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DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz zu dem Staatsvertrag des Landes Baden-Württemberg, des Freistaates Bayern und des Landes Rheinland-Pfalz über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten Vom 14. Juli 1986

§ 1

Dem am 12. Mai 1986 in Rolandseck unterzeichneten Staatsvertrag des Landes Baden-Württemberg, des Freistaates Bayern und des Landes Rheinland-Pfalz über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten wird zugestimmt. Der Staatsvertrag wird nachstehend veröffentlicht.

§ 2

(1) Zuständige Stelle nach Artikel 2 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages ist die Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart.
(2) Die Zulassung zur Veranstaltung des Fernsehprogramms nach Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 des Staatsvertrages bedarf der Zustimmung des Medienbeirats.
(3) Im Rahmen des Artikels 12 Abs. 3 Satz 1 und 2 des Staatsvertrages kann der Vorstand abweichend von § 32 Abs. 2 Satz 1
des Landesmediengesetzes Baden-Württemberg (LMedienG) feststellen, daß das Fernsehprogramm oder das Hörfunkprogramm des privaten Anbieters gegen Vorschriften des Staatsvertrages oder des ergänzenden Landesrechts verstößt, und den Veranstalter auffordern, den Verstoß künftig zu unterlassen; der Vorstand ist an die Beurteilung des Medienbeirats, daß ein Verstoß des Anbieters gegen Artikel 7 Abs. 1 des Staatsvertrages vorliegt, gebunden. Bei schwerwiegenden Verstößen findet § 32
Abs. 2 Satz 2 LMedienG Anwendung.

§ 3

(1) Das Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
(2) Der Tag, an dem der Staatsvertrag nach seinem Artikel 16 in Kraft tritt, ist im Gesetzblatt bekanntzugeben.
Stuttgart, den 14. Juli 1986

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

Späth
Mayer-Vorfelder
Dr. Palm
Weiser
Dr. Engler
Herzog
Gerstner
Schlee
Dr. Eyrich
Schäfer
 

Staatsvertrag

Staatsvertrag über die gemeinsame Nutzung eines Fernseh- und eines Hörfunkkanals auf Rundfunksatelliten

Das Land Baden-Württemberg,
der Freistaat Bayern und
das Land Rheinland-Pfalz
schließen nachstehenden

Staatsvertrag

Artikel 1 Nutzung eines Fernsehkanals

(1) Die vertragschließenden Länder kommen überein, Vergabe und Nutzung eines Kanals für Fernsehzwecke durch private Anbieter auf einem von der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellten Rundfunksatelliten gemeinsam zu regeln.
(2) Das Programm wird für die vertragschließenden Länder ausgestrahlt.
(3) Die studiotechnische Abwicklung des Programms soll im Gebiet der vertragschließenden Länder erfolgen.
(4) Zur Verbreitung des Programms wird der Anbieter nach Maßgabe landesrechtlicher Regelungen auch an der Nutzung verfügbarer drahtloser terrestrischer Fernsehfrequenzen beteiligt. Erreicht der Versorgungsgrad des über Rundfunksatelliten ausgestrahlten Programms einschließlich der kabelgebundenen Versorgung 70 v. H. der Rundfunkteilnehmer der vertragschließenden Länder, kann die Beteiligung widerrufen werden.

Artikel 2 Ausschreibung des Kanals

(1) Die nach Landesrecht zuständigen Stellen (Landesstellen) schreiben die Vergabe des Kanals in ihrem Hoheitsgebiet in dem für öffentliche Bekanntmachungen bestimmten Mitteilungsblatt gleichzeitig aus. Die Ausschreibungsfrist beträgt vier Wochen.
(2) Alle innerhalb dieser Frist eingegangenen Anträge werden von jeder Landesstelle darauf überprüft, ob nach ihrem Landesrecht die persönlichen Voraussetzungen als Anbieter erfüllt werden. Anträge, welche nach einem Landesrecht diese Voraussetzungen nicht erfüllen, werden von den Landesstellen zurückgewiesen.

Artikel 3 Vorschlagsverfahren

(1) Die nach Artikel 2 Abs. 2 nicht zurückgewiesenen Anträge werden unverzüglich einer gemeinsamen Kommission zur Erstellung eines Vorschlags zugeleitet. Diese besteht aus je drei Vertretern der Landesstellen.
(2) Die gemeinsame Kommission schlägt spätestens acht Wochen nach Ablauf der Ausschreibungsfrist unter Beachtung des Artikels 5 einen Antragsteller für die Vergabe und Nutzung des Kanals sowie die Ablehnung der übrigen Anträge vor. Die Wahl kann zugunsten mehrerer Antragsteller getroffen werden, wenn diese in einer Gemeinschaft verbunden sind. Die gemeinsame Kommission hat auf die Bildung einer Gemeinschaft mit dem Ziel eines koordinierten Gesamtprogramms hinzuwirken, wenn andernfalls das Gesamtangebot den Voraussetzungen der Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1 nicht entsprechen würde.
(3) Die Vorschläge der gemeinsamen Kommission bedürfen einer Mehrheit von sieben Stimmen. Sie werden den Landesstellen vorgelegt.

Artikel 4 Auswahlverfahren

(1) Die Landesstellen beschließen über die Vorschläge der gemeinsamen Kommission.
(2) Weicht einer der Beschlüsse von den Vorschlägen der gemeinsamen Kommission ab, so hat diese unverzüglich den Landesstellen neue Vorschläge zu unterbreiten.

Artikel 5 Auswahlgrundsätze

(1) Der Antragsteller muß die Gewähr dafür bieten, daß er als Anbieter die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Grundsätze des Artikels 7 Abs. 2 und 4 sowie der Artikel 8 und 9 beachtet.
(2) Bei der Auswahl ist der Antragsteller zu berücksichtigen, der für die Erfüllung der nachfolgenden Anforderungen die bessere Gewähr bietet:
1.
Meinungsvielfalt nach Artikel 7 Abs. 1, 2.
ein Programm mit vielfältigen Nutzungsinhalten, in welchem die einzelnen Programmsparten angemessen berücksichtigt werden,
3.
organisatorische, technische, personelle und finanzielle Ausstattung zur Sicherstellung der Durchführung des Programms.
Darüber hinaus können der zeitliche Umfang des Programms, der täglich nicht unter fünf Stunden liegen darf, und der Grad der Rücksichtnahme auf die programmlichen Interessen lokaler/regionaler Anbieter bei terrestrischer Verbreitung berücksichtigt werden.
(3) Zur Feststellung dieser Anforderungen können von den Antragstellern Auskünfte und Unterlagen verlangt werden.

Artikel 6 Zulassung, Genehmigung, Widerruf

(1) Die Landesstellen erteilen nach dem für sie vorgeschriebenen Verfahren die nach Landesrecht erforderliche Zulassung oder Genehmigung für die Dauer von 15 Jahren. Unbeschadet der landesrechtlichen Bestimmungen kann die Zulassung oder Genehmigung auch widerrufen werden, wenn das Programm aus Gründen, die der Anbieter zu vertreten hat, länger als einen Monat nicht gesendet wird.
(2) Solange in mindestens einem der vertragschließenden Länder eine Zulassung oder Genehmigung vorliegt, kann die Ausstrahlung für dieses Land erfolgen.

Artikel 7 Ausgewogenheit, allgemeine Programmgrundsätze

(1) Das Programm darf nicht einseitig einzelne politische, religiöse, weltanschauliche oder andere gesellschaftliche Meinungsrichtungen berücksichtigen. Es trägt zusammen mit den übrigen im Geltungsbereich des Staatsvertrages verbreiteten inländischen Rundfunkprogrammen dazu bei, daß die bedeutsamen politischen, religiösen, weltanschaulichen oder anderen gesellschaftlichen Meinungsrichtungen angemessen zum Ausdruck kommen. Es trägt ferner zur Unterrichtung, Bildung und Kultur sowie Unterhaltung bei.
(2) Das Programm darf sich nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen die Völkerverständigung richten. Die Menschenwürde, die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer sowie Ehe und Familie sind zu achten.
(3) Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts können zur Übertragung religiöser Sendungen besondere Sendezeiten eingeräumt werden. Politische Parteien können Sendezeiten für Wahlwerbung nur entsprechend § 5 Abs. 1 bis 3
des Parteiengesetzes erhalten.
(4) Alle Nachrichten und Berichte haben Sachlichkeit zu wahren und sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen. Noch nicht ausreichend verbürgte Nachrichten und Berichte dürfen nur mit einem erkennbaren Vorbehalt versehen veröffentlicht werden. Entstellungen durch Verzerrung der Sachverhalte sind zu unterlassen. Die Personen oder Stellen, die durch eine Nachricht oder einen Bericht wesentlich betroffen werden, sollen vor der Verbreitung nach Möglichkeit gehört werden. Berichterstattung und Kommentar sind zu trennen. Kommentare sind als solche zu kennzeichnen.

Artikel 8 Verbotene Sendungen, Jugendschutz

(1) Sendungen sind verboten, wenn sie 1.
zum Rassenhaß aufstacheln oder grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt,
2.
den Krieg verherrlichen, 3.
pornographisch sind, 4.
offensichtlich geeignet sind, Kinder oder Jugendliche sittlich erheblich zu gefährden.
(2) Unzulässig sind auch Sendungen, die geeignet sind, das körperliche, geistige oder seelische Wohl von Kindern oder Jugendlichen zu beeinträchtigen oder zu gefährden, es sei denn, der Anbieter trifft aufgrund der Sendezeit Vorsorge, daß Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersklassen die Sendungen üblicherweise nicht wahrnehmen. Der Anbieter darf Sendungen, die für Jugendliche bis sechzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr und Sendungen, die für Jugendliche bis achtzehn Jahren ungeeignet sind, nur zwischen 23.00 und 6.00 Uhr verbreiten.
(3) In den Anwendungsgrundsätzen nach Artikel 13 verständigen sich die Landesstellen auch darüber, inwieweit die Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und die Einstufungen der freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft zugrunde gelegt werden.

Artikel 9 Werbung

(1) Werbung ist als solche zu kennzeichnen und vom übrigen Programm zu trennen. Sie darf 20 v. H. der täglichen Sendezeit nicht überschreiten. Sie darf nur in Blöcken verbreitet werden; eine Sendung, deren Dauer 60 Minuten übersteigt, darf einmal Werbeeinschaltungen enthalten.
(2) Werbung, die sich auch an Kinder oder Jugendliche richtet, darf nicht deren Unerfahrenheit mißbräuchlich ausnutzen.
(3) Werbung darf das übrige Programm inhaltlich nicht beeinflussen.
(4) Werbung im Sinne dieser Bestimmung sind nicht Sendungen, die von einem Dritten (Sponsor) finanziert werden, ohne daß ihr Inhalt in einem Zusammenhang mit dessen wirtschaftlichem Interesse steht. Der Sponsor muß genannt werden.

Artikel 10 Verlautbarungspflicht

Der Anbieter hat der Bundesregierung und den drei Landesregierungen für amtliche Verlautbarungen unverzüglich angemessene Sendezeiten einzuräumen, wenn dies wegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. Der Anbieter kann Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.

Artikel 11 Aufzeichnungspflicht, Kennzeichnung

(1) Der Anbieter hat das Programm in Bild und Ton vollständig aufzuzeichnen und mindestens zwei Monate lang aufzubewahren. Danach kann der Anbieter die Aufzeichnung löschen, wenn ihm nicht zuvor eine Beanstandung oder Beschwerde mitgeteilt worden ist.
(2) Jeder Programmbeitrag muß den Namen des Anbieters erkennen lassen. Seine Anschrift sowie die Namen der für die Programmbeiträge zu bestellenden verantwortlichen Personen sind am Ende der täglichen Sendezeit anzugeben.

Artikel 12 Anwendung ergänzenden Landesrechts

(1) Soweit dieser Staatsvertrag keine Regelungen enthält, sind die landesrechtlichen Vorschriften anzuwenden. Die Artikel 7 bis 10 enthalten abschließende Regelungen.
(2) Trägerschaft und Verantwortung des Programms richten sich nach dem jeweiligen Landesrecht.
(3) Maßnahmen zum Vollzug des Staatsvertrags und des ergänzenden Landesrechts der drei Länder trifft gegenüber den Anbietern jeweils eine der Landesstellen im Einvernehmen mit den beiden anderen. Die Zuständigkeit wechselt im Turnus von zwei Jahren ab Beginn der Ausstrahlung in der Reihenfolge Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz. Unberührt bleiben eigenständige Maßnahmen, die die Bayerische Landeszentrale für neue Medien im Einzelfall aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft und öffentlichen Verantwortung trifft.

Artikel 13 Zusammenarbeit

Zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis werden die drei Landesstellen in Fragen der allgemeinen Programmgrundsätze, des Jugendschutzes und der Werbung gemeinsame Anwendungsgrundsätze vereinbaren. Die Landesstellen arbeiten auch hinsichtlich der Nutzung der terrestrischen Fernsehfrequenzen ( Artikel 1 Abs. 4) zusammen.

Artikel 14 Hörfunk, Videotext

(1) Wer eine Zulassung oder Genehmigung nach Artikel 6 hat, ist berechtigt, auf dem Kanal auch Videotext und außerhalb der Fernsehzeiten Hörfunk zu verbreiten. Artikel 7, 8, 9 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 bis 4, Artikel 10, 11 und 12 gelten entsprechend.
(2) Der Bayerische Rundfunk, der Süddeutsche Rundfunk und der Südwestfunk werden ermächtigt und verpflichtet, ein gemeinsames Hörfunkprogramm kultureller Zielsetzung über Rundfunksatelliten zu veranstalten. Hierzu wird einer der auf das Land Baden-Württemberg entfallenden Hörfunkkanäle zur digitalen Übertragung in Stereoqualität genutzt. Die Federführung für das Programm hat der Südwestfunk.

Artikel 15 Kündigung

(1) Jedes Land kann mit einer Frist von zwölf Monaten zum Ende des auf den Ablauf der Zulassung oder Genehmigung folgenden Jahres den Staatsvertrag kündigen. Zwischen den übrigen Ländern bleibt der Staatsvertrag in Kraft. Kündigt ein Land, kann jedes andere innerhalb von drei Monaten nach Zugang der Kündigung erklären, daß es sich dieser anschließt.
(2) Wird in einem Land die Zulassung oder Genehmigung vorzeitig unwirksam, so kann dieses Land den Staatsvertrag mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende kündigen. Diese Kündigung läßt die nach diesem Staatsvertrag erteilten Zulassungen oder Genehmigungen in den anderen Ländern unberührt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
(3) Artikel 14 Abs. 2 kann von jedem der vertragschließenden Länder mit halbjähriger Kündigungsfrist zum Ende eines Kalenderjahres, erstmals zum 31. Dezember 1990, gekündigt werden. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

Artikel 16 Inkrafttreten

Dieser Staatsvertrag tritt eine Woche nach Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
Rolandseck, den 12. Mai 1986
Für das Land Baden-Württemberg:
Lothar Späth
Für den Freistaat Bayern:
Franz Josef Strauß
Für das Land Rheinland-Pfalz:
Bernhard Vogel
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