JVollzGB III
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetzbuch über den Justizvollzug in Baden-Württemberg (Justizvollzugsgesetzbuch - JVollzGB) Buch 3 Strafvollzug (JVollzGB III) Vom 10. November 2009 *

Abschnitt 1 Grundsätze

§ 1 Vollzugsziel

Im Vollzug der Freiheitsstrafe sollen die Gefangenen fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.

§ 2 Behandlungsgrundsätze

(1) Die Gefangenen sind unter Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte zu behandeln. Niemand darf unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen werden.
(2) Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden.
(3) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken. Die Gefangenen sind vor Übergriffen zu schützen.
(4) Der Vollzug ist darauf auszurichten, dass er den Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.
(5) Zur Erreichung des Vollzugsziels sollen die Einsicht in die dem Opfer zugefügten Tatfolgen geweckt und geeignete Maßnahmen zum Ausgleich angestrebt werden.
(6) Bei der Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen werden die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere im Hinblick auf Geschlecht, Alter, Herkunft, Glauben, Behinderung und sexuelle Identität, berücksichtigt.

§ 3 Stellung der Gefangenen

(1) Die Gefangenen wirken an ihrer Behandlung und an der Erreichung des Vollzugsziels mit. Ihre Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.
(2) Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Gefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Justizvollzugsanstalt unerlässlich sind.

Abschnitt 2 Aufnahme, Vollzugsplanung und Verlegung

§ 4 Aufnahme und Behandlungsuntersuchung

(1) Bei der Aufnahme werden die Gefangenen über ihre Rechte und Pflichten in einer für sie verständlichen Form unterrichtet. Nach der Aufnahme werden sie alsbald ärztlich untersucht und der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter oder den von diesen beauftragten Bediensteten vorgestellt. Beim Aufnahmeverfahren und bei der ärztlichen Untersuchung dürfen andere Gefangene nicht zugegen sein; Ausnahmen bedürfen der Zustimmung der oder des Gefangenen.
(2) Nach der Aufnahme werden die Umstände erhoben, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung der Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach der Entlassung erforderlich sind. Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies mit Rücksicht auf die Vollzugsdauer nicht geboten erscheint. Es ist zu prüfen, ob eine Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung oder andere therapeutische Maßnahmen angezeigt sind.

§ 5 Vollzugsplan

(1) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung wird ein Vollzugsplan erstellt.
(2) Der Vollzugsplan enthält mindestens Angaben über
1.
die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug,
2.
die Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung,
3.
die Zuweisung zu Wohngruppen und Behandlungsgruppen,
4.
den Arbeitseinsatz, Maßnahmen der schulischen Bildung und der beruflichen Aus- oder Weiterbildung,
5.
die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung,
6.
besondere Hilfs- und Behandlungsmaßnahmen, 7.
vollzugsöffnende Maßnahmen sowie 8.
Entlassungsvorbereitung und Nachsorge.
(3) Die Vollzugsplanung wird mit der oder dem Gefangenen erörtert. Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Vollzugsplankonferenz abzugeben.
(4) Der Vollzugsplan wird mit der Billigung durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter wirksam. Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass der Vollzugsplan in bestimmten Fällen erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.
(5) Der Vollzugsplan ist in regelmäßigen Abständen auf seine Umsetzung hin zu überprüfen und mit der Entwicklung der oder des Gefangenen sowie weiteren für die Behandlung bedeutsamen Erkenntnissen in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. Die Fortschreibung des Vollzugsplans wird mit den Gefangenen erörtert.

§ 6 Verlegung, Überstellung und Ausantwortung

(1) Gefangene können abweichend vom Vollstreckungsplan in eine andere Justizvollzugsanstalt überstellt oder verlegt werden,
1.
wenn ihre Behandlung oder Eingliederung nach der Entlassung hierdurch gefördert wird,
2.
aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt, insbesondere, wenn in erhöhtem Maß Fluchtgefahr besteht,
3.
zur besseren Behandlung einer Erkrankung oder zur besseren Versorgung bei Pflege- oder Hilfebedarf, insbesondere in einem Justizvollzugskrankenhaus oder in einer Krankenabteilung einer sonstigen Justizvollzugsanstalt,
4.
zur Prüfung ihrer Eignung für die Behandlung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung,
5.
zur Durchführung einer kriminalprognostischen Begutachtung,
6.
aus Gründen der Vollzugsorganisation oder 7.
wenn dies aus sonstigen wichtigen Gründen erforderlich ist.
§ 8 Absatz 1 und 3 bleibt unberührt.
(2) In begründeten Fällen ist das befristete Überlassen von Gefangenen in den Gewahrsam einer Polizei-, Zoll- oder Finanzbehörde zulässig. Die Justizvollzugsanstalt kann zur Durchführung der Ausantwortung Anordnungen treffen.

§ 7 Offener und geschlossener Vollzug

(1) Gefangene sollen in einer Justizvollzugsanstalt oder Abteilung des offenen Vollzugs untergebracht werden, wenn sie den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs genügen und insbesondere nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden.
(2) Eignen sich Gefangene nicht für den offenen Vollzug, so werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht. Erweisen sich Gefangene für die Unterbringung im offenen Vollzug während des Aufenthalts dort als nicht geeignet, werden sie in den geschlossenen Vollzug zurückverlegt. Gefangene können auch dann im geschlossenen Vollzug untergebracht oder dorthin zurückverlegt werden, wenn dies zu ihrer Behandlung notwendig ist.

§ 8 Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung

(1) Gefangene sollen in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt werden, wenn deren besondere therapeutischen Mittel und sozialen Hilfen zu ihrer Resozialisierung angezeigt und erfolgversprechend sind, von ihnen ohne Behandlung erhebliche Straftaten zu erwarten sind und die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter der sozialtherapeutischen Einrichtung zustimmt. Ist die Entscheidung über Verlegungen in eine sozialtherapeutische Einrichtung einer zentralen Stelle übertragen, bedarf es der Zustimmung nach Satz 1 nicht.
(2) Vor einer Verlegung ist die Bereitschaft der Gefangenen zur Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen zu wecken und zu fördern.
(3) Gefangene sind zurückzuverlegen, wenn der Zweck der Behandlung aus Gründen, die in ihrer Person liegen, nicht erreicht werden kann.
(4) § 6 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt.

§ 9 Vollzugsöffnende Maßnahmen

(1) Gefangenen können mit ihrer Zustimmung vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden, wenn sie für die jeweilige Maßnahme geeignet sind, insbesondere ihre Persönlichkeit ausreichend gefestigt und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Maßnahme zur Begehung von Straftaten missbrauchen werden.
(2) Als vollzugsöffnende Maßnahme kann insbesondere angeordnet werden, dass Gefangene
1.
einer regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Justizvollzugsanstalt unter Aufsicht Vollzugsbediensteter (Außenbeschäftigung) oder ohne Aufsicht (Freigang) nachgehen dürfen,
2.
die Justizvollzugsanstalt für eine bestimmte Tageszeit unter Aufsicht Vollzugsbediensteter (Ausführung) oder ohne Aufsicht (Ausgang), gegebenenfalls in Begleitung einer Bezugsperson (Ausgang in Begleitung), verlassen dürfen oder
3.
bis zu 21 Kalendertage in einem Vollstreckungsjahr aus der Haft freigestellt werden (Freistellung aus der Haft).
(3) Freistellung aus der Haft soll in der Regel erst gewährt werden, wenn sich Gefangene mindestens sechs Monate im Strafvollzug befunden haben. Zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilte Gefangene können aus der Haft freigestellt werden, wenn sie sich einschließlich einer vorhergehenden Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung zehn Jahre im Vollzug befunden haben oder wenn sie in den offenen Vollzug überwiesen oder hierfür geeignet sind.
(4) Durch vollzugsöffnende Maßnahmen wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe nicht unterbrochen.

§ 10 Verlassen der Justizvollzugsanstalt aus wichtigem Anlass

(1) Aus wichtigem Anlass kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter Gefangenen Ausgang gewähren oder sie bis zu sieben Tage von der Haft freistellen; Freistellung aus anderem wichtigen Anlass als wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder wegen des Todes Angehöriger darf sieben Tage im Vollstreckungsjahr nicht übersteigen. § 9 Abs. 1 und 4 gilt entsprechend.
(2) Eine Freistellung aus wichtigem Anlass wird nicht auf die Freistellung aus der Haft angerechnet.
(3) Kann Ausgang oder Freistellung aus den in § 9 Abs. 1 genannten Gründen nicht gewährt werden, kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter Gefangene ausführen lassen. Die Aufwendungen hierfür haben die oder der Gefangene zu tragen, es sei denn, dies würde die Behandlung oder die Eingliederung behindern.
(4) Gefangene dürfen auch ohne ihre Zustimmung ausgeführt werden, wenn dies aus besonderen Gründen notwendig ist.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten für die Teilnahme von Gefangenen an gerichtlichen Terminen entsprechend. Auf Ersuchen eines Gerichts lässt die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter Gefangene auch ohne deren Zustimmung vorführen, sofern ein Vorführungsbefehl vorliegt. Die Justizvollzugsanstalt unterrichtet das Gericht über das Veranlasste.

§ 11 Weisungen und Aufhebung vollzugsöffnender Maßnahmen

(1) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann Gefangenen für vollzugsöffnende Maßnahmen, das Verlassen der Justizvollzugsanstalt aus wichtigem Anlass oder zur Teilnahme an gerichtlichen Terminen Weisungen, insbesondere hinsichtlich ihres Aufenthaltsorts sowie der Freistellungsgestaltung, erteilen.
(1a) Bei Ausführungen ohne angeordnete Fesselung kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter Gefangenen die Weisung erteilen, die für eine elektronische Überwachung des Aufenthaltsorts erforderlichen technischen Mittel ständig in betriebsbereitem Zustand bei sich zu führen und deren Funktionsfähigkeit nicht zu beeinträchtigen, wenn dies erforderlich ist, um die Gefangenen davon abzuhalten, sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe zu entziehen.
(2) Werden Maßnahmen nach §§ 9 und 10 in schwerwiegender Weise missbraucht, sind diese nach § 91a Absatz 3 Nummer 2 zu widerrufen.

§ 12 Zustimmung der Aufsichtsbehörde

Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass in bestimmten Fällen die Entscheidung über die Unterbringung von Gefangenen im offenen Vollzug, die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen mit Ausnahme der Ausführung sowie die Gewährung von Maßnahmen nach § 10 Abs. 1 dieses Buchs, auch in Verbindung mit Absatz 5 Satz 1, erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.

Abschnitt 3 Unterbringung und Grundversorgung

§ 13 Unterbringung

Gefangene sollen während der Ruhezeit allein in ihren Hafträumen untergebracht werden. Eine gemeinschaftliche Unterbringung der Gefangenen während der Ruhezeit kommt insbesondere in Betracht
1.
mit ihrer Zustimmung, wenn eine schädliche Beeinflussung nicht zu befürchten ist,
2.
auch ohne ihre Zustimmung, a)
wenn Gefangene hilfsbedürftig sind oder eine Gefahr für Leben oder Gesundheit Gefangener besteht und die anderen von einer gemeinsamen Unterbringung betroffenen Gefangenen dieser zustimmen oder
b)
wenn und solange dies zur Bewältigung besonderer vollzugsorganisatorischer Situationen erforderlich ist.

§ 14 Einschränkung gemeinschaftlicher Unterbringung während der Arbeit und der Freizeit

Die gemeinschaftliche Unterbringung während der Arbeitszeit und Freizeit kann eingeschränkt werden,
1.
wenn ein schädlicher Einfluss auf andere Gefangene zu befürchten ist,
2.
wenn Gefangene nach § 4 Abs. 2 untersucht werden, aber nicht länger als zwei Monate,
3.
wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt erfordert oder
4.
wenn die oder der Gefangene zustimmt.

§ 15 Ausstattung des Haftraums

Gefangene dürfen ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen ausstatten. Hierdurch dürfen die Übersichtlichkeit des Haftraums sowie die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht beeinträchtigt werden. § 58 Absatz 3 gilt entsprechend.

§ 16 Kleidung

(1) Gefangene tragen Anstaltskleidung. Für die Freizeit erhalten sie besondere Oberbekleidung.
(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter gestattet den Gefangenen bei einer Ausführung eigene Kleidung zu tragen, wenn zu erwarten ist, dass sie nicht entweichen werden. Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann dies auch sonst gestatten, sofern die Gefangenen für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.

§ 17 Verpflegung

(1) Die Verpflegung wird in Übereinstimmung mit den jeweils gültigen Werten für eine ausreichende und ausgewogene Ernährung in Gemeinschaftsverpflegung angeboten.
(2) Den Gefangenen soll ermöglicht werden, religiöse Speisevorschriften zu befolgen.

§ 18 Einkauf

(1) Gefangene können von ihrem Haus- oder Taschengeld aus einem von der Justizvollzugsanstalt vermittelten Angebot Waren kaufen. Das Warenangebot ist auf die Bedürfnisse der Gefangenen abzustimmen. Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährden, sind vom Einkauf ausgeschlossen. Der Einkauf kann in Form eines Listeneinkaufs durchgeführt werden.
(2) In begründeten Ausnahmefällen, insbesondere wenn ein zugelassener Artikel sonst nicht beschafft werden kann, kann die Justizvollzugsanstalt einen Einkauf über andere sichere Bezugsquellen gestatten.
(3) Verfügen Gefangene weder über Sondergeld nach § 54 Abs. 1 noch ohne eigenes Verschulden über Haus- oder Taschengeld, wird ihnen gestattet, in angemessenem Umfang vom Eigengeld einzukaufen.

Abschnitt 4 Verkehr mit der Außenwelt

§ 19 Pflege sozialer Beziehungen

(1) Gefangene haben das Recht, mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt im Rahmen der Vorschriften dieses Gesetzes zu verkehren. Der Kontakt zu Angehörigen und Personen, von denen ein günstiger Einfluss auf die Gefangenen erwartet werden kann, wird gefördert.
(2) Gefangene dürfen regelmäßig Besuch empfangen. Die Gesamtdauer beträgt mindestens eine Stunde im Monat.
(3) Besuche sollen darüber hinaus zugelassen werden, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung der Gefangenen fördern oder persönlichen, rechtlichen oder geschäftlichen Angelegenheiten dienen, die von den Gefangenen weder schriftlich erledigt, noch durch Dritte wahrgenommen oder bis zur Entlassung aufgeschoben werden können.
(4) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt kann ein Besuch davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucherin oder der Besucher durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lässt. Aus den gleichen Gründen kann die Anzahl der gleichzeitig zu einem Besuch zugelassenen Personen beschränkt werden.

§ 20 Verbot von Besuchen

Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann Besuche untersagen,
1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdet würde,
2.
bei Besuchern, die nicht Angehörige der oder des Gefangenen im Sinne des Strafgesetzbuchs sind, wenn zu befürchten ist, dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Gefangene oder den Gefangenen haben oder die Eingliederung behindern würden.

§ 21 Überwachung von Besuchen

(1) Besuche dürfen aus Gründen der Behandlung oder der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt überwacht werden, es sei denn, es liegen im Einzelfall Erkenntnisse dafür vor, dass es der Überwachung nicht bedarf. Die Unterhaltung darf überwacht werden, soweit dies im Einzelfall aus diesen Gründen erforderlich ist.
(2) Die optische Überwachung von Besuchen kann durch technische Hilfsmittel erfolgen. Auf eine Überwachung nach Satz 1 sind die Gefangenen und ihre Besucher vorher hinzuweisen. Zur Verhinderung der Übergabe von Gegenständen können besondere Vorkehrungen, insbesondere durch Tischaufsätze oder Trennscheiben, getroffen werden, wenn bei der oder dem Gefangenen verbotene Gegenstände gefunden wurden oder sonst konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass es zu einer verbotenen Übergabe von Gegenständen kommt.
(3) Gegenstände dürfen beim Besuch nur mit Erlaubnis der Justizvollzugsanstalt übergeben werden. Gefangenen dürfen Nahrungs- und Genussmittel in geringer Menge übergeben werden. Die Justizvollzugsanstalt kann anordnen, dass die Nahrungs- und Genussmittel durch ihre Vermittlung beschafft werden.
(4) Ein Besuch darf abgebrochen werden, wenn Gefangene oder ihre Besucherinnen oder Besucher gegen Vorschriften dieses Gesetzes oder auf Grund dieses Gesetzes getroffene Anordnungen trotz Ermahnung verstoßen. Einer Ermahnung bedarf es nicht, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.

§ 22 Besuche bestimmter Personen

(1) Besuche von Verteidigern sowie von Rechtsanwälten und Notaren in einer die Gefangene oder den Gefangenen betreffenden Rechtssache sind zu gestatten. Die Justizvollzugsanstalt kann die Modalitäten der Besuche entsprechend ihren organisatorischen Möglichkeiten regeln. Der Besuch kann davon abhängig gemacht werden, dass sich die Besucher vorher aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt durchsuchen oder mit technischen Mitteln oder sonstigen Hilfsmitteln auf verbotene Gegenstände absuchen lassen. Eine Kenntnisnahme vom gedanklichen Inhalt der von Verteidigern mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen ist unzulässig.
(2) Besuche von Verteidigern werden nicht überwacht. Zur Übergabe von Schriftstücken und sonstigen Unterlagen bedürfen Verteidiger, Rechtsanwälte und Notare keiner Erlaubnis, sofern diese unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung oder der Erledigung einer die Gefangene oder den Gefangenen betreffenden Rechtssache dienen. Beim Besuch von Rechtsanwälten und Notaren kann die Übergabe von Schriftstücken oder sonstigen Unterlagen aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt von der Erlaubnis abhängig gemacht werden.
(3) § 24 Abs. 2 Satz 3 und 4 bleibt unberührt.

§ 23 Recht auf Schriftwechsel

(1) Gefangene haben das Recht, unbeschränkt Schreiben abzusenden und zu empfangen.
(2) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen,
1.
wenn die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdet würde,
2.
bei Personen, die nicht Angehörige der oder des Gefangenen sind, wenn zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf die Gefangene oder den Gefangenen haben oder ihre oder seine Eingliederung behindern würde.
(3) Die Kosten des Schriftwechsels tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Justizvollzugsanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 24 Überwachung des Schriftwechsels

(1) Der Schriftwechsel der Gefangenen darf überwacht werden, soweit dies aus Gründen der Behandlung oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt erforderlich ist.
(2) Der Schriftwechsel der Gefangenen mit ihren Verteidigern wird nicht überwacht. Die Schreiben dürfen, ohne sie zu öffnen, auf verbotene Gegenstände untersucht werden. Liegt dem Vollzug der Freiheitsstrafe eine Straftat nach § 129 a
StGB, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1 StGB, zu Grunde, gelten § 148
Abs. 2 und § 148 a StPO entsprechend; dies gilt nicht, wenn die Gefangenen sich in einer Einrichtung des offenen Vollzugs befinden, ihnen vollzugsöffnende Maßnahmen oder Freistellung aus der Haft nach § 89 Abs. 3 gewährt worden sind und ein Grund, der die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter zum Widerruf oder zur Zurücknahme von vollzugsöffnenden Maßnahmen oder der Freistellung ermächtigt, nicht vorliegt. Satz 3 gilt auch, wenn gegen Gefangene im Anschluss an die dem Vollzug der Freiheitsstrafe zu Grunde liegende Verurteilung eine Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach § 129 a
StGB, auch in Verbindung mit § 129 b Abs. 1 StGB, zu vollstrecken ist.
(3) Absatz 2 gilt entsprechend für Schreiben von Gefangenen an
1.
die Volksvertretungen des Bundes und der Länder sowie an deren Mitglieder,
2.
das Europäische Parlament und dessen Mitglieder,
3.
den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte,
4.
den Europäischen Ausschuss zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe,
5.
die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie die Aufsichtsbehörden nach § 40
Bundesdatenschutzgesetz, 6.
den Europäischen Datenschutzbeauftragten, 7.
den Bürgerbeauftragten des Landes, 8.
den Europäischen Bürgerbeauftragten, 9.
den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen sowie
10.
den Ausschuss der Vereinten Nationen gegen Folter, den zugehörigen Unterausschuss zur Verhütung von Folter und die entsprechenden nationalen Präventionsmechanismen,
wenn die Schreiben an die Anschriften dieser Stellen gerichtet sind und den Absender zutreffend angeben. Schreiben der in Satz 1 genannten Stellen, die an Gefangene gerichtet sind, dürfen nicht überwacht werden, wenn die Identität des Absenders zweifelsfrei feststeht.

§ 25 Weiterleitung und Aufbewahrung von Schreiben

(1) Gefangene haben Absendung und Empfang ihrer Schreiben durch die Justizvollzugsanstalt vermitteln zu lassen, soweit nichts anderes gestattet ist.
(2) Eingehende und ausgehende Schreiben sind unverzüglich weiterzuleiten.
(3) Gefangene haben eingehende Schreiben unverschlossen zu verwahren, sofern nichts anderes gestattet wird. Die Schreiben können auch verschlossen zur Habe gegeben werden.

§ 26 Anhalten von Schreiben

(1) Schreiben können angehalten werden, wenn 1.
das Ziel des Vollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung einer Justizvollzugsanstalt gefährdet würde,
2.
die Weitergabe in Kenntnis ihres Inhalts einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklichen würde,
3.
sie grob unrichtige oder erheblich entstellende Darstellungen von Anstaltsverhältnissen enthalten,
4.
sie grobe Beleidigungen enthalten, 5.
sie die Eingliederung anderer Gefangener gefährden können oder
6.
sie in Geheimschrift, unlesbar, unverständlich oder ohne zwingenden Grund in einer fremden Sprache abgefasst sind; ein zwingender Grund zur Abfassung eines Schreibens in fremder Sprache liegt in der Regel nicht vor bei einem Schriftwechsel zwischen deutschen Gefangenen und Dritten, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder ihren Lebensmittelpunkt im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben.
(2) Eingehende Schreiben können angehalten und durch Fotokopien ersetzt werden, wenn der Verdacht besteht, dass von ihrer Beschaffenheit eine Gesundheitsgefahr ausgeht.
(3) Ausgehenden Schreiben, die unrichtige Darstellungen enthalten, kann ein Begleitschreiben beigefügt werden, wenn die oder der Gefangene auf der Absendung besteht.
(4) Ist ein Schreiben angehalten worden, wird dies der oder dem Gefangenen mitgeteilt. Hiervon kann vorübergehend abgesehen werden, wenn dies die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt erfordert. Angehaltene Schreiben werden an die Absenderin oder den Absender zurückgegeben oder, sofern dies unmöglich oder aus besonderen Gründen untunlich ist, behördlich verwahrt.
(5) Schreiben, deren Überwachung ausgeschlossen ist, dürfen nicht angehalten werden.

§ 27 Telefongespräche

(1) Gefangenen kann gestattet werden, zu telefonieren.
(2) Im Übrigen gelten für Telefonate die für den Besuch geltenden Vorschriften mit Ausnahme von § 19 Abs. 2 entsprechend. Die Überwachung der Unterhaltung ist den Gesprächspartnern der Gefangenen unmittelbar nach Herstellung der Verbindung von der Justizvollzugsanstalt oder den Gefangenen mitzuteilen. Die Gefangenen sind rechtzeitig vor Beginn des Telefongesprächs über die beabsichtigte Überwachung und die Mitteilungspflicht zu unterrichten.
(3) Die Kosten der Telefongespräche tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Justizvollzugsanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 27a Andere Formen der Telekommunikation

Die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes in der Anstalt bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Nach Zulassung kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Eine Gestattung ist ausgeschlossen, wenn hierdurch die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet wäre. Im Übrigen finden die Bestimmungen dieses Abschnitts entsprechende Anwendung, soweit die andere Form der Telekommunikation dem Wesen der dort geregelten Kommunikationsform entspricht.

§ 28 Pakete

(1) Der Empfang von Paketen bedarf der vorherigen Erlaubnis der Justizvollzugsanstalt. Für den Ausschluss von Gegenständen gilt § 18 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln sind ausgeschlossen.
(2) Pakete sind in Gegenwart der oder des Gefangenen zu öffnen. Ausgeschlossene Gegenstände können zur Habe der oder des Gefangenen genommen oder an die Absenderin oder den Absender zurückgesandt werden. Nicht ausgehändigte Gegenstände, durch die bei der Aufbewahrung Personen verletzt oder Sachschäden verursacht werden können oder die verderblich sind, dürfen vernichtet werden. Die hiernach getroffenen Maßnahmen werden der oder dem Gefangenen eröffnet.
(3) Gefangenen kann gestattet werden, Pakete zu versenden. Der Inhalt kann aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt überprüft werden.
(4) Die Kosten des Paketverkehrs tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Justizvollzugsanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

Abschnitt 5 Religionsausübung

§ 29 Seelsorge

(1) Gefangenen darf religiöse Betreuung durch eine Seelsorgerin oder einen Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft nicht versagt werden. Ihnen ist auf Wunsch zu helfen, mit einer Seelsorgerin oder einem Seelsorger ihrer Religionsgemeinschaft in Verbindung zu treten. Das Beicht- und Seelsorgegeheimnis ist unverletzlich.
(2) Gefangene dürfen grundlegende religiöse Schriften besitzen. Diese dürfen ihnen nur bei grobem Missbrauch entzogen werden.
(3) Gefangenen sind Gegenstände des religiösen Gebrauchs in angemessenem Umfang zu belassen.

§ 30 Religiöse Veranstaltungen

(1) Gefangene haben das Recht, am Gottesdienst und an anderen religiösen Veranstaltungen ihres Bekenntnisses teilzunehmen.
(2) Gefangene werden zu dem Gottesdienst oder zu religiösen Veranstaltungen einer anderen Religionsgemeinschaft zugelassen, wenn deren Seelsorgerin oder Seelsorger zustimmt.
(3) Gefangene können von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen ausgeschlossen werden, wenn dies aus überwiegenden Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt geboten ist; die Seelsorgerin oder der Seelsorger soll vorher gehört werden.

§ 31 Weltanschauungsgemeinschaften

Für Angehörige weltanschaulicher Bekenntnisse gelten die §§ 29 und 30 entsprechend.

Abschnitt 6 Gesundheitsfürsorge

§ 32 Gesunde Lebensführung und Aufenthalt im Freien

(1) Den Gefangenen ist die Bedeutung einer gesunden Lebensführung in geeigneter Form zu vermitteln. Sie sind insbesondere über die schädlichen Wirkungen des Suchtmittelkonsums aufzuklären.
(2) Die Justizvollzugsanstalt kann Anordnungen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene treffen.
(3) Den Gefangenen wird täglich mindestens eine Stunde Aufenthalt im Freien ermöglicht, wenn die Witterung dem nicht zwingend entgegensteht.

§ 33 Anspruch auf medizinische Leistung

(1) Gefangene haben einen Anspruch auf notwendige, ausreichende und zweckmäßige medizinische Versorgung unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit. Der Anspruch umfasst Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten und Vorsorgeleistungen. Die Beurteilung der Notwendigkeit orientiert sich an der Versorgung der gesetzlich Versicherten. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen werden erbracht, soweit die Belange des Vollzugs dem nicht entgegenstehen.
(2) Der Anspruch nach Absatz 1 umfasst die Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 33
des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch, wenn dies nicht mit Rücksicht auf die Kürze des Freiheitsentzugs unangemessen ist.
(3) An den Kosten für medizinische Leistungen können die Gefangenen in angemessenem Umfang beteiligt werden, höchstens jedoch bis zum Umfang der Beteiligung gesetzlich Versicherter.

§ 34 Krankenhausbehandlung außerhalb vollzuglicher Einrichtungen

Soweit eine Verlegung oder Überstellung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 nicht ausreicht, können Gefangene für die notwendige Dauer einer Behandlung oder Versorgung in ein Krankenhaus außerhalb des Justizvollzugs gebracht werden. Ambulante Behandlungen und Untersuchungen in einem Krankenhaus außerhalb des Justizvollzugs, die zur Prüfung der besseren Behandlung einer Erkrankung oder zur besseren Versorgung bei Pflege- oder Hilfebedarf in einem Justizvollzugskrankenhaus erforderlich sind, bleiben unberührt. Eine möglichst rasche Rückverlegung in ein Justizvollzugskrankenhaus oder eine sonstige Justizvollzugsanstalt ist anzustreben.

§ 35 Anspruch auf Krankenbehandlung in besonderen Fällen

(1) Während einer Freistellung oder eines Ausgangs haben Gefangene einen Anspruch auf Krankenbehandlung in der für sie zuständigen Justizvollzugsanstalt.
(2) Der Anspruch auf Leistungen nach § 33 ruht, solange Gefangene aufgrund eines freien Beschäftigungsverhältnisses krankenversichert sind.

§ 36 Medizinische Behandlung zur sozialen Eingliederung

Mit Zustimmung der Gefangenen soll die Justizvollzugsanstalt medizinische Behandlungen, insbesondere Operationen oder prothetische Maßnahmen, durchführen lassen, die die soziale Eingliederung der Gefangenen fördern. Die Kosten tragen die Gefangenen. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Justizvollzugsanstalt die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen.

§ 37 Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft

(1) Auf den gesundheitlichen Zustand einer schwangeren Gefangenen oder einer Gefangenen, die unlängst entbunden hat, ist Rücksicht zu nehmen. Die Vorschriften des Mutterschutzgesetzes über die Gestaltung des Arbeitsplatzes gelten entsprechend.
(2) Die Gefangene hat während der Schwangerschaft sowie bei und nach der Entbindung Anspruch auf ärztliche Betreuung einschließlich der Untersuchungen zur Feststellung der Schwangerschaft und zur Schwangerenvorsorge sowie auf Hebammenhilfe. Die ärztliche Betreuung umfasst die Beratung der Schwangeren zur Bedeutung der Mundgesundheit für Mutter und Kind einschließlich des Zusammenhangs zwischen Ernährung und Krankheitsrisiko sowie die Einschätzung oder Bestimmung des Übertragungsrisikos von Karies.
(3) Bei Schwangerschaftsbeschwerden und im Zusammenhang mit der Entbindung werden Arznei-, Verbands- und Heilmittel geleistet.

§ 38 Entbindung und Geburtsanzeige

(1) Eine schwangere Gefangene ist zur Entbindung in ein Krankenhaus außerhalb des Vollzugs zu bringen. Ist dies aus besonderen Gründen nicht angezeigt, ist die Entbindung in einer Justizvollzugsanstalt mit Entbindungsabteilung vorzunehmen. Bei der Entbindung wird Hilfe durch eine Hebamme und falls erforderlich durch eine Ärztin oder einen Arzt gewährt.
(2) In der Anzeige der Geburt an das Standesamt dürfen die Justizvollzugsanstalt als Geburtsstätte des Kindes, das Verhältnis der anzeigenden Person zur Justizvollzugsanstalt und die Gefangenschaft der Mutter nicht vermerkt sein.

§ 39 Benachrichtigung bei Erkrankung oder Todesfall

(1) Erkranken Gefangene schwer, ist eine Angehörige oder ein Angehöriger, eine Vertrauensperson oder eine gesetzliche Vertreterin oder ein gesetzlicher Vertreter unverzüglich zu benachrichtigen. Hiervon kann auf Wunsch der oder des Gefangenen abgesehen werden. Im Fall des Todes von Gefangenen, ist eine der in Satz 1 genannten Personen unverzüglich zu benachrichtigen.
(2) Dem Wunsch von Gefangenen, auch andere Personen zu benachrichtigen, soll nach Möglichkeit entsprochen werden.

Abschnitt 7 Soziale Hilfe

§ 40 Grundsatz

Die soziale Hilfe der Justizvollzugsanstalt soll darauf gerichtet sein, die Gefangenen in die Lage zu versetzen, ihre persönlichen Angelegenheiten selbst zu regeln.

§ 41 Hilfe während des Vollzugs

(1) Bei der Aufnahme wird den Gefangenen geholfen, die notwendigen Maßnahmen für hilfsbedürftige Angehörige zu veranlassen und ihre Habe außerhalb der Justizvollzugsanstalt sicherzustellen.
(2) Gefangenen ist eine Beratung in für sie bedeutsamen rechtlichen und sozialen Fragestellungen zu ermöglichen. Ihnen ist zu helfen, für Unterhaltsberechtigte zu sorgen, Schulden zu regulieren und den durch die Straftat verursachten Schaden zu regeln. Die Beratung soll hierbei auch die Benennung von Stellen und Einrichtungen außerhalb der Justizvollzugsanstalt umfassen.
(3) Auf Grund der Behandlungsuntersuchung oder auf Wunsch können suchtgefährdete oder süchtige Gefangene Suchtberatung und Vermittlung in Therapieeinrichtungen des Justizvollzugs oder anderer Träger erhalten.

Abschnitt 8 Beschäftigung und Vergütung

§ 42 Beschäftigung

(1) Arbeit, arbeitstherapeutische Beschäftigung, schulische Bildung, Ausbildung und Weiterbildung dienen insbesondere dem Ziel, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern.
(2) Die Justizvollzugsanstalt soll Gefangenen wirtschaftlich ergiebige Arbeit zuweisen und dabei ihre Fähigkeiten und Neigungen nach Möglichkeit berücksichtigen. Zur Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe kann nach der Verordnung des Justizministeriums über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 30. Juni 2009 (GBl. S. 338), die durch Verordnung vom 30. März 2021 (GBl. S. 383) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung auch im Vollzug gemeinnützige Arbeit geleistet werden.
(3) Sind Gefangene zu wirtschaftlich ergiebiger Arbeit nicht fähig, sollen sie arbeitstherapeutisch beschäftigt werden.
(4) Geeigneten Gefangenen soll Gelegenheit zur schulischen oder beruflichen Bildung, Weiterbildung, Umschulung oder Teilnahme an anderen ausbildenden oder weiterbildenden Maßnahmen gegeben werden.

§ 43 Unterricht

(1) Für geeignete Gefangene soll Unterricht in den zum Hauptschulabschluss führenden Fächern, ein der Förderschule entsprechender Unterricht oder nach Möglichkeit Unterricht zur Erlangung anderer staatlich anerkannter Schulabschlüsse vorgesehen werden. Bei der beruflichen Ausbildung ist berufsbildender Unterricht vorzusehen; dies gilt auch für die berufliche Weiterbildung, soweit die Art der Maßnahme es erfordert.
(2) Unterricht soll während der Arbeitszeit stattfinden.

§ 44 Zeugnisse über Bildungsmaßnahmen

Aus dem Zeugnis über eine Bildungsmaßnahme darf die Inhaftierung einer Teilnehmerin oder eines Teilnehmers nicht erkennbar sein.

§ 45 Freies Beschäftigungsverhältnis und Selbstbeschäftigung

(1) Gefangenen soll gestattet werden, einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Justizvollzugsanstalt nachzugehen, wenn dies im Rahmen des Vollzugsplans dem Ziel dient, Fähigkeiten für eine Erwerbstätigkeit nach der Entlassung zu vermitteln, zu erhalten oder zu fördern und nicht überwiegende Gründe des Vollzugs entgegenstehen. § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 sowie die §§ 11 und 12 bleiben unberührt.
(2) Gefangenen kann gestattet werden, sich selbst zu beschäftigen.
(3) Das Entgelt ist der Justizvollzugsanstalt zur Gutschrift für die Gefangenen zu überweisen.

§ 46 Sprachkompetenz

Aus Gründen der Integration und zur Förderung der Sprachkompetenz sollen Gefangenen, soweit erforderlich, Deutschkurse angeboten werden.

§ 47 Arbeitspflicht

(1) Gefangene sind verpflichtet, eine ihnen zugewiesene, ihren Fähigkeiten angemessene Arbeit oder arbeitstherapeutische Beschäftigung auszuüben, soweit sie dazu körperlich in der Lage sind. Sie können jährlich bis zu drei Monaten zu Hilfstätigkeiten in der Justizvollzugsanstalt verpflichtet werden, mit ihrer Zustimmung auch darüber hinaus. Soweit gemeinnützige Arbeit nach § 42 Absatz 2 Satz 2 geleistet wird, steht dies der Erfüllung der Arbeitspflicht gleich. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Gefangene, die die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben, und nicht für werdende und stillende Mütter, soweit gesetzliche Beschäftigungsverbote zum Schutz erwerbstätiger Mütter bestehen.
(2) Die Teilnahme an einer Maßnahme nach § 42 Abs. 4 bedarf der Zustimmung der oder des Gefangenen. Die Zustimmung darf nicht zur Unzeit widerrufen werden.

§ 48 Freistellung von der Arbeitspflicht

(1) Haben Gefangene ein Jahr lang eine Beschäftigung nach § 42 oder Hilfstätigkeiten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 ausgeübt, so können sie beanspruchen, 18 Werktage von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden. Zeiten, in denen Gefangene infolge Krankheit an ihrer Arbeitsleistung verhindert waren, werden auf das Jahr bis zu sechs Wochen jährlich angerechnet.
(2) Auf die Zeit der Freistellung von der Arbeitspflicht wird Freistellung aus der Haft angerechnet, soweit sie in die Arbeitszeit fällt und nicht wegen einer lebensgefährlichen Erkrankung oder des Todes einer oder eines Angehörigen erteilt worden ist.
(3) Die Gefangenen erhalten für die Zeit der Freistellung ihre zuletzt gezahlten Bezüge weiter.
(4) Urlaubsregelungen der Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Strafvollzugs bleiben unberührt.

§ 49 Arbeitsentgelt, Freistellung von der Arbeit und Anrechnung der Freistellung auf den Entlassungszeitpunkt

(1) Die Arbeit der Gefangenen wird anerkannt durch Arbeitsentgelt und Freistellung von der Arbeit, die auch als Freistellung aus der Haft genutzt oder auf den Entlassungszeitpunkt angerechnet werden kann.
(2) Üben Gefangene eine zugewiesene Arbeit oder eine Hilfstätigkeit aus, so erhalten sie ein Arbeitsentgelt. Der Bemessung des Arbeitsentgelts sind neun Prozent der Bezugsgröße nach § 18
des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch zu Grunde zu legen (Eckvergütung). Ein Tagessatz ist der zweihundertfünfzigste Teil der Eckvergütung; das Arbeitsentgelt kann nach einem Stundensatz bemessen werden.
(3) Das Arbeitsentgelt kann je nach Leistung der Gefangenen und der Art der Arbeit gestuft werden. 75 Prozent der Eckvergütung dürfen nur dann unterschritten werden, wenn die Arbeitsleistung Gefangener den Mindestanforderungen nicht genügt.
(4) Üben Gefangene eine zugewiesene arbeitstherapeutische Beschäftigung aus, erhalten sie ein Arbeitsentgelt, soweit dies der Art ihrer Beschäftigung und ihrer Arbeitsleistung entspricht.
(5) Die Höhe des Arbeitsentgelts ist den Gefangenen schriftlich bekannt zu geben.
(6) Haben Gefangene zwei Monate lang zusammenhängend eine zugewiesene Tätigkeit oder eine Hilfstätigkeit ausgeübt, so werden sie auf ihren Antrag hin einen Werktag von der Arbeit freigestellt. Die Regelung des § 48 bleibt unberührt. Durch Zeiten, in denen Gefangene ohne Verschulden durch Krankheit, Ausführung, Ausgang, Freistellung aus der Haft, Freistellung von der Arbeitspflicht oder sonstige nicht von ihnen zu vertretende Gründe an der Arbeitsleistung gehindert sind, wird die Frist nach Satz 1 gehemmt. Beschäftigungszeiträume von weniger als zwei Monaten bleiben unberücksichtigt.
(7) Gefangene können beantragen, dass die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 in Form von Freistellung aus der Haft (Arbeitsfreistellung) gewährt wird. § 9 Abs. 1, 3 und 4 sowie die §§ 11 und 12 gelten entsprechend.
(8) § 48 Abs. 3 gilt entsprechend.
(9) Stellt die oder der Gefangene keinen Antrag nach Absatz 6 Satz 1 oder Absatz 7 Satz 1 oder kann die Freistellung nach Maßgabe der Regelung des Absatzes 7 Satz 2 nicht gewährt werden, so wird die Freistellung nach Absatz 6 Satz 1 von der Justizvollzugsanstalt auf den Entlassungszeitpunkt der oder des Gefangenen angerechnet.
(10) Eine Anrechnung nach Absatz 9 ist ausgeschlossen,
1.
soweit eine lebenslange Freiheitsstrafe oder Sicherungsverwahrung verbüßt wird und ein Entlassungszeitpunkt noch nicht bestimmt ist,
2.
bei einer Aussetzung der Vollstreckung des Rests einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung, soweit wegen des von der Entscheidung des Gerichts bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist,
3.
wenn dies vom Gericht angeordnet wird, weil bei einer Aussetzung des Rests einer Freiheitsstrafe oder einer Sicherungsverwahrung zur Bewährung die Lebensverhältnisse der oder des Gefangenen oder die Wirkungen, die von der Aussetzung für sie oder ihn zu erwarten sind, die Vollstreckung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfordern,
4.
wenn nach § 456 a Abs. 1 StPO von der Vollstreckung abgesehen wird,
5.
bei Entlassung der oder des Gefangenen aus der Haft im Gnadenweg, soweit wegen des von der Gnadenentscheidung bis zur Entlassung verbleibenden Zeitraums eine Anrechnung nicht mehr möglich ist.
(11) Soweit eine Anrechnung nach Absatz 10 ausgeschlossen ist, erhalten die Gefangenen bei der Entlassung für ihre Tätigkeit nach Absatz 2 als Ausgleichsentschädigung zusätzlich 15 Prozent des ihnen nach Absatz 2 und 3 gewährten Entgelts oder der Ausbildungsbeihilfe. Der Anspruch entsteht erst mit der Entlassung; vor der Entlassung ist der Anspruch nicht verzinslich, nicht abtretbar und nicht vererblich. Gefangenen, bei denen eine Anrechnung nach Absatz 10 Nr. 1 ausgeschlossen ist, wird die Ausgleichszahlung bereits nach Verbüßung von jeweils zehn Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe oder der Sicherungsverwahrung zum Eigengeld gutgeschrieben, soweit sie nicht vor diesem Zeitpunkt entlassen werden; § 57
Abs. 4 StGB gilt entsprechend.

§ 50 Ausbildungsbeihilfe

(1) Nehmen Gefangene an einer Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung oder an einem Unterricht teil und sind sie zu diesem Zweck von der Arbeitspflicht freigestellt, so erhalten sie eine Ausbildungsbeihilfe, soweit ihnen keine Leistungen zum Lebensunterhalt zustehen, die freien Personen aus solchem Anlass gewährt werden. Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2
Abs. 2 des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch wird nicht berührt.
(2) Für die Bemessung der Ausbildungsbeihilfe gilt § 49 Abs. 2 und 3 entsprechend.
(3) Werden Maßnahmen nach Absatz 1 stunden- oder tageweise durchgeführt, erhalten die Gefangenen eine Ausbildungsbeihilfe in Höhe des ihnen dadurch entgehenden Arbeitsentgelts.

Abschnitt 9 Gelder, Haftkosten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge

§ 51 Haftkostenbeitrag

(1) Als Teil der Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolgen einer Tat (§ 464 a
Abs. 1 Satz 2 StPO) erhebt die Justizvollzugsanstalt einen Haftkostenbeitrag, wenn Gefangene
1.
in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen,
2.
sich selbst beschäftigen oder 3.
während eines zusammenhängenden Zeitraums von mehr als einem Monat keine Bezüge nach diesem Gesetz erhalten und auf diese Zeit fallende Einkünfte erzielen. Die Gefangenen haben den Haftkostenbeitrag für diese Zeit bis zur Höhe der auf sie entfallenden Einkünfte zu entrichten.
Der oder dem Gefangenen muss ein Betrag verbleiben, der dem mittleren Arbeitsentgelt in den Justizvollzugsanstalten des Landes entspricht, es sei denn, sie oder er arbeitet im Fall des Satzes 1 Nr. 3 entgegen einer bestehenden Pflicht schuldhaft nicht. Von der Geltendmachung des Anspruchs ist abzusehen, soweit dies notwendig ist, um die Wiedereingliederung der oder des Gefangenen in die Gemeinschaft nicht zu gefährden.
(2) Der Haftkostenbeitrag wird in Höhe des Betrags erhoben, der nach § 17
Abs. 1 Nr. 4 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch durchschnittlich zum 1. Oktober des vorhergehenden Jahres zur Bewertung der Sachbezüge festgesetzt ist. Bei Selbstverpflegung entfallen die für die Verpflegung vorgesehenen Beträge. Für den Wert der Unterkunft ist die festgesetzte Belegungsfähigkeit maßgebend. Der Haftkostenbeitrag darf auch von dem unpfändbaren Teil der Bezüge, nicht aber zu Lasten des Hausgelds und der Ansprüche unterhaltsberechtigter Angehöriger angesetzt werden.
(3) Die Gefangenen haben über ihre Einkünfte Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Ermittlung des Haftkostenbeitrags erforderlich ist. Die Angaben der Gefangenen dürfen abweichend von §§ 34 bis 45 des Ersten Buchs nur zur Ermittlung des Haftkostenbeitrags verarbeitet werden.
(4) Die Selbstbeschäftigung kann davon abhängig gemacht werden, dass Gefangene einen Haftkostenbeitrag bis zur Höhe des in Absatz 2 genannten Satzes monatlich im Voraus entrichten.

§ 52 Überbrückungsgeld

(1) Aus den in diesem Gesetz geregelten Bezügen und aus den Bezügen der Gefangenen, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen, ist ein Überbrückungsgeld zu bilden, das den notwendigen Lebensunterhalt der Gefangenen und ihrer Unterhaltsberechtigten in den ersten vier Wochen nach der Entlassung sichern soll.
(2) Das Überbrückungsgeld wird den Gefangenen bei der Entlassung in die Freiheit ausbezahlt. Die Justizvollzugsanstalt kann es ganz oder zum Teil der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheiden, wie das Geld innerhalb der ersten vier Wochen nach der Entlassung an die Entlassenen ausbezahlt wird. Die Bewährungshilfe und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, das Überbrückungsgeld von ihrem Vermögen gesondert zu halten. Mit Zustimmung der Gefangenen kann das Überbrückungsgeld auch an Unterhaltsberechtigte überwiesen werden.
(3) Das Überbrückungsgeld kann für Ausgaben in Anspruch genommen werden, die der Eingliederung der Gefangenen dienen. Die Anstaltsleitung kann Gefangenen die Inanspruchnahme von Überbrückungsgeld darüber hinaus zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafe oder zur Entschädigung von Opfern der Straftaten der Gefangenen gestatten, soweit der Zweck nach Absatz 1 dadurch nicht gefährdet wird.
(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Überbrückungsgelds ist unpfändbar. Erreicht es nicht die in Absatz 1 bestimmte Höhe, so ist in Höhe des Unterschiedsbetrags auch der Anspruch auf Auszahlung des Eigengelds unpfändbar. Bargeld entlassener Gefangener, an die wegen der nach Satz 1 oder Satz 2 unpfändbaren Ansprüche Geld ausgezahlt worden ist, ist für die Dauer von vier Wochen seit der Entlassung insoweit der Pfändung nicht unterworfen, als es dem Teil der Ansprüche für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf der vier Wochen entspricht.
(5) Absatz 4 gilt nicht bei einer Pfändung wegen der in § 850 d
Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) bezeichneten Unterhaltsansprüche. Entlassenen Gefangenen ist jedoch so viel zu belassen, als sie für ihren notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung ihrer sonstigen gesetzlichen Unterhaltspflichten für die Zeit von der Pfändung bis zum Ablauf von vier Wochen seit der Entlassung bedürfen.

§ 53 Taschen-, Haus- und Eigengeld

(1) Gefangene, die ohne Verschulden kein Arbeitsentgelt und keine Ausbildungsbeihilfe erhalten, wird ein angemessenes Taschengeld gewährt, falls sie bedürftig sind. Nicht verbrauchtes Taschengeld ist bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen.
(2) Gefangene dürfen monatlich drei Siebtel von ihren in diesem Gesetz geregelten Bezügen (Hausgeld) und das Taschengeld nach Absatz 1 für den Einkauf oder anderweitig verwenden.
(3) Bezüge Gefangener, die nicht als Hausgeld, Haftkostenbeitrag oder Überbrückungsgeld in Anspruch genommen werden, sind dem Eigengeld gutzuschreiben.
(4) Für Gefangene, die in einem freien Beschäftigungsverhältnis stehen oder denen gestattet ist, sich selbst zu beschäftigen, wird aus ihren Bezügen ein angemessenes Hausgeld festgesetzt.

§ 54 Sondergeld

(1) Für Gefangene kann monatlich ein Betrag in angemessener Höhe einbezahlt werden, der als Sondergeld gutzuschreiben ist und wie Hausgeld genutzt werden kann.
(2) Über Absatz 1 hinaus kann Sondergeld in angemessener Höhe für folgende Zwecke eingezahlt werden:
1.
Maßnahmen der Eingliederung, insbesondere Kosten der Gesundheitsfürsorge und der Aus- und Fortbildung, und
2.
Maßnahmen zur Pflege sozialer Beziehungen, insbesondere Telefonkosten und Fahrtkosten anlässlich vollzugsöffnender Maßnahmen.
(3) Soweit das Guthaben des Sondergelds nach Absatz 1 die Summe von drei Monatseinzahlungen übersteigt, ist es dem Überbrückungsgeld zuzuführen. Ist bereits ein Überbrückungsgeld in angemessener Höhe gebildet, ist das Guthaben dem Eigengeld zuzuschreiben. Sondergeld im Sinne von Absatz 2 ist dem Eigengeld zuzuschreiben, wenn es zum bezeichneten Zweck nicht eingesetzt werden kann und eine Rückerstattung an die Einzahler nicht möglich ist.
(4) Der Anspruch auf Auszahlung des Sondergelds nach Absatz 1 und 2 ist unpfändbar.

§ 55 Rechtsverordnung

Das Justizministerium wird ermächtigt, zur Durchführung der §§ 49 und 50 im Einvernehmen mit dem Finanzministerium Vergütungsstufen und die Höhe der Vergütung in den einzelnen Vergütungsstufen einschließlich der Gewährung von Zulagen durch Rechtsverordnung zu bestimmen.

§ 56 Einbehaltung von Beitragsteilen

Soweit die Justizvollzugsanstalt Beiträge zur Bundesagentur für Arbeit zu entrichten hat, kann sie von dem Arbeitsentgelt einen Betrag einbehalten, der dem Anteil der oder des Gefangenen am Beitrag entsprechen würde, wenn sie oder er diese Bezüge als Arbeitnehmer erhielte.

Abschnitt 10 Freizeit

§ 57 Allgemeines

Die Gefangenen sind zur Teilnahme und Mitwirkung an Angeboten der Freizeitgestaltung zu motivieren und anzuleiten. Gefangene sollen insbesondere an Unterricht einschließlich Fernunterricht, Lehrgängen und sonstigen Veranstaltungen der Weiterbildung, Freizeitgruppen und Gruppengesprächen teilnehmen und ermutigt werden, den verantwortungsvollen Umgang mit neuen Medien zu erlernen und zu praktizieren sowie eine Bücherei zu benutzen. Angebote zur sportlichen Betätigung, insbesondere während des Aufenthalts im Freien sind vorzuhalten.

§ 58 Besitz von Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung

(1) Gefangene dürfen in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Die Angemessenheit des Umfangs kann auch an der in der Justizvollzugsanstalt verfügbaren Kapazität für Haftraumkontrollen und am Wert eines Gegenstands ausgerichtet werden.
(2) Absatz 1 Satz 1 gilt nicht, wenn der Besitz, die Überlassung oder die Benutzung eines Gegenstands
1.
mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre, 2.
das Ziel des Vollzugs oder die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährden würde oder
3.
die Überprüfung des Gegenstands auf eine mögliche missbräuchliche Verwendung mit vertretbarem Aufwand von der Justizvollzugsanstalt nicht leistbar wäre.
(3) Die Zulassung von bestimmten Gerätetypen, insbesondere der elektronischen Unterhaltungsmedien, durch die Justizvollzugsanstalt kann der Zustimmung der Aufsichtsbehörde vorbehalten sein. Die Aufsichtsbehörde kann allgemeine Richtlinien für die Gerätebeschaffenheit erlassen. Eine ohne Zustimmung nach Satz 1 erfolgte Zulassung kann zurückgenommen werden.
(4) Die Erlaubnis kann unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 widerrufen werden.

§ 59 Hörfunk und Fernsehen

(1) Der Besitz von Hörfunk- und Fernsehgeräten ist nach Maßgabe von § 58 zulässig.
(2) Die Justizvollzugsanstalt kann den Betrieb von Empfangsanlagen und die Ausgabe von Hörfunk- und Fernsehgeräten einem Dritten übertragen. Sofern sie hiervon Gebrauch macht, können Gefangene nicht den Besitz eigener Geräte verlangen.
(3) Die Justizvollzugsanstalt entscheidet über die Einspeisung einzelner Rundfunk- und Fernsehprogramme in die Empfangsanlage. Vor der Entscheidung soll die Gefangenenmitverantwortung gehört werden.
(4) Der Empfang von Bezahlfernsehen und der Einsatz von zusätzlichen Empfangseinrichtungen im Haftraum sind nicht statthaft.

§ 60 Zeitungen und Zeitschriften

Gefangene dürfen Zeitungen und Zeitschriften in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Justizvollzugsanstalt beziehen. § 58 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 4 gilt entsprechend.

Abschnitt 11 Sicherheit und Ordnung

§ 61 Grundsatz

(1) Das Verantwortungsbewusstsein der Gefangenen für ein geordnetes Zusammenleben in der Justizvollzugsanstalt ist zu wecken und zu fördern.
(2) Die Pflichten und Beschränkungen, die Gefangenen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt auferlegt werden, sind so zu wählen, dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Gefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen.

§ 62 Verhaltensvorschriften

(1) Die Gefangenen haben sich nach der Tageseinteilung der Justizvollzugsanstalt (Arbeitszeit, Freizeit, Ruhezeit) zu richten. Sie dürfen durch ihr Verhalten gegenüber Vollzugsbediensteten, Mitgefangenen und anderen Personen das geordnete Zusammenleben nicht stören.
(2) Die Gefangenen haben die Anordnungen der Vollzugsbediensteten zu befolgen, auch wenn sie sich durch sie beschwert fühlen. Einen ihnen zugewiesenen Bereich dürfen sie nicht ohne Erlaubnis verlassen.
(3) Die Gefangenen haben ihren Haftraum und die ihnen von der Justizvollzugsanstalt überlassenen Sachen in Ordnung zu halten und schonend zu behandeln.
(4) Die Gefangenen haben Umstände, die eine Gefahr für das Leben oder eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit einer Person bedeuten, unverzüglich zu melden.

§ 63 Persönlicher Gewahrsam und Eigengeld

(1) Die Gefangenen dürfen nur Sachen in Gewahrsam haben oder annehmen, die ihnen von der Justizvollzugsanstalt, in der sie untergebracht sind, oder mit deren Zustimmung überlassen werden. Ohne Zustimmung dürfen sie Sachen weder abgeben noch annehmen, außer solche von geringem Wert. Die Justizvollzugsanstalt kann die Abgabe, Annahme und den Gewahrsam auch dieser Sachen von ihrer Zustimmung abhängig machen.
(2) Eingebrachte Sachen, die die Gefangenen nicht in Gewahrsam haben dürfen, sind für sie aufzubewahren, sofern dies nach Art und Umfang möglich ist. Eingebrachtes Geld wird als Eigengeld gutgeschrieben. Den Gefangenen wird Gelegenheit gegeben, ihre Sachen, die sie während des Vollzugs und für die Entlassung nicht benötigen, abzusenden oder über das Eigengeld zu verfügen, soweit dieses nicht als Überbrückungsgeld notwendig ist.
(3) Weigern sich Gefangene, eingebrachte Gegenstände, deren Aufbewahrung nach Art oder Umfang nicht möglich ist, aus der Justizvollzugsanstalt zu verbringen, so ist die Justizvollzugsanstalt berechtigt, diese auf Kosten der oder des Gefangenen entfernen zu lassen.
(4) Aufzeichnungen und andere Gegenstände, die Kenntnisse über Sicherungsvorkehrungen einer Justizvollzugsanstalt vermitteln, dürfen vernichtet oder unbrauchbar gemacht werden.

§ 64 Durchsuchung und Kontrollen auf Suchtmittelmissbrauch

(1) Gefangene, ihre Sachen und die Hafträume dürfen durchsucht werden. Die Durchsuchung männlicher Gefangener darf nur von Männern, die Durchsuchung weiblicher Gefangener darf nur von Frauen vorgenommen werden; dies gilt nicht für das Absuchen der Gefangenen mit technischen Mitteln oder mit sonstigen Hilfsmitteln. Das Schamgefühl ist zu schonen.
(2) Nur auf Anordnung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters oder bei Gefahr im Verzug ist es im Einzelfall zulässig, eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung vorzunehmen. Sie darf bei männlichen Gefangenen nur in Gegenwart von Männern, bei weiblichen Gefangenen nur in Gegenwart von Frauen erfolgen. Sie ist in einem geschlossenen Raum durchzuführen. Andere Gefangene dürfen nicht anwesend sein.
(3) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann allgemein anordnen, dass Gefangene bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchern und nach jeder Abwesenheit von der Justizvollzugsanstalt nach Absatz 2 durchsucht werden können.
(4) Gefangene können Suchtmittelkontrollen unterzogen werden, wenn der Verdacht besteht, dass sie Suchtmittel besitzen oder konsumieren. Eine Suchtmittelkontrolle kann auch allgemein angeordnet werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt, zur Erfüllung des Eingliederungsauftrags oder zur Gesundheitsvorsorge geboten ist. Die ergriffenen Maßnahmen dürfen nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sein. Bei Gefangenen, die die Mitwirkung an der Durchführung der Kontrolle verweigern, ist in der Regel davon auszugehen, dass Suchtmittelfreiheit nicht gegeben ist.

§ 65 (aufgehoben)

§ 66 Festnahmerecht

Gefangene, die entwichen sind oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhalten, können durch die Justizvollzugsanstalt oder auf ihre Veranlassung hin festgenommen und in die Justizvollzugsanstalt zurückgebracht werden, solange ein unmittelbarer Bezug zum Strafvollzug besteht.

§ 67 Besondere Sicherungsmaßnahmen

(1) Gegen Gefangene können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach ihrem Verhalten oder auf Grund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maß die Gefahr der Flucht, von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht.
(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig
1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung, auch mit technischen Hilfsmitteln,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen, 4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung und die Fixierung.
(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.
(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 Fluchtgefahr besteht.
(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, wie es ihr Zweck erfordert.

§ 68 Einzelhaft

(1) Die unausgesetzte Absonderung Gefangener ist nur zulässig, wenn dies aus Gründen, die in der Person der oder des Gefangenen liegen, unerlässlich ist.
(2) Einzelhaft von mehr als drei Monaten Gesamtdauer in einem Jahr bedarf der Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Diese Frist wird nicht dadurch unterbrochen, dass Gefangene am Gottesdienst oder am gemeinschaftlichen Aufenthalt im Freien teilnehmen.

§ 69 Fesselung und Fixierung

(1) In der Regel dürfen Fesseln nur an den Händen, an den Füßen oder an den Händen und den Füßen angelegt werden. Im Interesse der oder des Gefangenen kann eine andere Art der Fesselung angeordnet werden. Die Fesselung wird zeitweise gelockert oder aufgehoben, soweit dies notwendig ist.
(2) Eine Fesselung, durch die die Bewegungsfreiheit der oder des Gefangenen weitgehend oder vollständig aufgehoben wird (Fixierung), ist nur zulässig, wenn und solange eine gegenwärtige erhebliche Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht und die Fixierung zur Abwehr dieser Gefahr unerlässlich ist. Bei Fixierungen ist insbesondere eine ständige und unmittelbare Überwachung sicherzustellen. Anordnung, Gründe, Dauer und Art der Überwachung sowie Beendigung der Fixierung sind zu dokumentieren. Nach Beendigung der Fixierung ist, sobald es der Zustand der oder des Gefangenen zulässt, eine zu dokumentierende Nachbesprechung durchzuführen, in der insbesondere die Gründe für die Fixierung zu nennen sind. Nach Beendigung der Fixierung sind die Gefangenen darüber zu belehren, dass sie die Zulässigkeit der durchgeführten Fixierung gerichtlich überprüfen lassen können. Für die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Fixierung insbesondere der richterlichen Entscheidung gilt § 80 Absatz 3 entsprechend.

§ 70 Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen

(1) Besondere Sicherungsmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei Gefahr im Verzug können auch andere Bedienstete der Justizvollzugsanstalt diese Maßnahmen vorläufig anordnen. Die Entscheidung der Anstaltsleiterin oder des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen.
(2) Werden Gefangene ärztlich behandelt oder beobachtet oder bildet ihr seelischer Zustand den Anlass der Maßnahme, ist vor der Anordnung besonderer Sicherungsmaßnahmen die Ärztin oder der Arzt zu hören. Ist dies wegen Gefahr im Verzug nicht möglich, wird die Stellungnahme unverzüglich eingeholt.

§ 71 Ärztliche Überwachung

(1) Sind Gefangene in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht, gefesselt oder fixiert, sucht sie die Ärztin oder der Arzt alsbald und in der Folge möglichst täglich auf. Dies gilt nicht bei einer Fesselung während einer Ausführung, Vorführung oder eines Transports.
(2) Solange Gefangenen der tägliche Aufenthalt im Freien entzogen wird, ist in regelmäßigen Abständen eine ärztliche Stellungnahme einzuholen.

§ 72 Ersatz von Aufwendungen

(1) Gefangene sind verpflichtet, der Justizvollzugsanstalt Aufwendungen zu ersetzen, die sie durch eine vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Selbstverletzung oder Verletzung anderer Gefangener verursacht haben. Ansprüche aus sonstigen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.
(2) Die Justizvollzugsanstalt kann bei der Geltendmachung von Forderungen nach Absatz 1 oder wegen einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verletzung fremden Eigentums durch Gefangene auch einen den dreifachen Tagessatz der Eckvergütung nach § 49 Abs. 2 übersteigenden Teil des Hausgelds in Anspruch nehmen.
(3) Für die in Absatz 1 genannten Forderungen ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(4) Von der Aufrechnung oder Vollstreckung wegen der in Absatz 1 und 2 genannten Forderungen ist abzusehen, wenn hierdurch die Behandlung der oder des Gefangenen oder ihre Eingliederung behindert würde.

Abschnitt 12 Unmittelbarer Zwang

§ 73 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete der Justizvollzugsanstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.
(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es, auch mittels technischer Geräte, unternehmen, Gefangene zu befreien, in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, unbefugt Gegenstände in den Anstaltsbereich einzubringen, oder wenn sie sich unbefugt im Anstaltsbereich aufhalten; das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs gegen Sachen wird hierdurch nicht eingeschränkt.
(3) Das Recht zur Anwendung unmittelbaren Zwangs auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt.

§ 74 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.
(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.
(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind namentlich Fesseln.
(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

§ 75 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.
(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

§ 76 Handeln auf Anordnung

(1) Wird unmittelbarer Zwang von Vorgesetzten oder sonst befugten Personen angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.
(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.
(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Vollzugsbediensteten der anordnenden Person gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an Vorgesetzte sind nicht anzuwenden.

§ 77 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

§ 78 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.
(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.
(3) Gegen Personen dürfen Schusswaffen nur gebraucht werden, um sie angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Der Gebrauch ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

§ 79 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,
1.
wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
2.
wenn sie eine Meuterei (§ 121 StGB) unternehmen oder
3.
um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen.
Um die Flucht aus einer Einrichtung des offenen Vollzugs zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.
(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Justizvollzugsanstalt einzudringen.

§ 80 Zwangsmaßnahmen in der Gesundheitsfürsorge

(1) Medizinische Untersuchung, Behandlung und Ernährung sowie eine in diesem Zusammenhang erforderliche Fixierung sind gegen den natürlichen Willen der Gefangenen nur zulässig, soweit sie dazu dienen, eine Lebensgefahr oder eine gegenwärtige erhebliche Gefahr für die Gesundheit
1.
der oder des Gefangenen oder 2.
dritter Personen
abzuwenden. Maßnahmen nach Satz 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn
1.
eine Ärztin oder ein Arzt die Gefangenen zuvor, soweit möglich, angemessen aufgeklärt und sie auch über die Gründe, Art, Umfang und Dauer der Maßnahme informiert hat,
2.
eine Ärztin oder ein Arzt erfolglos versucht hat, die auf Vertrauen begründete Zustimmung der Gefangenen zu erreichen,
3.
die Maßnahme Erfolg verspricht und als letztes Mittel eingesetzt wird, wenn mildere Mittel, insbesondere eine weniger eingreifende Behandlung, aussichtslos sind und
4.
die mit der Maßnahme für den Gefangenen verbundenen Belastungen nicht zu dem erwartbaren Nutzen außer Verhältnis steht und der erwartbare Nutzen mögliche Schäden der Nichtbehandlung deutlich feststellbar überwiegt.
Maßnahmen nach Satz 1 Nummer 1 sind darüber hinaus nur zulässig, wenn die oder der Gefangene zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln nach dieser Einsicht krankheitsbedingt nicht in der Lage ist.
(2) Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 dürfen nur auf ärztliche Anordnung und unter ärztlicher Überwachung durchgeführt werden. Bei Fixierungen ist insbesondere eine ständige und unmittelbare Überwachung sicherzustellen. Die Maßnahmen sind zu dokumentieren, einschließlich ihres Zwangscharakters, ihrer Durchsetzungsweise, ihrer maßgeblichen Gründe, der Dauer und Art der Überwachung sowie der Wirkungsüberwachung. Die Maßnahmen sind unverzüglich aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung weggefallen sind. Eine zu dokumentierende Nachbesprechung durch die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, in der insbesondere die Gründe für die Maßnahme zu nennen sind, muss erfolgen, sobald es der Gesundheitszustand zulässt. Nach Beendigung der Maßnahmen nach Absatz 1 sind die Gefangenen darüber zu belehren, dass sie die Zulässigkeit der durchgeführten Maßnahmen gerichtlich überprüfen lassen können.
(3) Eine Maßnahme nach Absatz 1 ist auf Antrag der Justizvollzugsanstalt nur mit vorheriger richterlicher Entscheidung zulässig. Dies gilt nicht, wenn hierdurch die Behandlung verzögert würde und sich hieraus Nachteile für das Leben oder die Gesundheit der gefährdeten Person ergeben würden (Gefahr im Verzug). Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich nachträglich einzuholen. Eine nachträgliche richterliche Entscheidung ist nicht erforderlich, wenn bereits zu Beginn der Maßnahme abzusehen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes der Maßnahme ergehen wird, oder die Maßnahme vor Herbeiführung der Entscheidung tatsächlich beendet und auch keine Wiederholung zu erwarten ist. Handelt es sich um eine lediglich kurzfristige Fixierung, die absehbar die Dauer von einer halben Stunde unterschreitet, ist eine richterliche Entscheidung nicht erforderlich. §§121a, 121b
des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) gelten entsprechend.
(4) Zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes und der Hygiene ist die zwangsweise körperliche Untersuchung der Gefangenen über Absatz 1 hinaus zulässig, wenn sie nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist. Duldungspflichten der Gefangenen nach Vorschriften anderer Gesetze bleiben unberührt.

Abschnitt 13 Disziplinarmaßnahmen

§ 81 Voraussetzungen

(1) Verstoßen Gefangene schuldhaft gegen Pflichten, die ihnen durch dieses Gesetz oder auf Grund dieses Gesetzes auferlegt sind, können gegen sie möglichst in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Pflichtverletzung Disziplinarmaßnahmen angeordnet werden.
(2) Von einer Disziplinarmaßnahme wird abgesehen, wenn es genügt, Gefangene zu verwarnen.
(3) Eine Disziplinarmaßnahme ist auch zulässig, wenn wegen derselben Verfehlung ein Straf- oder Bußgeldverfahren eingeleitet wird.

§ 82 Arten der Disziplinarmaßnahmen

(1) Die zulässigen Disziplinarmaßnahmen sind: 1.
Verweis, 2.
die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld, das Sondergeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten,
3.
die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,
4.
die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit oder der Teilnahme an gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten,
5.
die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen,
6.
der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge,
7.
Arrest bis zu vier Wochen.
(2) Arrest darf nur wegen schwerer oder mehrfach wiederholter Verfehlungen verhängt werden.
(3) Mehrere Disziplinarmaßnahmen können miteinander verbunden werden.

§ 83 Vollstreckung und Vollzug der Disziplinarmaßnahmen

(1) Disziplinarmaßnahmen werden in der Regel sofort vollstreckt.
(2) Eine Disziplinarmaßnahme kann ganz oder teilweise bis zu sechs Monaten zur Bewährung ausgesetzt werden.
(3) Wird die Verfügung über das Haus- oder Sondergeld beschränkt oder entzogen, ist das in dieser Zeit anfallende Geld dem Überbrückungsgeld hinzuzurechnen.
(4) Arrest wird in Einzelhaft vollzogen. Die Gefangenen können in einem besonderen Arrestraum untergebracht werden, der den Anforderungen entsprechen muss, die an einen zum Aufenthalt bei Tag und Nacht bestimmten Haftraum gestellt werden. Soweit nichts anderes angeordnet wird, ruhen die Befugnisse der Gefangenen aus §§ 15 und 16 Abs. 2 sowie den §§ 18, 42, 43 und 57 bis 60.

§ 84 Disziplinarbefugnis

(1) Disziplinarmaßnahmen ordnet die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter an. Bei einer Verfehlung auf dem Weg in eine andere Justizvollzugsanstalt zum Zweck der Verlegung ist die Leiterin oder der Leiter der Bestimmungsanstalt zuständig. Die Befugnis, Disziplinarmaßnahmen nach § 82 anzuordnen, kann nur auf Mitglieder der Anstalts- oder Vollzugsabteilungsleitung übertragen werden.
(2) Die Aufsichtsbehörde entscheidet, wenn sich Verfehlungen von Gefangenen gegen die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter richten.
(3) Disziplinarmaßnahmen, die gegen Gefangene in einer anderen Justizvollzugsanstalt oder während einer Untersuchungshaft angeordnet worden sind, werden auf Ersuchen vollstreckt, soweit sie nicht zur Bewährung ausgesetzt sind. § 83 Abs. 2 bleibt unberührt.

§ 85 Disziplinarverfahren

(1) Der Sachverhalt ist zu klären. Die oder der Gefangene wird gehört. Die Erhebungen werden in einer Niederschrift festgelegt; die Einlassung der oder des Gefangenen wird vermerkt.
(2) Bei schweren Verstößen soll sich die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter vor der Entscheidung mit Personen besprechen, die bei der Behandlung der oder des Gefangenen mitwirken. Vor der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme gegen Gefangene ist eine Stellungnahme des ärztlichen oder psychologischen Dienstes einzuholen, wenn hierzu begründeter Anlass besteht.
(3) Die Entscheidung wird der oder dem Gefangenen von der Anstaltsleiterin oder dem Anstaltsleiter oder im Falle einer Übertragung der Disziplinarbefugnis nach § 84 Abs. 1 Satz 3 von der beauftragten Person mündlich eröffnet und mit einer kurzen Begründung schriftlich abgefasst.

§ 86 Ärztliche Mitwirkung

(1) Bevor der Arrest vollzogen wird, ist eine ärztliche Stellungnahme einzuholen. Während des Arrests steht die oder der Gefangene unter ärztlicher Aufsicht.
(2) Der Vollzug des Arrests unterbleibt oder wird unterbrochen, wenn die Gesundheit der oder des Gefangenen gefährdet würde.

Abschnitt 14 Entlassungsvorbereitung, Entlassung und Nachsorge

§ 87 Zusammenarbeit mit Dritten

Die Justizvollzugsanstalt arbeitet frühzeitig vor der voraussichtlichen Entlassung einer oder eines Gefangenen mit Institutionen und Personen, namentlich der Bewährungshilfe, zusammen, um ihr oder ihm insbesondere Arbeit, eine Wohnung und ein soziales Umfeld für die Zeit nach der Entlassung zu vermitteln und um es zu ermöglichen, eine im Vollzug begonnene Behandlung fortzuführen.

§ 88 Freistellung aus der Haft für Freigänger

Gefangenen, die einer regelmäßigen Beschäftigung im Rahmen des Freigangs nachgehen, kann innerhalb von neun Monaten vor der Entlassung Freistellung aus der Haft von bis zu sechs Tagen im Monat gewährt werden. § 9 Abs. 1 und 4 sowie die §§ 11 und 12 gelten entsprechend. § 89 Abs. 3 Satz 1 findet keine Anwendung.

§ 89 Entlassungsvorbereitung

(1) Um die Entlassung vorzubereiten, sollen Gefangenen vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden.
(2) Gefangene können in eine Einrichtung des offenen Vollzugs verlegt werden, wenn dies der Vorbereitung der Entlassung dient.
(3) Innerhalb von drei Monaten vor der Entlassung kann zu deren Vorbereitung Freistellung aus der Haft bis zu einer Woche gewährt werden. § 9 Abs. 1 und 4 sowie die §§ 11 und 12 gelten entsprechend.
(4) Die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter kann Gefangenen in einer sozialtherapeutischen Einrichtung oder Gefangenen, die während des laufenden Freiheitsentzugs in einer sozialtherapeutischen Einrichtung behandelt worden sind, zur Vorbereitung der Entlassung Freistellung aus der Haft von bis zu sechs Monaten gewähren. Bei Vorliegen besonderer Gründe kann die Freistellung durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter um weitere bis zu sechs Monate verlängert werden. § 9 Abs. 1 und 4 sowie die §§ 11 und 12 gelten entsprechend; Absatz 3 Satz 1 und § 88 finden keine Anwendung. Gefangene können insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Justizvollzugsanstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen und jeweils für kurze Zeit in die Justizvollzugsanstalt zurückzukehren. Die Freistellung aus der Haft wird widerrufen, wenn dies für die Behandlung der oder des Gefangenen notwendig ist.

§ 90 Entlassungsbeihilfe

(1) Gefangene erhalten, soweit ihre eigenen Mittel nicht ausreichen, bei ihrer Entlassung aus der Haft von der Justizvollzugsanstalt eine Beihilfe zu den Reisekosten sowie erforderlichenfalls ausreichende Kleidung. Bedürftige Gefangene erhalten darüber hinaus eine Beihilfe, die sie in die Lage versetzt, ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe ihren notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten, bis sie ihn voraussichtlich anderweitig decken können. Die Justizvollzugsanstalt kann die Überbrückungsbeihilfe ganz oder teilweise der Bewährungshilfe oder einer mit der Entlassenenbetreuung befassten Stelle überweisen, die darüber entscheidet, wie das Geld nach der Entlassung an die Gefangenen ausbezahlt wird. Die Bewährungshilfe und die mit der Entlassenenbetreuung befasste Stelle sind verpflichtet, die Überbrückungsbeihilfe von ihrem Vermögen gesondert zu halten.
(2) Der Anspruch auf Beihilfe zu den Reisekosten und die ausgezahlte Reisebeihilfe sind unpfändbar. Für den Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe und für Bargeld nach Auszahlung einer Überbrückungsbeihilfe an Gefangene gilt § 52 Abs. 4 Satz 1 und 3 und Abs. 5 entsprechend.

§ 91 Entlassungszeitpunkt

(1) Gefangene sind am letzten Tag der Strafzeit möglichst frühzeitig zu entlassen.
(2) Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu fünf Tage vorverlegt werden, wenn dringende Gründe dafür vorliegen, dass die oder der Gefangene zu ihrer oder seiner Eingliederung hierauf angewiesen ist. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn der Entlassungszeitpunkt auf ein Wochenende oder auf einen gesetzlichen Feiertag fällt. Die Vorverlegung des Entlassungszeitpunkts muss im Hinblick auf die Länge der Strafzeit vertretbar sein.

Abschnitt 15 Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerderecht und Rechtsbehelfe

§ 91a Aufhebung von Maßnahmen

(1) Die Aufhebung von Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzugs der Freiheitsstrafe richtet sich nach den nachfolgenden Absätzen, soweit dieses Gesetz keine abweichende Bestimmung enthält.
(2) Rechtswidrige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(3) Rechtmäßige Maßnahmen können ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn
1.
aufgrund nachträglich eingetretener oder bekannt gewordener Umstände die Maßnahmen hätten unterbleiben können,
2.
die Maßnahmen missbraucht werden oder 3.
erteilte Weisungen nicht befolgt werden.
(4) Begünstigende Maßnahmen dürfen nach Absatz 2 oder 3 nur zurückgenommen oder widerrufen werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Belastende rechtswidrige Maßnahmen sind aufzuheben, soweit hierdurch das Leben oder die Gesundheit einer Person oder die Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht gefährdet wird.

§ 92 Beschwerderecht

(1) Die Gefangenen haben das Recht, sich mit Wünschen, Anregungen und Beschwerden in Angelegenheiten, die sie selbst betreffen, an die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter zu wenden. Regelmäßige Sprechstunden sind einzurichten.
(2) Besichtigen Vertreter der Aufsichtsbehörde die Justizvollzugsanstalt, so ist zu gewährleisten, dass die Gefangenen sich in sie selbst betreffenden Angelegenheiten an diese wenden können.
(3) Die Möglichkeit der Dienstaufsichtsbeschwerde bleibt unberührt. Eingaben, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden, die nach Form oder Inhalt nicht den im Verkehr mit Behörden üblichen Anforderungen entsprechen oder bloße Wiederholungen enthalten, brauchen nicht beschieden zu werden. Die Gefangenen sind entsprechend zu unterrichten. Eine Überprüfung des Vorbringens von Amts wegen bleibt unberührt.

§ 93 Rechtsbehelfe

Die §§ 109 bis 121b StVollzG, auch in Verbindung mit § 130
StVollzG über das gerichtliche Verfahren, bleiben unberührt.

Abschnitt 16 Sozialtherapeutische Einrichtungen

§ 94 Sozialtherapeutische Einrichtungen

Für den Vollzug nach § 8 sind sozialtherapeutische Anstalten oder Abteilungen (sozialtherapeutische Einrichtungen) vorzusehen.

§ 95 Nachgehende Betreuung

Die Justizvollzugsanstalten können entlassenen und während des Freiheitsentzugs sozialtherapeutisch behandelten Gefangenen auf Antrag Hilfestellung gewähren und die im Vollzug begonnene Betreuung vorübergehend fortführen, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt werden kann und der Erfolg der Behandlung gefährdet erscheint.

§ 96 Verbleib und Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Frühere Gefangene der sozialtherapeutischen Einrichtungen können auf ihren Antrag vorübergehend in der sozialtherapeutischen Einrichtung verbleiben oder in der sozialtherapeutischen Einrichtung oder in einer sonstigen Justizvollzugsanstalt wiederaufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Der Verbleib und die Aufnahme sind jederzeit widerruflich.
(2) Gegen verbliebene oder aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden; § 73 Abs. 2 und 3 bleibt unberührt.
(3) Auf ihren Antrag sind die verbliebenen oder aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.
(4) § 51 gilt entsprechend.

Abschnitt 17 Besondere Vorschriften bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung

§ 97 Ziele und Gestaltung des Vollzugs

(1) Bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe nach Maßgabe der Vorschriften dieses Unterabschnitts.
(2) Bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dient der Vollzug der Freiheitsstrafe auch dem Ziel, die Gefährlichkeit der Gefangenen für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Unterbringung oder deren Anordnung möglichst entbehrlich wird.
(3) Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, ist bereits der Vollzug der Freiheitsstrafe therapiegerichtet auszugestalten.
(4) Die Erreichung der Vollzugsziele erfordert die Mitwirkung der Gefangenen. Ihre Bereitschaft hierzu ist fortwährend zu wecken und zu fördern. Die Motivationsmaßnahmen sind zu dokumentieren.

§ 98 Behandlungsuntersuchung

(1) An das Aufnahmeverfahren schließt sich zur Vorbereitung der Vollzugsplanung unverzüglich eine umfassende Behandlungsuntersuchung unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse an.
(2) Die Behandlungsuntersuchung erstreckt sich auf alle Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung der Gefangenen und für die Beurteilung ihrer Gefährlichkeit maßgeblich sind. Im Rahmen der Behandlungsuntersuchung sind insbesondere die Ursachen der Straftaten, die individuellen Risikofaktoren sowie der Behandlungsbedarf, die Behandlungsfähigkeit und die Behandlungsmotivation der Gefangenen festzustellen. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten der Gefangenen ermittelt werden, deren Stärkung ihrer Gefährlichkeit entgegenwirken kann. Erkenntnisse aus vorangegangenen Freiheitsentziehungen sind einzubeziehen.
(3) Bei der Behandlungsuntersuchung wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit dies erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Die Gefangenen wirken an der Behandlungsuntersuchung mit.

§ 99 Vollzugsplan

(1) Aufgrund der Behandlungsuntersuchung wird unverzüglich ein Vollzugsplan erstellt, der die individuellen Behandlungsziele festlegt und die zu ihrer Erreichung geeigneten und erforderlichen Maßnahmen benennt. Der Vollzugsplan enthält mindestens Angaben über
1.
psychiatrische, psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen,
2.
andere Einzel- oder Gruppenbehandlungsmaßnahmen,
3.
Maßnahmen zur Förderung der Behandlungsmotivation,
4.
die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Einrichtung,
5.
die Zuweisung zu Wohngruppen, 6.
Art und Umfang der Beschäftigung, 7.
Maßnahmen zur Gestaltung der Freizeit, 8.
Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen Verhältnisse,
9.
Maßnahmen zur Ordnung der familiären Verhältnisse,
10.
Maßnahmen zur Förderung von Außenkontakten, 11.
Maßnahmen zur Vorbereitung eines sozialen Empfangsraums,
12.
vollzugsöffnende Maßnahmen sowie 13.
Entlassungsvorbereitung und Nachsorge.
(2) Der Vollzugsplan ist fortlaufend auf seine Umsetzung hin zu überprüfen und mit der Entwicklung der Gefangenen sowie mit weiteren für die Behandlung bedeutsamen Erkenntnissen in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen, die sechs Monate nicht übersteigen sollen.
(3) Zur Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplans werden Konferenzen mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durchgeführt. An der Behandlung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sollen in die Planung einbezogen werden; sie können mit Zustimmung der Gefangenen auch an den Konferenzen beteiligt werden.
(4) Der Vollzugsplan wird mit der Billigung durch die Anstaltsleiterin oder den Anstaltsleiter wirksam. Die Aufsichtsbehörde kann sich vorbehalten, dass der Vollzugsplan in bestimmten Fällen erst mit ihrer Zustimmung wirksam wird.
(5) Die Vollzugsplanung wird mit den Gefangenen erörtert. Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Vollzugsplankonferenz abzugeben. Der Vollzugsplan ist ihnen auszuhändigen.

§ 100 Behandlung und Verlegung in eine sozialtherapeutische Einrichtung

(1) Den Gefangenen sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungsmaßnahmen anzubieten. Diese haben wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Soweit standardisierte Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Behandlungsangebote zu entwickeln.
(2) Bei der Behandlung wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit dies erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen. Die Gefangenen wirken an ihrer Behandlung mit. Den Gefangenen sollen Bedienstete als feste Ansprechpartner zur Verfügung stehen.
(3) Ist Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, sind Gefangene bereits während des Vollzugs der Freiheitsstrafe in eine sozialtherapeutische Abteilung oder Anstalt zu verlegen, wenn dies aus behandlerischen Gründen angezeigt ist. Die Verlegung soll zu einem Zeitpunkt erfolgen, der den Abschluss der Behandlung während des Vollzugs der Freiheitsstrafe erwarten lässt.

§ 101 Freistellung aus der Haft zur Vorbereitung der Entlassung

(1) Abweichend von § 89 Absatz 3 Satz 1 kann die Justizvollzugsanstalt den Gefangenen nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde zur Vorbereitung der Entlassung Freistellung aus der Haft bis zu sechs Monaten gewähren. § 9 Absatz 1 und 4 sowie § 12 gelten entsprechend. § 88 findet keine Anwendung.
(2) Den Gefangenen sollen für die Freistellung nach Absatz 1 Weisungen erteilt werden. Sie können insbesondere angewiesen werden, sich einer von der Justizvollzugsanstalt bestimmten Betreuungsperson zu unterstellen, sich an bestimmten Orten oder in bestimmten Einrichtungen außerhalb des Vollzugs aufzuhalten und jeweils für kurze Zeit in die Justizvollzugsanstalt zurückzukehren. Die Freistellung nach Absatz 1 wird widerrufen, wenn dies die Behandlung erfordert.

§ 102 Nachgehende Betreuung

Die Justizvollzugsanstalten können früheren Gefangenen auf Antrag Hilfestellung gewähren und die im Vollzug begonnene Betreuung vorübergehend fortführen, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt werden kann und der Erfolg der Behandlung gefährdet erscheint.

§ 103 Verbleib und Aufnahme auf freiwilliger Grundlage

(1) Frühere Gefangene können auf ihren Antrag vorübergehend in einer Justizvollzugsanstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Der Verbleib und die Aufnahme sind jederzeit widerruflich.
(2) Gegen verbliebene oder aufgenommene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden. § 73 Absatz 2 und 3 bleibt unberührt.
(3) Auf ihren Antrag sind die verbliebenen oder aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.
(4) § 51 gilt entsprechend.

§ 104 (aufgehoben)

§ 105 (aufgehoben)

§ 106 (aufgehoben)

Abschnitt 18 Vollzugsentwicklung und kriminologische Forschung

§ 107 Fortentwicklung des Vollzugs und kriminologische Forschung

(1) Der Strafvollzug ist fortzuentwickeln. Maßnahmen zur Behandlung der Gefangenen sind auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu konzipieren, zu standardisieren und auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.
(2) Der Strafvollzug, insbesondere seine Aufgabenerfüllung und Gestaltung, die Umsetzung seiner Leitlinien und die Behandlungsmaßnahmen sowie deren Wirkungen auf das Vollzugsziel, wird regelmäßig durch den kriminologischen Dienst in Zusammenarbeit mit Hochschulen oder anderen Stellen wissenschaftlich begleitet und erforscht.
(3) In die Untersuchung ist einzubeziehen, ob die Gefangenen nach der Entlassung in der Lage sind, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.
(4) Die Leitung der kriminologischen Forschung obliegt der Aufsichtsbehörde.

Abschnitt 19 Vollzug des Strafarrests

§ 108 Grundsatz

Für den Vollzug des Strafarrests in Justizvollzugsanstalten gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe entsprechend, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist. § 51 findet nur in den Fällen einer in § 45 erwähnten Beschäftigung Anwendung.

§ 109 Unterbringung, Besuche und Schriftwechsel

(1) Eine gemeinsame Unterbringung während der Arbeit, Freizeit und Ruhezeit ist nur mit Einwilligung der Gefangenen zulässig. Dies gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.
(2) Den Gefangenen soll gestattet werden, einmal wöchentlich Besuch zu empfangen.
(3) Besuche und Schriftwechsel dürfen nur untersagt oder überwacht werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Justizvollzugsanstalt notwendig ist.

§ 110 Kleidung, Wäsche und Bettzeug

Gefangene dürfen eigene Kleidung, Wäsche und eigenes Bettzeug benutzen, wenn Gründe der Sicherheit nicht entgegenstehen und die Gefangenen für Reinigung, Instandsetzung und regelmäßigen Wechsel auf eigene Kosten sorgen.

§ 111 Einkauf

Die Gefangenen dürfen Waren in angemessenem Umfang durch Vermittlung der Justizvollzugsanstalt auf eigene Kosten erwerben.

§ 112 Unmittelbarer Zwang

Beim Vollzug des Strafarrests dürfen zur Vereitelung einer Flucht oder zur Wiederergreifung keine Schusswaffen gebraucht werden. Dies gilt nicht, wenn Strafarrest in Unterbrechung einer Untersuchungshaft, einer Strafhaft oder einer Unterbringung im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.
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