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DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz über die juristischen Prüfungen und den juristischen Vorbereitungsdienst (Juristenausbildungsgesetz - JAG) Vom 16. Juli 2003

§ 1 Erste juristische Prüfung und Zweite juristische Staatsprüfung

(1) Das Rechtsstudium wird mit der Ersten juristischen Prüfung (staatliche Pflichtfachprüfung und universitäre Schwerpunktbereichsprüfung) abgeschlossen. Der Vorbereitungsdienst wird mit der Zweiten juristischen Staatsprüfung abgeschlossen.
(2) Die Pflichtfachprüfung der Ersten juristischen Prüfung und die Zweite juristische Staatsprüfung werden von dem beim Justizministerium errichteten Landesjustizprüfungsamt abgenommen. Dieses legt die Rahmenbedingungen der Prüfungen fest.
(3) Die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten juristischen Prüfung wird von den Universitäten in eigener Verantwortung abgenommen. Die Vorschriften des Landeshochschulgesetzes sind anzuwenden, soweit dieses Gesetz und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften keine anderen Bestimmungen enthalten.

§ 2 Prüfungsorte

(1) Die Pflichtfachprüfung findet in Freiburg, Heidelberg, Konstanz, Mannheim und Tübingen statt. Die Prüfung kann auch an einem anderen Ort abgenommen werden.
(2) Die Zweite juristische Staatsprüfung findet in Stuttgart statt. Die Prüfung kann auch an einem anderen Ort abgenommen werden.

§ 3 Prüfer

(1) Als Prüfer wirken mit: 1.
in der Pflichtfachprüfung a)
der Präsident des Landesjustizprüfungsamts, b)
die Hochschullehrer des Rechts an den Universitäten der Prüfungsorte im Sinne von § 2 Absatz 1 Satz 1,
c)
andere Personen, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen oder als Hochschullehrer an Universitäten in der Juristenausbildung tätig sind, kraft Berufung durch das Justizministerium;
2.
in der Zweiten juristischen Staatsprüfung a)
der Präsident des Landesjustizprüfungsamts, b)
die Präsidenten der Oberlandesgerichte und der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs,
c)
andere Personen, die die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen oder als Hochschullehrer an Universitäten in der Juristenausbildung tätig sind, kraft Berufung durch das Justizministerium;
3.
in der Schwerpunktbereichsprüfung die in den Satzungen nach § 32 Absatz 3
des Landeshochschulgesetzes genannten Personen.
(2) Die Prüfer sind in der Ausübung des Prüferamts unabhängig.
(3) Die Berufung zum Prüfer wird für fünf Jahre ausgesprochen; eine mehrmalige Berufung ist zulässig. Die Berufung endet drei Jahre nach Eintreten in den Ruhestand. Der Präsident des Landesjustizprüfungsamts kann die Berufung im Einzelfall über den in Satz 2 genannten Zeitpunkt hinaus mehrfach um jeweils ein Jahr verlängern.
(4) Das Prüferamt endet bei den Prüfern nach Absatz 1 Nr. 1 Buchst. a und b und Nr. 2 Buchst. a und b mit dem Ausscheiden des Prüfers aus dem Hauptamt, bei einem Hochschullehrer auch mit seiner Entpflichtung.

§ 4 Vorverfahren

Gegen Verwaltungsakte des Landesjustizprüfungsamts findet ein Vorverfahren statt. Über den Widerspruch entscheidet das Landesjustizprüfungsamt. Dabei werden Bewertungen der Prüfer durch das Landesjustizprüfungsamt nur auf Rechtmäßigkeit überprüft.

§ 5 Beginn und Ende des Vorbereitungsdienstes

(1) Wer die Erste juristische Prüfung bestanden hat, wird auf Antrag zum Vorbereitungsdienst in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis zugelassen, sofern die durch Rechtsverordnung nach § 10 Absatz 1 Nummer 6 festgesetzten Voraussetzungen erfüllt sind. § 17
des Landesbeamtengesetzes gilt entsprechend.
(2) Die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst ist abzulehnen, wenn der Bewerber für den Vorbereitungsdienst ungeeignet oder, insbesondere wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens, für den Erwerb der Befähigung zum Richteramt nicht würdig ist. Die Aufnahme soll abgelehnt werden, wenn er aus einem früher begonnenen Vorbereitungsdienst vorzeitig entlassen worden ist oder wenn er seine Übernahme aus dem Vorbereitungsdienst eines anderen Bundeslandes beantragt und hierfür jeweils ein wichtiger Grund nicht vorliegt.
(3) Der Vorbereitungsdienst endet mit der Eröffnung, dass die Zweite juristische Staatsprüfung mit Erfolg abgelegt oder bei der ersten Wiederholung nicht bestanden wurde.
(4) Wer seine Pflichten gröblich verletzt oder sich als ungeeignet oder unwürdig erweist, soll aus dem Vorbereitungsdienst entlassen werden; dasselbe gilt bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen Grundes. Ferner soll entlassen oder unter Wegfall der Unterhaltsbeihilfe beurlaubt werden, wer den Vorbereitungsdienst nicht planmäßig absolviert oder die Zweite juristische Staatsprüfung nicht planmäßig ablegt.

§ 6 Pflichten der Rechtsreferendare

(1) Rechtsreferendare haben sich mit voller Kraft der Ausbildung zu widmen. Die §§ 37 und 42
des Beamtenstatusgesetzes sowie § 11 des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg gelten entsprechend. Die §§ 74 und 78
des Landesbeamtengesetzes finden keine Anwendung.
(2) Für die Ausübung einer Nebentätigkeit gelten die §§ 60 bis 64
Abs. 1, 2 und 4 des Landesbeamtengesetzes sowie die hierzu erlassene Ausführungsverordnung entsprechend. Hiervon abweichend sind die Präsidenten der Oberlandesgerichte zuständige Stelle für Entscheidungen im Zusammenhang mit Nebentätigkeiten.
(3) Eignung, Befähigung und fachliche Leistung werden in Dienstzeugnissen beurteilt. Für die Personalaktenführung gelten § 50
des Beamtenstatusgesetzes und die §§ 83 bis 88 des Landesbeamtengesetzes entsprechend.

§ 7 Unterhaltsbeihilfe; Reisekosten

(1) Rechtsreferendare erhalten eine monatliche Unterhaltsbeihilfe nach Maßgabe des Landesbesoldungsgesetzes Baden-Württemberg. Ihnen wird nach beamtenrechtlichen Vorschriften Anwartschaft auf Versorgung bei verminderter Erwerbsfähigkeit und im Alter sowie auf Hinterbliebenenversorgung gewährleistet. Das Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall findet Anwendung.
(2) Rechtsreferendare erhalten unter Belassung der Unterhaltsbeihilfe Erholungsurlaub sowie Urlaub aus besonderen Anlässen. Aus dienstlichen oder persönlichen Gründen kann unter Wegfall der Unterhaltsbeihilfe eine Beurlaubung erfolgen.
(3) Das Mutterschutzgesetz und das Bundeserziehungsgeldgesetz finden Anwendung.
(4) Rechtsreferendare können Reisekostenvergütung, Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld nach den für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst des Landes geltenden Bestimmungen erhalten.
(5) Tarifrechtliche Regelungen bleiben unberührt.

§ 8 Dienstgeschäfte der Rechtsreferendare

Im Rahmen der Ausbildung können den Rechtsreferendaren, sofern nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, Geschäfte eines Beamten des gehobenen oder des mittleren Justizdienstes, vor allem eines Amtsanwalts oder eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, zur selbstständigen Wahrnehmung übertragen werden.

§ 9 Schutz personenbezogener Daten

(1) Wird in den Prüfungen nach § 1 Absatz 1 und 2 ein Antrag gestellt, der mit einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder mit Schutzzeiten nach dem Mutterschutzgesetz begründet wird, ist unverzüglich ein Attest einer Ärztin oder eines Arztes nach § 14 Absatz 5
des Gesundheitsdienstgesetzes, das die für die Beurteilung nötigen medizinischen Befundtatsachen enthält, einzuholen und an das Landesjustizprüfungsamt zu übersenden. Das Attest einer Ärztin oder eines Arztes, der oder die die Kandidatin oder den Kandidaten behandelt oder behandelt hat, reicht nicht aus. Im Fall eines Antrags auf Rücktritt von der Prüfung kann in begründeten Einzelfällen ein amtsärztliches Attest über die Beurteilung der Prüfungsunfähigkeit verlangt werden. Soweit dies für die Entscheidung des Landesjustizprüfungsamtes erforderlich ist, kann dieses mit einer Einwilligung der Kandidatin oder des Kandidaten weitere Erkundigungen bei der untersuchenden Ärztin oder dem untersuchenden Arzt einholen.
(2) Das Landesjustizprüfungsamt darf besondere Kategorien personenbezogener Daten der betroffenen Person verarbeiten, soweit dies in Fällen des Absatzes 1 für die Entscheidung über den Antrag erforderlich ist. Eine Verarbeitung dieser Daten zu anderen Zwecken ist unzulässig, es sei denn, sie ist nach einer Rechtsvorschrift zulässig. Personenbezogene Daten nach Satz 1 sind getrennt von anderen Daten zu speichern und dürfen nur durch Bedienstete des Landesjustizprüfungsamtes verarbeitet werden. Sie sind für die besonderen Verarbeitungsbedingungen zu sensibilisieren.

§ 10 Verordnungsermächtigung

(1) Das Justizministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Innenministerium, dem Finanzministerium und dem Wissenschaftsministerium durch Rechtsverordnung Vorschriften zu erlassen über
1.
die Einrichtung von Außenstellen des Landesjustizprüfungsamts;
2.
die Zusammensetzung und die Aufgaben eines Ständigen Ausschusses für die Pflichtfachprüfung;
3.
die Voraussetzungen für die Zulassung zur Pflichtfachprüfung, insbesondere über den Nachweis erforderlicher Studienzeiten an der Universität des Prüfungsortes, über die Ausgestaltung der Zwischenprüfung, die Vorlage von Zeugnissen über die erfolgreiche Teilnahme an der Zwischenprüfung und an Lehrveranstaltungen, insbesondere zum Nachweis des Erwerbs von Fremdsprachenkenntnissen und von interdisziplinären Schlüsselqualifikationen, sowie über den Verlust des Anspruchs auf Zulassung zur Pflichtfachprüfung;
4.
die Voraussetzungen für die Zulassung zur Zweiten juristischen Staatsprüfung und den Verlust des Anspruchs auf diese Zulassung;
5.
das Prüfungsverfahren (einschließlich der Rahmenvorgaben für die Prüfung im Schwerpunktbereich), insbesondere über die Zusammensetzung der Prüfungsausschüsse, den Prüfungsstoff, mögliche Gegenstände der Schwerpunktausbildung, die Art und Zahl der Prüfungsleistungen im schriftlichen und mündlichen Teil, die Bewertung der Prüfungsleistungen, die Berücksichtigung von Leistungen aus dem Vorbereitungsdienst, die Erteilung von Zeugnissen, den Rücktritt von den Prüfungen und die Wiederholung der Prüfungen, die Festlegung besonderer Bedingungen für schreibbehinderte Prüflinge und die Folgen von Verstößen gegen Prüfungsbestimmungen;
6.
die nähere Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnisses, insbesondere die Zulassung, die Ablehnung, die Entlassung, die Verlängerung des Vorbereitungsdienstes im Einzelfall, die Pflichten und Rechte der Rechtsreferendare, den Urlaub, die Beurlaubung und Nebentätigkeiten, sowie über die für die Leitung der Ausbildung und die Durchführung des Ausbildungsverhältnisses zuständigen Stellen;
7.
die inhaltliche Gestaltung des Vorbereitungsdienstes, die Teilnahme an Arbeitsgemeinschaften und Lehrgängen, die Erteilung von Zeugnissen sowie die Anrechnung von Ausbildungszeiten anderer Ausbildungsgänge auf den Vorbereitungsdienst.
(2) Die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Verwaltungsvorschriften erlässt das Justizministerium im Benehmen mit den beteiligten Ministerien.

§ 11 Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst

Durch die Befähigung zum Richteramt wird auch die Befähigung zum höheren Verwaltungsdienst erlangt.

§ 12 Übergangsvorschrift

(1) Für Studierende, die vor dem Wintersemester 2003/2004 das Studium aufgenommen haben und spätestens im Herbsttermin 2006 erstmals an der Ersten juristischen Prüfung teilnehmen, finden die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften zur Ersten juristischen Staatsprüfung Anwendung. Letztmalig kann die Erste juristische Staatsprüfung nach den bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften zum Herbsttermin 2007 wiederholt werden. In Ausnahmefällen können abweichende Bestimmungen getroffen werden.
(2) Für Rechtsreferendare, die den Vorbereitungsdienst vor dem 1. Oktober 2002 angetreten haben, finden bei planmäßigem Verlauf der Ausbildung hinsichtlich des Vorbereitungsdienstes und der Zweiten juristischen Staatsprüfung bis zum Herbsttermin 2005 die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geltenden Vorschriften Anwendung. Verzögert sich die planmäßige Ausbildung dieser Rechtsreferendare, können abweichende Bestimmungen getroffen werden.

§ 13 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2003 in Kraft. Gleichzeitig tritt das Juristenausbildungsgesetz in der Fassung vom 18. Mai 1971 (GBl. S. 190), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 6. Dezember 1999 (GBl. S. 517), außer Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
Stuttgart, den 16. Juli 2003

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Teufel Dr. Döring Dr. Palmer Dr. Schäuble Dr. Schavan
Werwigk-Hertneck Stratthaus Stächele Müller
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