StrUBG
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter (Straftäter-Unterbringungsgesetz - StrUBG) Vom 14. März 2001

§ 1 Voraussetzungen

(1) Gegen einen Strafgefangenen, der in einer Justizvollzugsanstalt des Landes unter den Voraussetzungen von § 66 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 bis 4
des Strafgesetzbuches eine zeitige Freiheitsstrafe verbüßt, kann das Gericht die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt anordnen, wenn auf Grund von Tatsachen, die nach der Verurteilung eingetreten sind, davon auszugehen ist, dass von dem Betroffenen eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht, insbesondere weil er im Vollzug der Freiheitsstrafe beharrlich die Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels (§ 2
des Strafvollzugsgesetzes) verweigert, namentlich eine rückfallvermeidende Psycho- oder Sozialtherapie ablehnt oder abbricht.
(2) Die Anordnung unterbleibt, wenn und solange gegen den Betroffenen eine Maßregel der Besserung und Sicherung nach §§ 63 oder 66
des Strafgesetzbuches angeordnet ist oder in einem anhängigen Strafverfahren noch angeordnet werden kann.

§ 2 Dauer

(1) Ist zu erwarten, dass die vom Betroffenen ausgehende Gefahr nach einer bestimmten Zeit nicht mehr besteht, wird die Unterbringung befristet angeordnet.
(2) Andernfalls wird sie unbefristet angeordnet.

§ 3 Zuständigkeit und Verfahren

(1) Zuständig für die Entscheidung über Anordnung, Fortdauer, Aussetzung, Widerruf der Aussetzung und Erledigung der Unterbringung nach diesem Gesetz ist die nach § 462 a Abs. 1 Satz 1
der Strafprozessordnung zuständige Strafvollstreckungskammer in der Besetzung gemäß § 78 b
Abs. 1 Nr. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes.
(2) Für das Verfahren gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend, soweit dieses Gesetz keine abweichende Regelung trifft.
(3) Für das Verfahren auf Anordnung, Fortdauer, Aussetzung, Widerruf der Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung ist dem Betroffenen ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen, wenn er nicht bereits von einem Rechtsanwalt vertreten wird.
(4) Die Entscheidung über Anordnung, Fortdauer, Aussetzung, Widerruf der Aussetzung oder Erledigung der Unterbringung ergeht durch Beschluss. Er ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar.

§ 4 Anordnungsverfahren

(1) Die Unterbringung wird auf schriftlichen Antrag angeordnet. Antragsberechtigt ist die Justizvollzugsanstalt, in die der Betroffene eingewiesen ist. Diese stellt den Antrag auf Unterbringung, wenn sich während des Strafvollzuges Umstände ergeben, die eine Unterbringung rechtfertigen. Im Antrag sind die tatsächlichen Umstände darzustellen, aus denen sich die Notwendigkeit der Unterbringung ergibt. Der Antrag soll unverzüglich gestellt werden, nachdem der Justizvollzugsanstalt die maßgeblichen Umstände bekannt geworden sind, jedoch frühestens zwei Jahre vor dem voraussichtlichen Strafende.
(2) Das Gericht hat alle Umstände zu ermitteln, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Vor der Unterbringung hat das Gericht zur Gefährlichkeit des Betroffenen die Gutachten von zwei Sachverständigen einzuholen. Einer der Sachverständigen darf weder mit der Behandlung des Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt befasst noch regelmäßig in einer Justizvollzugsanstalt beschäftigt sein. Der andere Sachverständige kann ein sachverständiger Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt sein, in die der Betroffene eingewiesen ist.
(3) Das Gericht hat in öffentlicher Verhandlung die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen mit den Verfahrensbeteiligten zu erörtern. Die Sachverständigen sind zu hören. Den Beteiligten ist Gelegenheit zu geben, Fragen zu stellen und Erklärungen abzugeben. Die Entscheidung ist in öffentlicher Verhandlung zu verkünden.

§ 5 Überprüfung, Aussetzung und Erledigung

(1) Das Gericht kann jederzeit prüfen, ob die weitere Vollziehung der Unterbringung erforderlich ist. Es hat dies im Abstand von zwei Jahren zu prüfen. Die Frist läuft vom Beginn der Unterbringung an.
(2) Das Gericht kann eine Frist von höchstens einem Jahr festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Betroffenen auf Prüfung unzulässig ist.
(3) Lehnt das Gericht die Aussetzung der Unterbringung ab, so beginnen die Fristen mit der Entscheidung von neuem.
(4) Ist die weitere Unterbringung nicht mehr erforderlich, setzt das Gericht die Vollziehung für die Dauer von einem Jahr aus. Es kann dem Betroffenen Weisungen nach § 68 b
des Strafgesetzbuches erteilen.
(5) Das Gericht widerruft die Aussetzung, wenn durch das Verhalten des Betroffenen, namentlich durch Verstöße gegen Weisungen, deutlich wird, dass von dem Betroffenen weiterhin eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer ausgeht. Andernfalls erklärt das Gericht die Unterbringung nach Ablauf der Aussetzungsdauer für erledigt.
(6) Vor der Entscheidung über die Fortdauer, die Aussetzung oder den Widerruf der Aussetzung der Unterbringung holt das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zur Gefährlichkeit des Betroffenen ein. § 454 Abs. 2 Sätze 3 bis 7
der Strafprozessordnung gelten entsprechend.

§ 6 Vollzug

Die Unterbringung wird nach Maßgabe des Vollstreckungsplans in einer Justizvollzugsanstalt vollzogen. Für den Vollzug gelten die §§ 129 bis 135
des Strafvollzugsgesetzes entsprechend.

§ 7 Kosten und Gebühren

(1) Für den Antrag der Justizvollzugsanstalt und das gerichtliche Verfahren werden Kosten und Auslagen nicht erhoben.
(2) Der Gebührenanspruch des Beistandes richtet sich nach § 97
der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte.
(3) Die Kosten der Vollziehung einer nach diesem Gesetz angeordneten Unterbringung fallen dem Land zur Last.

§ 8 Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person ( Artikel 2
Abs. 2 des Grundgesetzes), Schutz von Ehe und Familie ( Artikel 6
des Grundgesetzes), Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses ( Artikel 10
des Grundgesetzes), Freizügigkeit ( Artikel 11 des Grundgesetzes) und Unverletzlichkeit der Wohnung ( Artikel 13
des Grundgesetzes) eingeschränkt.

§ 9 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Stuttgart, den 14. März 2001

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Teufel
Dr. Döring
von Trotha
Stratthaus
Müller
Dr. Schavan
Dr. Goll
Dr. Repnik
Dr. Mehrländer
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