PolSäubG BW
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz zur einheitlichen Beendigung der politischen Säuberung Vom 13. Juli 1953

1. Abschnitt Verbesserung der Rechtsstellung

§ 1

(1) Personen, die den ihnen im Säuberungsverfahren auferlegten oder später gemilderten Sühnemaßnahmen nachgekommen sind und die Verfahrenskosten bezahlt haben oder bei denen das Säuberungsverfahren eingestellt wurde, gelten als nicht mehr betroffen im Sinne der Gesetze zur politischen Säuberung. Dies gilt nicht für Personen, die durch eine rechtskräftige Entscheidung in die Gruppe der Hauptschuldigen oder Belasteten (Schuldigen) eingereiht sind oder bis zur Beendigung der Spruchkammertätigkeit eingereiht werden.
(2) Auf Antrag wird über die nach Abs. 1 Satz 1 erlangte Rechtsstellung eine Bescheinigung erteilt.

§ 2

Erlassen sind folgende Sühnemaßnahmen:
Einweisung in ein Arbeitslager,
Heranziehung zur Zwangsarbeit oder Sonderarbeit,
Internierungshaft,
Gefängnisstrafen, die von einer Säuberungsbehörde verhängt sind.

§ 3

(1) Die den Hauptschuldigen und Belasteten (Schuldigen) auferlegten Berufs- und Tätigkeitsbeschränkungen werden, vorbehaltlich der Bestimmungen in den Abs. 3 bis 5, mit Inkrafttreten des Gesetzes aufgehoben. Approbationen, Konzessionen und Privilegien können ihnen wieder verliehen werden.
(2) Belastete (Schuldige) können sich um ein öffentliches Amt einschließlich des Notariats und der Anwaltschaft bewerben.
(3) Vom 1. Mai 1957 ab sind Belastete (Schuldige) wieder wählbar.
(4) Durch die Milderungsmaßnahmen nach den Abs. 1 bis 3 leben frühere Rechte aus einer Verwendung im öffentlichen Dienst nicht wieder auf.
(5) Hauptschuldige sind wahlberechtigt, aber nicht wählbar; sie sind unfähig, ein öffentliches Amt einschließlich des Notariats und der Anwaltschaft zu bekleiden.
(6) Soweit einzelne Sühnemaßnahmen kraft Gesetzes, durch Gnadenerweis oder Verwaltungsanordnung bereits aufgehoben worden sind, hat es hierbei sein Bewenden.

§ 4

Hauptschuldige und Belastete (Schuldige) können im Gnadenweg in eine niedrigere Gruppe umgestuft werden. Ohne Umstufung in eine niedrigere Gruppe können ihnen Rechte, die sie durch ihre Einstufung verloren haben, im Gnadenwege ganz oder teilweise wieder verliehen werden. Die Verbesserung der Rechtsstellung tritt mit dem Tage des Gnadenerweises ein. Eine Rückwirkung ist ausgeschlossen.

§ 5

(1) Hauptschuldigen und Belasteten (Schuldigen), die ihren Anspruch oder ihre Anwartschaft auf Versorgung gegen das Land Baden-Württemberg oder seine Rechtsvorgänger, eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts innerhalb dieses Landes aus politischen Gründen verloren haben, kann eine Unterhaltsbeihilfe im Gnadenwege bewilligt werden.
(2) Die Bewilligung der Unterhaltsbeihilfe setzt voraus, daß der Betroffene dienstunfähig ist oder das 65. Lebensjahr vollendet hat, oder sich in einer unverschuldeten Notlage befindet.
(3) Die Unterhaltsbeihilfe darf den Betrag nicht übersteigen, den der Betroffene als Versorgung im Zeitpunkt seines Ausscheidens erhalten hat oder hätte erhalten können.
(4) Die Bewilligung kann widerrufen werden. Sie ist zu widerrufen, wenn der Empfänger Bestrebungen unterstützt, die sich gegen die demokratische Staatsordnung richten oder wenn er die demokratischen Einrichtungen oder Symbole beschimpft oder verächtlich macht.
(5) Das Gnadengesuch ist beim Staatsministerium einzureichen. Dieses hat die letzte oberste Dienstbehörde des Betroffenen oder die an ihre Stelle getretene oberste Dienstbehörde zu hören. Bei einem Beamten, der einer kommunalen Versorgungskasse angeschlossen ist, hat die oberste Dienstbehörde die Stellungnahme der Versorgungskasse beizufügen.

§ 6

Für die Hinterbliebenen gelten § 4 und § 5 Abs. 1, 3, 4 und 5 entsprechend.

§ 7

Im Säuberungsverfahren angeordnete Beschränkungen im Bezug von Renten, die aus öffentlichen Mitteln gezahlt werden - gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, Renten aus dem Bundesversorgungsgesetz -, entfallen mit dem Ablauf des 31. März 1952. Eine schon vorher für den Rentenbezug getroffene Regelung bleibt bis zu dem genannten Zeitpunkt unberührt.

§ 8

(1) Die Sühnemaßnahmen der vollen oder teilweisen Einziehung des Vermögens oder Nachlasses oder der laufenden Sonderabgaben sind, soweit sie noch nicht vollstreckt sind, auf einen bestimmten Geldbetrag festzusetzen.
(2) Der Geldbetrag beträgt bei Belasteten (Schuldigen) 300 DM bis 6000 DM, bei Einziehung des Nachlasses die Hälfte dieser Beträge.
(3) Die Umstellung gemäß Abs. 1 und 2 ist bis zum 31. Oktober 1953 durchzuführen.

§ 9

(1) Die durch Spruchkammerentscheidung auferlegten Sühnegelder zuzüglich der Verfahrenskosten werden von Personen, die nicht in die Gruppe der Hauptschuldigen und Belasteten (Schuldigen) eingereiht worden sind, nur zu dem Betrag eingezogen, der insgesamt 2000 DM übersteigt.
(2) Sinngemäß werden im Regierungsbezirk Südbaden auch die Beiträge für die Vermögensverwaltung (bad. Landesgesetz über die Erhebung von Beiträgen für die Verwaltung der nach Gesetz Nr. 52 der Militärregierung unter Kontrolle oder Zwangsverwaltung gestellten Vermögen vom 26. Januar 1949 - GVBl. S. 67 -) rückwirkend ab 1. Juli 1948 nur noch erhoben, soweit sie den Betrag von 2000 DM übersteigen.
(3) Bereits bezahlte Geldsühnen, Verfahrenskosten und Beiträge für die Vermögensverwaltung (Abs. 2) werden nicht zurückerstattet.

2. Abschnitt Beendigung der politischen Säuberung

§ 10

(1) Der öffentliche Kläger, der Untersuchungsführer und die Spruchkammer stellen ihre Tätigkeit am 31. Oktober 1953 ein.
(2) Nach dem 31. Juli 1953 kann bei der Spruchkammer ein Verfahren nicht mehr eingeleitet werden.

§ 11

Sühnemaßnahmen, die nach §§ 2 und 3 aufgehoben sind, können künftig nicht mehr auferlegt werden.

§ 12

Die allgemeine Meldepflicht auf Grund der Gesetze zur politischen Säuberung wird aufgehoben.

§ 13

Personen, die wegen Beendigung der politischen Säuberung einen Säuberungsbescheid nicht mehr erlangen können, erhalten auf Antrag eine politische Unbedenklichkeitsbescheinigung. Die Bescheinigung tritt an die Stelle eines Säuberungsbescheides in den Fällen, in denen die Vorlage eines solchen durch Gesetz oder Verordnung vorgeschrieben ist oder durch eine Behörde gefordert wird. Ist der Antragsteller nach dem Ergebnis der Ermittlungen Hauptschuldiger oder Belasteter (Schuldiger), so ist die Bescheinigung zu verweigern, falls ihre Ausstellung nicht aus Gründen der Billigkeit gleichwohl gerechtfertigt erscheint. Ist der Antragsteller Belasteter (Schuldiger), so ist ihm auf Antrag zu bescheinigen, daß er nicht Hauptschuldiger ist.

§ 14

Die Aufgaben der politischen Säuberung gehören zum Geschäftsbereich des Staatsministeriums.

3. Abschnitt Sonstige Bestimmungen

§ 15

(1) Ansprüche auf Wiedereinstellung, Wiedereinsetzung in die frühere Stellung, Nachzahlung von Bezügen, Rückerstattung von Sühnebeträgen und Kosten oder Schadenersatz können aus diesem Gesetz nicht hergeleitet werden.
(2) Sofern andere Gesetze an die Eingruppierung der politischen Säuberungsverfahren bestimmte Rechtsfolgen knüpfen, behält es hierbei sein Bewenden.

§ 16

Art. 58-60 des württembergisch-badischen Gesetzes Nr. 104 zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 (Reg.Bl. S. 71) sind nicht mehr anzuwenden.

§ 17

Verhängte Vermögenssperren sind, soweit sie auf deutschem Gesetz beruhen, mit Inkrafttreten dieses Gesetzes, soweit sie durch Besatzungsrecht angeordnet sind, spätestens mit Außerkrafttreten der besatzungsrechtlichen Vorschriften aufgehoben.

§ 18

Bescheinigungen, die auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes erteilt werden, sind gebührenpflichtig.

§ 19

(aufgehoben)

§ 20

Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft.
Stuttgart, den 13. Juli 1953

Die vorläufige Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Dr. Reinhold Maier

Ulrich

Dr. Frank

Herrmann

Hohlwegler

 

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