PolG
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Polizeigesetz (PolG) Vom 6. Oktober 2020 *) **)

ERSTER TEIL: Das Recht der Polizei

ERSTER ABSCHNITT: Aufgaben der Polizei

§ 1 Allgemeines

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Sie hat insbesondere die verfassungsmäßige Ordnung und die ungehinderte Ausübung der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten.
(2) Außerdem hat die Polizei die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahrzunehmen.

§ 2 Tätigwerden für andere Stellen

(1) Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Absatz 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, so hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.
(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.

ZWEITER ABSCHNITT: Maßnahmen der Polizei

ERSTER UNTERABSCHNITT: Allgemeines

ZWEITER UNTERABSCHNITT: Polizeiverordnungen

DRITTER UNTERABSCHNITT: Einzelmaßnahmen

VIERTER UNTERABSCHNITT: Polizeizwang

DRITTER ABSCHNITT: Weitere Regelungen der Datenverarbeitung

ERSTER UNTERABSCHNITT: Pflichten der Polizei

Fußnoten

*)
Gemäß § 135 Abs. 1 tritt § 72 Absatz 4 Satz 2 am 1. Januar 2030 außer Kraft.

ZWEITER UNTERABSCHNITT: Rechte der betroffenen Person

DRITTER UNTERABSCHNITT: Datenschutzbeauftragter

VIERTER UNTERABSCHNITT: Datenschutzaufsicht

VIERTER ABSCHNITT: Entschädigung

§ 100 Voraussetzungen

(1) In den Fällen des § 9 Absatz 1 kann derjenige, gegenüber dem die Polizei eine Maßnahme getroffen hat, eine angemessene Entschädigung für den ihm durch die Maßnahme entstandenen Schaden verlangen. Bei der Bemessung sind alle Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Art und Vorhersehbarkeit des Schadens und ob der Geschädigte oder sein Vermögen durch die Maßnahme der Polizei geschützt worden sind. Haben Umstände, die der Geschädigte zu vertreten hat, auf die Entstehung oder Erhöhung des Schadens eingewirkt, so hängt der Umfang des Ausgleichs insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem Geschädigten oder durch die Polizei verursacht worden ist.
(2) Soweit die Entschädigungspflicht wegen Maßnahmen nach § 9 Absatz 1 in besonderen gesetzlichen Vorschriften geregelt ist, finden diese Vorschriften Anwendung.

§ 101 Entschädigungspflichtiger

Zur Entschädigung ist der Staat oder die Körperschaft verpflichtet, in deren Dienst der Beamte steht, der die Maßnahme getroffen hat. Ist die Maßnahme von einem Polizeibeamten auf Weisung einer Polizeibehörde getroffen worden, so ist der Staat oder die Körperschaft, der die Polizeibehörde angehört, zur Entschädigung verpflichtet.

§ 102 Ersatz

Der nach § 101 zur Entschädigung Verpflichtete kann in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Geschäftsführung ohne Auftrag von den in den §§ 6 und 7 bezeichneten Personen Ersatz verlangen.

§ 103 Rechtsweg

Über die Ansprüche nach den §§ 100 und 102 entscheiden die ordentlichen Gerichte. § 132 Absatz 2 findet keine Anwendung.

ZWEITER TEIL: Die Organisation der Polizei

ERSTER ABSCHNITT: Gliederung und Aufgabenverteilung

§ 104 Allgemeines

Die Organisation der Polizei umfasst 1.
die Polizeibehörden, 2.
den Polizeivollzugsdienst mit seinen Beamten (Polizeibeamte).

§ 105 Zuständigkeitsabgrenzung

(1) Für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufgaben sind die Polizeibehörden zuständig, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
(2) Der Polizeivollzugsdienst nimmt - vorbehaltlich anderer Anordnungen der Polizeibehörde - die polizeilichen Aufgaben wahr, wenn ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erscheint.
(3) Der Polizeivollzugsdienst ist neben den Polizeibehörden zuständig für Maßnahmen nach §§ 27 bis 29, 30 Absatz 1, 33 bis 38, 43 Absätze 1 und 2 sowie 59 bis 61.
(4) Der Polizeivollzugsdienst ist neben den Gesundheitsämtern zuständig für die Anordnung von Maßnahmen nach § 25
Absatz 1 bis 3 des Infektionsschutzgesetzes, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Übertragung besonders gefährlicher Krankheitserreger, wie insbesondere Hepatitis B-Virus, Hepatitis C-Virus oder Humanes Immundefizienzvirus (HIV), auf eine andere Person stattgefunden hat, für diese daher eine Gefahr für Leib oder Leben bestehen könnte und die Kenntnis des Untersuchungsergebnisses für die Abwehr der Gefahr erforderlich ist.
(5) Der Polizeivollzugsdienst leistet Vollzugshilfe, indem er insbesondere auf Ersuchen von Behörden und Gerichten Vollzugshandlungen ausführt, soweit hierfür die besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder Mittel des Polizeivollzugsdienstes benötigt werden.

ZWEITER ABSCHNITT: Die Polizeibehörden

ERSTER UNTERABSCHNITT: Aufbau

ZWEITER UNTERABSCHNITT: Zuständigkeit

DRITTER ABSCHNITT: Der Polizeivollzugsdienst

ERSTER UNTERABSCHNITT: Aufbau

ZWEITER UNTERABSCHNITT: Zuständigkeit

VIERTER ABSCHNITT: Besondere Vollzugsbedienstete

§ 125 Gemeindliche Vollzugsbedienstete

(1) Die Ortspolizeibehörden können sich zur Wahrnehmung bestimmter auf den Gemeindebereich beschränkter polizeilicher Aufgaben gemeindlicher Vollzugsbediensteter bedienen.
(2) Die gemeindlichen Vollzugsbediensteten haben bei der Erledigung ihrer polizeilichen Dienstverrichtungen die Stellung von Polizeibeamten im Sinn dieses Gesetzes.

§ 126 Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft

Das Innenministerium kann durch Rechtsverordnung bestimmen, dass Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft, die mit der Wahrnehmung bestimmter polizeilicher Aufgaben betraut sind, ohne einer Polizeidienststelle anzugehören, die Stellung von Polizeibeamten im Sinne dieses Gesetzes haben.

DRITTER TEIL: Die Kosten der Polizei

§ 127 Kosten für die allgemeinen Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst

(1) Die Kosten für die Ortspolizeibehörden sowie in den Stadtkreisen und in den Großen Kreisstädten für die Kreispolizeibehörden werden von den Gemeinden getragen. Die Kosten für die Kreispolizeibehörden werden in den Verwaltungsgemeinschaften nach § 17
des Landesverwaltungsgesetzes von diesen getragen.
(2) Die Kosten für die übrigen allgemeinen Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst werden vom Land getragen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Kosten sind die unmittelbaren oder mittelbaren persönlichen und sächlichen Ausgaben für die allgemeinen Polizeibehörden und den Polizeivollzugsdienst.

§ 128 Einnahmen

Sind mit der Tätigkeit der Polizei Einnahmen verbunden, so fließen diese dem Kostenträger zu.

§ 129 Zurückbehaltungsbefugnis

Die Polizei kann die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie aufgrund einer polizeilichen Maßnahme nach § 8 Absatz 1, § 37 Absatz 1, § 38 Absatz 1 oder § 63 Absatz 1 in Verbindung mit § 25
des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen. Eine dritte Person, der die Verwahrung übertragen worden ist, kann durch Verwaltungsakt ermächtigt werden, Zahlungen in Empfang zu nehmen.

VIERTER TEIL: Schlussbestimmungen

§ 130 Durchführungsvorschriften

(1) Das Innenministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über
1.
die Übertragung der Anordnungsbefugnis gemäß § 49 Absatz 4 Satz 8, § 53 Absatz 5 Satz 2 und Absatz 7 Satz 2, § 55 Absatz 1 Satz 3, § 56 Absatz 2 Satz 1 und § 69 Absatz 3 Satz 2 sowie der Antragsbefugnis gemäß § 49 Absatz 4 Satz 8 und § 53 Absatz 2 Satz 3,
2.
die Durchführung des Gewahrsams gemäß § 33, 3.
die Durchführung von Durchsuchungen gemäß § 36, 4.
die Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen gemäß § 37 Absatz 3 und § 38 Absatz 3 Satz 3,
5.
die Überprüfungsfristen und deren Voraussetzungen gemäß § 76 Absätze 1 und 2,
6.
die Übertragung von Zuständigkeiten auf Polizeidienststellen anderer Länder gemäß § 123 Absatz 1 Satz 4 und
7.
die Voraussetzungen der Bestellung, die Ausbildung, die Dienstkleidung, die Gestaltung der Dienstausweise, die Ausrüstung und die Aufgaben der gemeindlichen Vollzugsbediensteten gemäß § 125.
Das Innenministerium kann durch Rechtsverordnung bestimmen, dass die Dienst- und Fachaufsicht abweichend von §§ 117 und 118 auf nachgeordnete Polizeidienststellen oder Einrichtungen für den Polizeivollzugsdienst übertragen wird. Rechtsverordnungen nach Satz 1 und 2 ergehen, soweit erforderlich, im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Ministerium.
(2) Das Innenministerium erlässt, soweit erforderlich im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Ministerium, die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften.

§ 131 Schadenersatzregelung zur Datenverarbeitung

(1) Die Polizei hat einer betroffenen Person den Schaden zu ersetzen, der durch eine nach diesem Gesetz rechtswidrige Verarbeitung personenbezogener Daten entsteht. Die Ersatzpflicht entfällt, wenn die Polizei nachweisen kann, dass der Umstand, durch den der Schaden eingetreten ist, nicht von ihr zu vertreten ist. § 101 gilt entsprechend.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann die betroffene Person eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
(3) Lässt sich bei einer automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten nicht ermitteln, welcher von mehreren gemeinsam Verantwortlichen den Schaden zu vertreten hat, haften diese als Gesamtschuldner. § 86
des Bundeskriminalamtgesetzes bleibt unberührt.
(4) War bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden der betroffenen Person mitursächlich, ist § 254
des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend anzuwenden.
(5) Auf die Verjährung finden die für unerlaubte Handlungen geltenden Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechende Anwendung.
(6) Über die Ansprüche nach Absatz 1 entscheiden die ordentlichen Gerichte.

§ 132 Gerichtliche Zuständigkeiten, Verfahren

(1) Für in diesem Gesetz vorgesehene gerichtliche Entscheidungen ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die zuständige Polizeidienststelle ihren Sitz hat.
(2) Für in diesem Gesetz vorgesehene gerichtliche Entscheidungen sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden. Die Entscheidungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an die betroffene Person. Soweit nichts anderes bestimmt ist, findet gegen die Entscheidungen die Beschwerde zum Oberlandesgericht statt. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Eine Rechtsbeschwerde findet nicht statt. Der Polizeivollzugsdienst ist nicht zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente oder zu Auskünften verpflichtet, wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen.
(3) Ist eine richterliche Entscheidung nach diesem Gesetz ergangen, so ist die Anfechtungsklage ausgeschlossen.

§ 133 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem vollziehbaren Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweis, Rückkehrverbot oder Annäherungsverbot nach § 30 zuwiderhandelt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 5 000 Euro geahndet werden.
(3) Verwaltungsbehörde nach § 36 Absatz 1 Nummer 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten ist die Polizeibehörde, die die Anordnung nach § 30 getroffen hat. Ist die Anordnung vom Polizeivollzugsdienst getroffen worden, ist Verwaltungsbehörde die örtlich zuständige Ortspolizeibehörde.

§ 134 Strafvorschriften

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 31 Absatz 3 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 31 Absatz 3 Satz 4 zuwiderhandelt und dadurch den Zweck der Anordnung gefährdet oder
2.
einer vollstreckbaren gerichtlichen Anordnung nach § 32 Absatz 5 Satz 1 oder einer vollziehbaren Anordnung nach § 32 Absatz 5 Satz 4 zuwiderhandelt und dadurch die kontinuierliche Feststellung seines Aufenthaltsortes durch die zuständige Polizeidienststelle verhindert.
Die Tat wird nur auf Antrag eines regionalen Polizeipräsidiums, des Polizeipräsidiums Einsatz oder des Landeskriminalamts verfolgt.
(2) Für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des § 11 Absatz 1 gilt § 29
des Landesdatenschutzgesetzes entsprechend.

§ 135 Übergangsregelung zur Datenverarbeitung

(1) § 72 Absatz 4 Satz 2 tritt am 1. Januar 2030 außer Kraft.
(2) Ist die Erfüllung der Pflichten aus § 73 für automatisierte Verarbeitungssysteme, die vor dem 6. Mai 2016 eingerichtet wurden, mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, sind diese Verarbeitungssysteme bis zum 6. Mai 2023 mit den Anforderungen des § 73 in Einklang zu bringen.
Markierungen
Leseansicht