus einem freien Beschäftigungsverhältnis ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt der jungen Gefangenen und ihrer Unterhaltsberechtigten in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll.
(2) Das Überbrückungsgeld wird den jungen Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausgezahlt oder auf ihr Bankkonto überwiesen. Die Jugendstrafanstalt kann es ganz oder zum Teil den Personensorgeberechtigten, der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Entlassenen ausgezahlt wird. Die Bewährungshilfe und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der jungen Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch an Unterhaltsberechtigte überwiesen werden.
(3) Das Überbrückungsgeld kann für Ausgaben in Anspruch genommen werden, die der Eingliederung der jungen Gefangenen dienen. Die Anstaltsleitung kann jungen Gefangenen die Inanspruchnahme von Überbrückungsgeld darüber hinaus zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe oder zur Entschädigung von Opfern der Straftaten der jungen Gefangenen gestatten, soweit der Zweck nach Absatz 1 dadurch nicht gefährdet wird.
(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgelds ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrags auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengelds unpfändbar. Bargeld entlassener junger Gefangener, an die wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.
(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850 d
Abs. 1 Satz 1 ZPO bezeichneten Unterhaltsansprüche. Den entlassenen jungen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als sie für ihren notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedürfen.

§ 48 Taschen-, Haus- und Eigengeld

(1) Jungen Gefangenen, die ohne Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhalten, wird ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. Nicht verbrauchtes Taschengeld ist bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen.
(2) Junge Gefangene dürfen monatlich drei Siebtel von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen und das Taschengeld nach Absatz 1 für den Einkauf oder anderweitig verwenden.
(3) Bezüge junger Gefangener, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Eigengeld gutzuschreiben.
(4) Für junge Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen, wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

§ 49 Sondergeld

(1) Für junge Gefangene kann monatlich ein Betrag in angemessener Höhe einbezahlt werden, der als Sondergeld gutzuschreiben ist und wie Hausgeld genutzt werden kann.
(2) Über Absatz 1 hinaus kann Sondergeld in angemessener Höhe für folgende Zwecke eingezahlt werden:
1.
Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und
2.
Maßnahmen zur Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich vollzugsöffnender Maßnahmen.
(3) Soweit das Guthaben des Sondergelds nach Absatz 1 die Summe von drei Monatseinzahlungen übersteigt, ist es dem Überbrückungsgeld zuzuführen. Ist bereits ein Überbrückungsgeld in angemessener Höhe gebildet, ist das Guthaben dem Eigengeld zuzuschreiben. Sondergeld im Sinne von Absatz 2 ist dem Eigengeld zuzuschreiben, wenn es zum bezeichneten Zweck nicht eingesetzt werden kann und eine Rückerstattung an die Einzahler nicht möglich ist.
(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Sondergelds nach Absatz 1 und 2 ist unpfändbar.

§ 50 Freistellung von der Arbeitspflicht

(1) Haben junge Gefangene ein Jahr lang eine zugewiesene Tätigkeit oder Hilfstätigkeiten ausgeübt, so können sie beanspruchen, 18 Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Zeiten, in denen junge Gefangene infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert waren, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet.
(2) Auf die Zeit der Freistellung von der Arbeit wird die Freistellung aus der Haft angerechnet, soweit sie in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes einer oder eines Angehörigen erteilt worden ist.
(3) Die jungen Gefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihre zuletzt gezahlten Bezüge weiter.
(4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Jugendstrafvollzugs bleiben unberührt.

§ 51 Rechtsverordnung

Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Durchführung der §§ 44 und 45 im Einvernehmen mit dem Finanzministerium die Vergütungsstufen und die Höhe der Vergütung in den einzelnen Vergütungsstufen einschließlich der Gewährung von Zulagen durch Rechtsverordnung zu regeln.

§ 52 Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit die Jugendstrafanstalt Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten hat, kann sie von dem Arbeitsentgelt einen Betrag einbehalten, der dem Anteil der oder des jungen Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielten.

Abschnitt 10 Freizeit

§ 53 Allgemeines

(1) Die jungen Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten.
(2) Sie sollen insbesondere an Unterricht, einschließlich Fernunterricht, Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung, Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen und ermutigt werden, den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen und zu praktizieren sowie eine Bücherei zu benutzen.
(3) Jugendgemäße Angebote zur sportlichen Betätigung, insbesondere während des Aufenthalts im Freien sind vorzuhalten, um den jungen Gefangenen eine sportliche Betätigung von mindestens zwei Stunden wöchentlich zu ermöglichen. Die jungen Gefangenen sind zur Teilnahme am Sport zu motivieren und sportpädagogisch anzuleiten.

§ 54 Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung

(1) Junge Gefangene dürfen in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Die Angemessenheit des Umfangs kann auch an der in der Jugendstrafanstalt verfügbaren Kapazität für Haftraumkontrollen und am Wert eines Gegenstands ausgerichtet werden.
(2) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung des Gegenstands
1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre, 2.
das Erreichen des Erziehungsziels oder die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt gefährdet würde oder
3.
die Überprüfung des Gegenstands auf eine mögliche missbräuchliche Verwendung mit vertretbarem Aufwand von der Jugendstrafanstalt nicht leistbar ist.
(3) Die Zulassung von bestimmten Gerätetypen, insbesondere der elektronischen Unterhaltungsmedien, durch die Jugendstrafanstalt kann der Zustimmung der Aufsichtsbehörde vorbehalten sein. Die Aufsichtsbehörde kann allgemeine Richtlinien für die Gerätebeschaffenheit erlassen. Eine ohne Zustimmung nach Satz 1 erfolgte Zulassung kann zurückgenommen werden.
(4) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

§ 55 Hörfunk und Fernsehen

(1) Der Besitz von Hörfunk- und Fernsehgeräten ist nach Maßgabe des § 54 zulässig.
(2) Die Jugendstrafanstalt kann den Betrieb von Empfangsanlagen und die Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten einem Dritten übertragen. Sofern sie hiervon Gebrauch macht, können junge Gefangene nicht den Besitz von eigenen Geräten verlangen.
(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter entscheidet über die Einspeisung der Programme in die Empfangsanlage der Jugendstrafanstalt. Vor der Entscheidung soll die Gefangenenmitverantwortung gehört werden.
(4) Der Empfang von Bezahlfernsehen und der Einsatz von zusätzlichen Empfangseinrichtungen im Haftraum sind nicht statthaft.

§ 56 Zeitungen und Zeitschriften

Junge Gefangene dürfen Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Jugendstrafanstalt beziehen. § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

Abschnitt 11 Sicherheit und Ordnung

§ 57 Grundsatz

(1) Das Verantwortungsbewusstsein der jungen Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben in der Jugendstrafanstalt ist zu wecken und zu fördern.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die jungen Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die jungen Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 58 Verhaltensvorschriften

(1) Die jungen Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Jugendstrafanstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.
(2) Die jungen Gefangenen haben die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch sie beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(3) Die jungen Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Jugendstrafanstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(4) Die jungen Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 59 Persönlicher Gewahrsam und Umgang mit Geld

(1) Die jungen Gefangenen dürfen nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der Justizvollzugsanstalt, in der sie untergebracht sind, oder mit deren Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung dürfen sie Sachen weder abgeben noch annehmen, außer solche von geringem Wert. Die Jugendstrafanstalt kann die Abgabe, Annahme und den Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen.
(2) Eingebrachte Sachen, die die jungen Gefangenen nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Eingebrachtes Geld wird als Eigengeld gutgeschrieben. Den jungen Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Sachen, die sie während des Vollzugs und für die Entlassung nicht benötigen, abzusenden oder über das Eigengeld zu verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist.
(3) Weigern sich junge Gefangene, eingebrachte Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, aus der Jugendstrafanstalt zu verbringen, so ist die Anstalt berechtigt, diese auf Kosten der oder des jungen Gefangenen aus der Jugendstrafanstalt entfernen zu lassen.
(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Justizvollzugsanstalt vermitteln, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.
(5) Die jungen Gefangenen haben grundsätzlich kein Bargeld zur Verfügung. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann für die Jugendstrafanstalt, für bestimmte Bereiche der Anstalt, einzelne Gruppen von jungen Gefangenen oder im Einzelfall anordnen, dass Geld bar ausbezahlt und selbständig verwaltet wird, wenn dadurch die Sicherheit oder Ordnung der Jugendstrafanstalt nicht beeinträchtigt wird.

§ 60 Durchsuchung und Kontrollen auf Suchtmittelmissbrauch

(1) Junge Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher junger Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher junger Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden; dies gilt nicht für das Absuchen der Gefangenen mit technischen Mitteln oder mit sonstigen Hilfsmitteln. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur auf Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters oder bei Gefahr im Verzug ist es im Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen jungen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen jungen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass junge Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Jugendstrafanstalt nach Absatz 2 durchsucht werden können.
(4) Junge Gefangene können Suchtmittelkontrollen unterzogen werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie Suchtmittel besitzen oder konsumieren. Eine Suchtmittelkontrolle kann auch allgemein angeordnet werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, zum Erreichen des Erziehungsziels oder zur Gesundheitsvorsorge geboten ist. Die ergriffenen Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein. Bei jungen Gefangenen, die die Mitwirkung an der Durchführung der Kontrolle verweigern, ist in der Regel davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

§ 61 (aufgehoben)

§ 62 Festnahmerecht

Junge Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Jugendstrafanstalt aufhalten, können durch die Jugendstrafanstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Jugendstrafanstalt oder die Einrichtung zurückgebracht werden, solange ein unmittelbarer Bezug zum Vollzug der Jugendstrafe besteht.

§ 63 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen junge Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß die Gefahr der Flucht, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig
1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung, auch mit technischen Hilfsmitteln,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen, 4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung und die Fixierung.
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.
(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 Fluchtgefahr besteht.
(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert.

§ 64 Einzelhaft

(1) Die unausgesetzte Absonderung junger Gefangener ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des jungen Gefangenen liegen, unerlässlich ist.
(2) Einzelhaft von mehr als einer Woche Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass die oder der junge Gefangene am Gottesdienst oder am gemeinschaftlichen Aufenthalt im Freien teilnimmt.

§ 65 Fesselung und Fixierung

(1) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen, an den Füßen oder an den Händen und den Füßen angelegt werden. Im Interesse der oder des jungen Gefangenen kann eine andere Art der Fesselung angeordnet werden. Die Fesselung wird zeitweise gelockert oder aufgehoben, soweit dies notwendig ist.
(2) Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit der oder des jungen Gefangenen weitgehend oder vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist. Bei Fixierungen ist insbesondere eine ständige und unmittelbare Überwachung sicherzustellen. Anordnung, Gründe, Dauer und Art der Überwachung sowie Beendigung der Fixierung sind zu dokumentieren. Nach Beendigung der Fixierung ist, sobald es der Zustand der oder des jungen Gefangenen zulässt, eine zu dokumentierende Nachbesprechung durchzuführen, in der insbesondere die Gründe für die Fixierung zu nennen sind. Nach Beendigung der Fixierung sind die jungen Gefangenen darüber zu belehren, dass sie die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen lassen können. Für die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Fixierung insbesondere der richterlichen Entscheidung gilt § 76 Absatz 3 entsprechend.

§ 66 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Jugendstrafanstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.
(2) Werden junge Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme, ist vorher die Ärztin oder der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

§ 67 Ärztliche Überwachung

(1) Sind junge Gefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht, gefesselt oder fixiert, sucht sie die Ärztin oder der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports.
(2) Solange jungen Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird, ist regelmäßig eine ärztliche Stellungnahme einzuholen.

§ 68 Ersatz von Aufwendungen

(1) Junge Gefangene sind verpflichtet, der Jugendstrafanstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener verursacht haben. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(2) Die Jugendstrafanstalt kann bei der Geltendmachung von Forderungen nach Absatz 1 oder wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung fremden Eigentums durch junge Gefangene auch einen den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 44 Abs. 2 übersteigenden Teil des Hausgelds in Anspruch nehmen.
(3) Für die in Absatz 1 genannten Forderungen ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(4) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in den Absätzen 1 und 2 genannten Forderungen ist abzusehen, wenn hierdurch die Erziehung der oder des jungen Gefangenen oder ihre Eingliederung behindert würde.

Abschnitt 12 Unmittelbarer Zwang

§ 69 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete der Jugendstrafanstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.
(2) Gegen andere Personen als junge Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es, auch mittels technischer Geräte, unternehmen, junge Gefangene zu befreien, in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, unbefugt Gegenstände in den Anstaltsbereich einzubringen, oder wenn sie sich unbefugt im Anstaltsbereich aufhalten; das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen wird hierdurch nicht eingeschränkt.
(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 70 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln.
(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 71 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 72 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von Vorgesetzten oder sonst befugten Personen angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.
(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.
(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Vollzugsbediensteten der anordnenden Person gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte sind nicht anzuwenden.

§ 73 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 74 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.
(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.
(3) Gegen Personen dürfen Schusswaffen nur gebraucht werden, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Der Gebrauch ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 75 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen junge Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,
1.
wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
2.
wenn sie eine Meuterei (§ 121 StGB) unternehmen oder
3.
um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen.
(2) Um die Flucht aus einer Einrichtung, in der überwiegend Jugendliche untergebracht sind, aus einer offenen Jugendstrafanstalt oder aus dem Jugendstrafvollzug in freier Form zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.
(3) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Jugendstrafanstalt einzudringen.

§ 76 Zwangsmaßnahmen in der Gesundheitsfürsorge

(1) Medizinische Untersuchung, Behandlung und Ernährung sowie eine in diesem Zusammenhang erforderliche Fixierung sind gegen den natürlichen Willen der jungen Gefangenen nur zulässig, soweit sie dazu dienen, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit
1.
der oder des jungen Gefangenen oder 2.
dritter Personen
abzuwenden. Maßnahmen nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1.
eine Ärztin oder ein Arzt die jungen Gefangenen zuvor, soweit möglich, angemessen aufgeklärt und sie auch über die Gründe, Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert hat,
2.
eine Ärztin oder ein Arzt erfolglos versucht hat, die auf Vertrauen begründete Zustimmung der jungen Gefangenen zu erreichen,
3.
die Maßnahme Erfolg verspricht und als letztes Mittel eingesetzt wird, wenn mildere Mittel, insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos sind und
4.
die mit der Maßnahme für den jungen Gefangenen verbundenen Belastungen nicht zu dem erwartbaren Nutzen außer Verhältnis steht und der erwartbare Nutzen mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich feststellbar überwiegt.
Maßnahmen nach Satz 1 Nummer 1 sind darüber hinaus nur zulässig, wenn die oder der junge Gefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 dürfen nur auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Bei Fixierungen ist insbesondere eine ständige und unmittelbare Überwachung sicherzustellen. Die Maßnahmen sind zu dokumentieren, einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe, der Dauer und Art der Überwachung sowie der Wirkungsüberwachung. Die Maßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Eine zu dokumentierende Nachbesprechung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, in der insbesondere die Gründe für die Maßnahme zu nennen sind, muss erfolgen, sobald es der Gesundheitszustand zulässt. Nach Beendigung der Maßnahmen nach Absatz 1 sind die jungen Gefangenen darüber zu belehren, dass sie die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahmen gerichtlich überprüfen lassen können.
(3) Eine Maßnahme nach Absatz 1 ist auf Antrag der Justizvollzugsanstalt nur mit vorheriger richterlicher Entscheidung zulässig. Dies gilt nicht, wenn hierdurch die Behandlung verzögert würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden (Gefahr im Verzug); in diesem Fall sind Personensorgeberechtigte minderjähriger Gefangener unverzüglich zu unterrichten. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird, oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Handelt es sich um eine lediglich kurzfristige Fixierung, die absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreitet, ist eine richterliche Entscheidung nicht erforderlich. § 93
des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) gilt entsprechend.
(4) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der jungen Gefangenen über Absatz 1 hinaus zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Duldungspflichten der jungen Gefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze bleiben unberührt.

Abschnitt 13 Erzieherische Maßnahmen und Disziplinarmaßnahmen

§ 77 Voraussetzungen

(1) Verstoßen junge Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen sie möglichst in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung Maßnahmen angeordnet werden, die geeignet sind, ihnen ihr Fehlverhalten bewusst zu machen. Als erzieherische Maßnahmen kommen namentlich in Betracht das erzieherische Gespräch, die Konfliktschlichtung, die Verwarnung, die Erteilung von Weisungen und Auflagen sowie beschränkende Anordnungen in Bezug auf die Freizeitgestaltung bis zur Dauer von einer Woche. Erzieherische Maßnahmen sollen möglichst nur angeordnet werden, wenn die Verfehlung mit den zu beschränkenden oder zu entziehenden Befugnissen im Zusammenhang steht.
(2) Reichen erzieherische Maßnahmen nicht aus, können gegen junge Gefangene Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.
(3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 78 Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind: 1.
die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld, das Sondergeld und des Einkaufs bis zu zwei Monaten,
2.
die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu zwei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,
3.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu zwei Monaten,
4.
die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
5.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge,
6.
Arrest bis zu zwei Wochen.
(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

§ 79 Vollstreckung und Vollzug der Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.
(2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.
(3) Wird die Verfügung über das Haus- oder Sondergeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Geld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.
(4) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die jungen Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der jungen Gefangenen aus den §§ 13 und 14 Abs. 1 sowie den §§ 16, 40, 41 und 53 bis 56.

§ 80 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Justizvollzugsanstalt zum Zweck der Verlegung ist die Leiterin oder der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig. Die Befugnis, Disziplinarmaßnahmen nach § 78 anzuordnen, kann nur auf Mitglieder der Anstalts- oder Vollzugsabteilungsleitung übertragen werden.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich die Verfehlung junger Gefangener gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richtet.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen junge Gefangene in einer anderen Justizvollzugsanstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt, soweit sie nicht auf Bewährung ausgesetzt sind. § 79 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 81 Disziplinarverfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die jungen Gefangenen werden gehört. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der oder des jungen Gefangenen wird vermerkt.
(2) Bei schweren Verstößen soll sich die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die bei der Erziehung der oder des jungen Gefangenen mitwirken. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen junge Gefangene ist eine Stellungnahme des ärztlichen oder psychologischen Dienstes einzuholen, wenn hierzu begründeter Anlass besteht.
(3) Die Entscheidung wird der oder dem jungen Gefangenen von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter oder im Fall einer Übertragung der Disziplinarbefugnis nach § 80 Abs. 1 Satz 3 von der beauftragten Person mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

§ 82 Ärztliche Mitwirkung

(1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Während des Arrests steht die oder der junge Gefangene unter ärztlicher Aufsicht.
(2) Der Vollzug des Arrests unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der oder des jungen Gefangenen gefährdet würde.

Abschnitt 14 Entlassungsvorbereitung, Entlassung und Nachsorge

§ 83 Entlassungsvorbereitung und Nachsorge

(1) Die Jugendstrafanstalt arbeitet frühzeitig, möglichst sechs Monate vor der voraussichtlichen Entlassung von jungen Gefangenen, mit Institutionen und Personen, namentlich der Bewährungshilfe, zusammen, insbesondere um den jungen Gefangenen Arbeit, eine Wohnung und ein soziales Umfeld für die Zeit nach der Entlassung zu vermitteln und um es zu ermöglichen, eine im Vollzug begonnene Behandlung fortzuführen.
(2) Hierzu können junge Gefangene nach Anhörung des Vollstreckungsleiters bis zu vier Monate freigestellt werden. Die Entlassungsfreistellung darf nur angeordnet werden, wenn junge Gefangene ihre Mitwirkungspflicht erfüllen und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Jugendstrafe entziehen oder die Entlassungsfreistellung zu Straftaten missbrauchen werden. Für den Aufenthalt können ihnen Weisungen erteilt werden.

§ 84 Entlassungsbeihilfe

(1) Junge Gefangene erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, bei ihrer Entlassung aus der Haft von der Jugendstrafanstalt eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie erforderlichenfalls ausreichende Kleidung. Bedürftige junge Gefangene erhalten darüber hinaus eine Beihilfe, die sie in die Lage versetzt, ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe ihren notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten, bis sie ihn voraussichtlich anderweitig decken können. Die Jugendstrafanstalt kann die Überbrückungsbeihilfe ganz oder teilweise der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheidet, wie das Geld nach der Entlassung an die jungen Gefangenen ausbezahlt wird. Die Bewährungshilfe und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, die Überbrückungsbeihilfe von ihrem Vermögen gesondert zu halten.
(2) Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfändbar. Für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe und für Bargeld nach Auszahlung einer Überbrückungsbeihilfe an junge Gefangene gilt § 47 Abs. 4 Satz 1 und 3 und Abs. 5 entsprechend.

§ 85 Entlassungszeitpunkt

(1) Junge Gefangene sind am letzten Tag der Strafzeit möglichst frühzeitig zu entlassen.
(2) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu fünf Tage vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, dass die oder der junge Gefangene zu ihrer oder seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Entlassungszeitpunkt auf ein Wochenende oder auf einen gesetzlichen Feiertag fällt. Die Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts muss im Hinblick auf die Länge der Strafzeit vertretbar sein.
(3) Jungen Gefangenen kann auf Antrag und mit Zustimmung der Personensorgeberechtigten nach der Entlassung vorübergehend und aus wichtigem Grund gestattet werden, eine in der Jugendstrafanstalt begonnene Ausbildungs- oder Behandlungsmaßnahme abzuschließen. Hierzu oder aus sozialen Gründen können junge Gefangene über den Entlassungszeitpunkt hinaus in der Jugendstrafanstalt verbleiben. Das gilt auch, wenn eine Wiederaufnahme nach der Entlassung vorübergehend gerechtfertigt erscheint, um das Erreichen des Erziehungsauftrags nicht erneut zu gefährden. Der Antrag, die Zustimmung der Personensorgeberechtigten und die Gestattung sind jederzeit widerruflich.
(4) Nach dem Entlassungszeitpunkt oder der Wiederaufnahme sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass vollzugliche Maßnahmen nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden dürfen.

Abschnitt 15 Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht und Rechtsbehelfe

§ 85a Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs der Jugendstrafe richtet sich nach den nachfolgenden Absätzen, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.
(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn
1.
aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können,
2.
die Maßnahmen missbraucht werden oder 3.
erteilte Weisungen nicht befolgt werden.
(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach Absatz 2 oder 3 nur zurückgenommen oder widerrufen werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Belastende rechtswidrige Maßnahmen sind aufzuheben, soweit hierdurch das Leben oder die Gesundheit einer Person oder die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht gefährdet wird.

§ 86 Beschwerderecht und Rechtsbehelfe

(1) Die jungen Gefangenen haben das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.
(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Jugendstrafanstalt, so ist zu gewährleisten, dass die jungen Gefangenen sich in sie selbst betreffenden Angelegenheiten an diese wenden können.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt. Eingaben, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden, die nach Form oder Inhalt nicht den im Verkehr mit Behörden üblichen Anforderungen entsprechen oder bloße Wiederholungen enthalten, brauchen nicht beschieden zu werden. Die jungen Gefangenen sind entsprechend zu unterrichten. Eine Überprüfung des Vorbringens von Amts wegen bleibt unberührt.
(4) § 92 des Jugendgerichtsgesetzes über das gerichtliche Verfahren bleibt unberührt.

Abschnitt 16 Vollzugsentwicklung und kriminologische Forschung

§ 87 Fortentwicklung, Jugendkriminologische Forschung

(1) Der Jugendstrafvollzug ist fortzuentwickeln. Maßnahmen zur Erziehung der jungen Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
(2) Der Jugendstrafvollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien und die Erziehungsmaßnahmen sowie deren Wirkungen auf das Erziehungsziel, wird regelmäßig durch den kriminologischen Dienst in Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Stellen wissenschaftlich begleitet und erforscht.
(3) In die Untersuchung ist einzubeziehen, ob die jungen Gefangenen nach der Entlassung in der Lage sind, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
(4) Die Leitung der jugendkriminologischen Forschung obliegt der Aufsichtsbehörde.

Abschnitt 17 Vorbehaltene Sicherungsverwahrung

§ 88 Vorbehaltene Sicherungsverwahrung

(1) Ist bei Gefangenen im Vollzug der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, gelten die Vorschriften bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung im Vollzug der Freiheitsstrafe (§§ 97
bis 103 JVollzGB III) entsprechend.
(2) § 7 Absatz 3 JGG bleibt unberührt.
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