LHeimMitVO
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Verordnung des Sozialministeriums über die Mitwirkung der Bewohner in Angelegenheiten des Heimbetriebs in Baden-Württemberg (Landesheimmitwirkungsverordnung -LHeimMitVO) Vom 30. März 2010

§ 1 Aufgaben des Heimbeirats

(1) Die Vertretung der Interessen der Bewohner erfolgt durch einen Heimbeirat. Die Mitglieder des Heimbeirats üben ihr Amt unentgeltlich und ehrenamtlich aus.
(2) Der Heimbeirat hat folgende Aufgaben: 1.
Maßnahmen des Betriebs der Einrichtung, die den Bewohnern dienen, bei der Einrichtungsleitung oder dem Träger zu beantragen,
2.
Anregungen und Beschwerden von Bewohnern entgegenzunehmen und erforderlichenfalls durch Verhandlungen mit der Einrichtungsleitung oder in besonderen Fällen mit dem Träger auf ihre Erledigung hinzuwirken,
3.
neuen Bewohnern zu helfen, sich in der Einrichtung einzuleben,
4.
bei Entscheidungen nach § 2 mitzuwirken, 5.
eine Bewohnerversammlung durchzuführen und dort einen Bericht über seine Tätigkeit abzugeben (§ 10) sowie
6.
vor Ablauf der Amtszeit einen Wahlausschuss zu bilden und eine neue Wahl vorzubereiten.
(3) Die Mitglieder des Heimbeirats dürfen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht behindert und wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Der Heimbeirat kann bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Rechte fach- und sachkundige Personen seines Vertrauens hinzuziehen.
(4) Eine Person, die in der Einrichtung wohnt, darf auf Grund der Tätigkeit eines Angehörigen oder einer Vertrauensperson im Heimbeirat nicht benachteiligt oder begünstigt werden.
(5) Die Mitglieder des Heimbeirats haben über die ihnen bei Ausübung des Amtes bekannt gewordenen Angelegenheiten oder Tatsachen Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt nicht gegenüber den übrigen Mitgliedern des Heimbeirats und des Angehörigen- und Betreuerbeirats. Die Pflicht zur Verschwiegenheit besteht nicht für Angelegenheiten oder Tatsachen, die offenkundig sind oder ihrer Bedeutung nach keiner vertraulichen Behandlung bedürfen. Die Verschwiegenheitspflicht gilt auch für Personen, die den Mitgliedern des Heimbeirats assistieren.

§ 2 Mitwirkung des Heimbeirats

(1) Der Heimbeirat wird von der Einrichtungsleitung und dem Träger rechtzeitig in die Entscheidungsfindung der Angelegenheiten nach Absatz 2 einbezogen. Er hat das Recht und die Pflicht, die Vorstellungen der Bewohner darzulegen und Vorschläge zu unterbreiten.
(2) Der Heimbeirat wirkt bei Entscheidungen der Einrichtungsleitung oder des Trägers in folgenden Angelegenheiten mit:
1.
Unterkunft, Betreuung und Verpflegung, 2.
Maßnahmen zur Förderung einer angemessenen Qualität der Betreuung und der Förderung der Bewohner,
3.
Planung und Durchführung von Veranstaltungen sowie der Alltags- und Freizeitgestaltung,
4.
Aufstellung und Änderung der Hausordnung in der Einrichtung,
5.
Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen, 6.
Veränderung des Betriebs der Einrichtung, 7.
Formulierung oder Änderung der in der Einrichtung geltenden Musterverträge für Bewohner,
8.
umfassende Baumaßnahmen oder Instandsetzungsarbeiten,
9.
Änderung der Art und des Zwecks der Einrichtung oder ihrer Teile sowie
10.
Zusammenschluss mit einer anderen Einrichtung.
(3) Der Heimbeirat muss bei vorgesehenen Änderungen des Heimentgelts rechtzeitig Gelegenheit erhalten, die Angaben des Trägers durch Einsichtnahme in die Kalkulationsunterlagen zu überprüfen. Der Träger ist verpflichtet, den Heimbeirat rechtzeitig vor der Aufnahme von Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungsträgern anzuhören und ihm unter Vorlage nachvollziehbarer Unterlagen die wirtschaftliche Notwendigkeit und Angemessenheit der geplanten Heimentgeltänderungen zu erläutern. Außerdem ist der Träger verpflichtet, dem Heimbeirat Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme zu geben. Vertreter des Heimbeirats sollen auf ihr Verlangen vom Träger zu den Verhandlungen über Vergütungsvereinbarungen hinzugezogen werden.

§ 3 Aufgaben des Trägers und der Einrichtungsleitung

(1) Der Träger und die Einrichtungsleitung haben auf die Bildung eines Heimbeirats hinzuwirken. Ihre Selbständigkeit bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben wird durch den Heimbeirat nicht berührt. Der Träger oder die Einrichtungsleitung haben die Bewohner über ihre Rechte und die Möglichkeiten eines partnerschaftlichen Zusammenwirkens im Heimbeirat zu informieren.
(2) Den Mitgliedern des Heimbeirats sind diejenigen Kenntnisse zu vermitteln, die für ihre Tätigkeit erforderlich sind. Das Sozialministerium kann hierzu eine Arbeitshilfe erstellen.
(3) Der Heimbeirat soll rechtzeitig vom Träger oder der Einrichtungsleitung über alle wichtigen Angelegenheiten, die das Leben in der Einrichtung betreffen und der Mitwirkung unterliegen, informiert und fachlich beraten werden.
(4) Vorschläge, Anträge und Beschwerden des Heimbeirats sollen von der Einrichtungsleitung spätestens nach vier Wochen beantwortet werden. Wird einem Anliegen nicht entsprochen, muss die Einrichtungsleitung dies begründen.
(5) Der Träger stellt dem Heimbeirat zur Erfüllung seiner Aufgaben die erforderlichen Hilfen sowie unentgeltlich in angemessenem Umfang Möglichkeiten für eine allgemein zugängliche Bekanntgabe seiner Mitteilungen zur Verfügung. Die durch die Tätigkeit des Heimbeirats entstehenden angemessenen Kosten trägt der Träger.
(6) Die für die Tätigkeit des Heimbeirats erforderlichen angemessenen Fortbildungskosten trägt der Träger.
(7) Der Träger hat die Wahl des Heimbeirats und seiner Mitglieder unverzüglich der zuständigen Heimaufsichtsbehörde mitzuteilen.

§ 4 Wahlberechtigung und Wählbarkeit

(1) Wahlberechtigt sind alle Personen, die am Wahltag in der Einrichtung wohnen.
(2) Wählbar sind alle Bewohner der Einrichtung, deren Angehörige, gesetzliche Betreuer und sonstige Vertrauenspersonen der Bewohner, etwa Mitglieder von örtlichen Seniorenvertretungen oder örtlichen Organisationen behinderter Menschen, sowie von der zuständigen Heimaufsichtsbehörde vorgeschlagene Personen.
(3) Nicht wählbar ist, wer bei dem Träger, bei den Leistungsträgern oder bei der Heimaufsicht gegen Entgelt beschäftigt ist oder als Mitglied des Vorstandes, des Aufsichtsrates oder eines gleichartigen Organs des Trägers tätig ist. Nicht wählbar ist ebenfalls, wer bei einem anderen Heimträger oder einem Verband von Heimträgern eine Leitungsfunktion innehat.

§ 5 Zahl der Mitglieder

(1) Der Heimbeirat besteht in Einrichtungen mit in der Regel bis 50 Bewohnern aus mindestens zwei bis höchstens drei Mitgliedern und mit in der Regel bis 100 Bewohnern aus mindestens drei bis höchstens fünf Mitgliedern. Bei Einrichtungen mit in der Regel über 100 Bewohnern besteht der Heimbeirat aus mindestens fünf bis höchstens sieben Mitgliedern.
(2) Die Bewohner sollen im Heimbeirat die Mehrheit bilden.
(3) Für Teile der Einrichtung sind eigene Heimbeiräte zu wählen, wenn sie in der Regel aus mehr als 50 Bewohnern bestehen und dadurch die Interessenvertretung der Bewohner besser gewährleistet wird.

§ 6 Wahl

(1) Der Heimbeirat wird in gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt.
(2) Zur Wahl des Heimbeirats können die Wahlberechtigten nach § 4 Abs. 2 wählbare Personen vorschlagen.
(3) Jede wahlberechtigte Person hat so viele Stimmen, wie Mitglieder des Heimbeirats zu wählen sind. Es kann für jede Person, die sich bewirbt, nur eine Stimme abgegeben werden. Gewählt ist jeweils, wer die meisten Stimmen erhält.
(4) Bei Stimmengleichheit ist die Person gewählt, die in der Einrichtung wohnt, ansonsten entscheidet das Los.
(5) Spätestens acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit wählt der Heimbeirat drei nach § 4 Abs. 2 wählbare Personen aus, die die neue Wahl eines Heimbeirats vorbereiten und durchführen. Diese bilden den Wahlausschuss. Dem Wahlausschuss soll mindestens eine Person, die in der Einrichtung wohnt, angehören. Falls für den Wahlausschuss nicht genügend nach § 4 Abs. 2 wählbare Personen zur Verfügung stehen, können auch Mitarbeiter der Einrichtung zu Mitgliedern des Wahlausschusses bestellt werden. Der Wahlausschuss wählt aus seiner Mitte den Vorsitzenden des Wahlausschusses.
(6) Besteht kein Heimbeirat oder besteht sechs Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Heimbeirats kein Wahlausschuss, so hat die Einrichtungsleitung den Wahlausschuss zu bestellen.
(7) Das Sozialministerium kann eine Mustergeschäftsordnung erstellen, die insbesondere zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl sowie zur Mitteilung an die zuständige Heimaufsichtsbehörde entsprechende Handlungsempfehlungen gibt. In diesem Fall soll bei erstmaliger Wahl eines Heimbeirats die Mustergeschäftsordnung angewandt werden.

§ 7 Amtszeit des Heimbeirats

(1) Die regelmäßige Amtszeit beträgt in zugelassenen Pflegeeinrichtungen zwei Jahre, in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vier Jahre.
(2) Die nach § 6 Abs. 7 Satz 1 mögliche Mustergeschäftsordnung kann auch Handlungsempfehlungen zur Neuwahl des Heimbeirats, zum Erlöschen der Mitgliedschaft, zur Wahlanfechtung und zum Nachrücken von Ersatzmitgliedern enthalten.

§ 8 Vorsitz des Heimbeirats

(1) Der Heimbeirat wählt mit einfacher Mehrheit einen Vorsitzenden. Eine Person, die in der Einrichtung wohnt, soll den Vorsitz führen.
(2) Der Vorsitzende hat die Aufgabe, die Beschlüsse des Heimbeirats und die Interessen der Bewohner gegenüber der Einrichtungsleitung und dem Träger zu vertreten.

§ 9 Sitzungen und Entscheidungen

(1) Der Vorsitzende des Heimbeirats lädt zu den Sitzungen ein und legt die Tagesordnung fest. Die Einladung der Mitglieder des Heimbeirats erfolgt unter Mitteilung der Tagesordnung sieben Tage vor Sitzungsbeginn. Die Einrichtungsleitung oder der Träger müssen von dem Zeitpunkt der Sitzung rechtzeitig erfahren und teilnehmen, wenn sie eingeladen werden.
(2) Ist ein Heimbeirat neu gewählt, lädt der Wahlausschuss zur ersten Sitzung des Heimbeirats ein. Zwischen der Einladung und der ersten Sitzung sollen nicht mehr als vierzehn Tage liegen.
(3) Die Entscheidungen des Heimbeirats werden mit einfacher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
(4) Das Sozialministerium kann eine Arbeitshilfe erstellen, die weitergehende Regelungen zur Geschäftsführung beinhaltet.

§ 10 Tätigkeitsbericht und Bewohnerversammlung

(1) Der Heimbeirat soll mindestens einmal im Jahr eine Bewohnerversammlung abhalten, bei der er einen Tätigkeitsbericht erstattet.
(2) Die Bewohner sind berechtigt, zur Bewohnerversammlung Personen ihres Vertrauens hinzuzuziehen.
(3) Auf Verlangen des Heimbeirats hat die Einrichtungsleitung oder der Träger an der Bewohnerversammlung teilzunehmen.

§ 11 Fürsprechergremium

(1) Für die Zeit, in der ein Heimbeirat nicht gebildet werden kann, werden seine Aufgaben zunächst durch ein Fürsprechergremium wahrgenommen. Die §§ 1 bis 3, 4 Abs. 3 und die §§ 5, 7 bis 10 gelten entsprechend.
(2) Die Einrichtungsleitung und die zuständige Heimaufsichtsbehörde fordern gemeinsam die interessierten Angehörigen, gesetzlichen Betreuer oder sonstige Vertrauenspersonen der Bewohner, etwa Mitglieder von örtlichen Seniorenvertretungen oder örtlichen Organisationen behinderter Menschen in geeigneter Weise auf, sich für das Fürsprechergremium zur Verfügung zu stellen. Aus dem Kreis der Angehörigen, der gesetzlichen Betreuer und sonstiger Vertrauenspersonen der Bewohner, die sich hierzu bereit erklären, werden dann von der zuständigen Heimaufsichtsbehörde die Mitglieder des Fürsprechergremiums bestimmt. Diese Mitteilung ist den Mitgliedern des Fürsprechergremiums und dem Träger oder der Einrichtungsleitung schriftlich oder elektronisch mitzuteilen. Der Träger oder die Einrichtungsleitung hat die Bewohner in geeigneter Weise von der Bestimmung zu informieren.
(3) Kommt eine Einigung, wer Mitglied im Fürsprechergremium werden soll, innerhalb einer Frist von acht Wochen nach Aufforderung nach Absatz 2 Satz 1 nicht zustande, wird von der zuständigen Heimaufsichtsbehörde ein Heimfürsprecher (§ 12) bestimmt.
(4) Sobald ein Heimbeirat tatsächlich gewählt werden kann, erlischt die Funktion des Fürsprechergremiums. Die Einrichtungsleitung, der Träger und die zuständige Heimaufsichtsbehörde setzen sich dafür ein, dass unverzüglich ein Heimbeirat gewählt wird.

§ 12 Heimfürsprecher

(1) Kann ein Fürsprechergremium nach § 11 nicht gebildet werden, bestimmt die zuständige Heimaufsichtsbehörde im Benehmen mit der Einrichtungsleitung mindestens einen Heimfürsprecher.
(2) Zum Heimfürsprecher kann nur bestimmt werden, wer nach seiner Persönlichkeit und seinen Fähigkeiten zur Ausübung dieses Amts geeignet ist. Er muss von der zuständigen Heimaufsichtsbehörde und dem Träger, von den Leistungsträgern und den Verbänden der Heimträger unabhängig sein. Der Heimfürsprecher muss mit seiner Bestimmung einverstanden sein. § 11 Abs. 2 Satz 3 und 4 und Abs. 4 gilt entsprechend.
(3) Der Heimfürsprecher hat die gleichen Rechte und Pflichten wie der Heimbeirat. Die regelmäßige Amtszeit des Heimfürsprechers beträgt in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung vier Jahre, ansonsten zwei Jahre. Die §§ 1 bis 3, 4 Abs. 3 und § 10 gelten entsprechend. Der Heimfürsprecher hat auf die Bildung eines Heimbeirats oder eines Fürsprechergremiums hinzuwirken.
(4) Die zuständige Heimaufsichtsbehörde hat die Bestimmung aufzuheben, wenn
1.
der Heimfürsprecher die Voraussetzungen für das Amt nicht mehr erfüllt,
2.
der Heimfürsprecher gegen seine Amtspflichten verstößt,
3.
der Heimfürsprecher sein Amt niederlegt oder 4.
ein Heimbeirat gebildet worden ist.

§ 13 Angehörigen- und Betreuerbeirat

(1) In Einrichtungen für Menschen mit Behinderung soll ein Angehörigen- und Betreuerbeirat errichtet werden. § 5 Abs. 1 und Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Er berät und unterstützt durch Vorschläge und Stellungnahmen den Träger und die Einrichtungsleitung sowie den Heimbeirat. Die Rechte und Aufgaben des Heimbeirats werden durch die Bildung eines Angehörigen- und Betreuerbeirats nicht berührt. Für den Angehörigen- und Betreuerbeirat gilt § 1 Abs. 3 bis 5 entsprechend.
(3) Die Mitglieder des Angehörigen- und Betreuerbeirats führen ihr Amt unentgeltlich und ehrenamtlich aus. § 7 Abs. 1 gilt entsprechend.
(4) Wahlberechtigt und wählbar sind alle Personen, die am Wahltag gesetzliche Vertreter oder Bevollmächtigte der in der Einrichtung wohnenden Menschen mit Behinderung sind. § 4 Abs. 3 und § 6 Abs. 1 bis 3 gelten entsprechend. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los.
(5) Das Sozialministerium kann eine Mustergeschäftsordnung erstellen. § 6 Abs. 7 und § 7 Abs. 2 gelten entsprechend.

§ 14 Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.

Stuttgart, den 30. März 2010

Dr. Stolz

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