Verordnung des Justizministeriums über die Durchführung der Abschiebungshaft in Baden-Württemberg (Abschiebungshaftvollzugsverordnung - AHaftVO) Vom 7. März 2016
§ 1 Aufnahme
(1) Die Aufnahme von Untergebrachten in der Einrichtung erfolgt, unbeschadet abweichender Absprachen im Einzelfall, täglich in der Zeit von 7 bis 21 Uhr.
(2) Die Aufnahme erfolgt nach Vorlage der richterlichen Anordnung. Die für die Beantragung von Abschiebungshaft zuständige Behörde übermittelt der Einrichtung vor der Aufnahme die ihr vorliegenden vollzugsrelevanten Erkenntnisse.
§ 2 Nachtruhe, Einschluss
(1) Die Nachtruhe umfasst den Zeitraum von 22 bis 7 Uhr.
(2) Während der Nachtruhe haben sich die Untergebrachten grundsätzlich in ihren Zimmern aufzuhalten und werden dort eingeschlossen. Die Leitung der Einrichtung kann auch während der Nachtruhe den Aufenthalt im jeweiligen Unterbringungsbereich zulassen, wenn hierdurch die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung nicht beeinträchtigt wird.
(3) Außerhalb der Nachtruhe dürfen sich die Untergebrachten in den für sie vorgesehenen Bereichen der Einrichtung grundsätzlich frei bewegen. Einschränkungen sind zulässig, wenn und soweit es die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung erfordert.
§ 3 Besuche
(1) Untergebrachte dürfen täglich in der Zeit von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr (Besuchszeit) Besuch in den hierfür vorgesehenen Besuchsräumen empfangen. Besucherinnen und Besucher werden bis 15.30 Uhr eingelassen. Eine Beaufsichtigung von Besuchen ist zulässig.
(2) Besuche beauftragter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie durch Angehörige der Konsularbehörden und anderer Behörden sind auch außerhalb der Besuchszeit, jedoch nicht während der Nachtruhe, zuzulassen. Diese Besuche finden ohne Beaufsichtigung statt, es sei denn, die Anwesenheit einer oder eines Bediensteten wird von der oder dem Untergebrachten oder der Besucherin oder dem Besucher gewünscht. Die Vertraulichkeit dabei geführter Gespräche ist, sofern nicht zwingende organisatorische Gründe entgegenstehen, mittels eigens hierzu bereit gestellter Räume sicherzustellen.
(3) Ein Besuch kann nach einer Abmahnung abgebrochen werden, wenn aufgrund des Verhaltens der Besucherinnen oder Besucher oder der Untergebrachten die Sicherheit oder in schwerwiegender Weise die Ordnung der Einrichtung gefährdet wird. Die Abmahnung unterbleibt, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen.
(4) Besucherinnen und Besucher haben sich auszuweisen. Besuche können davon abhängig gemacht werden, dass die Besucherinnen oder Besucher sich und ihre mitgebrachten Gegenstände durchsuchen lassen. Die Verwendung eines Metalldetektors zur Zutrittskontrolle ist zulässig. Taschen, Jacken und Mäntel, Mobiltelefone mit Kamerafunktion oder Internetzugang, Notebooks und Tablets mit Kamerafunktion oder Gegenstände, die zur Flucht oder dazu dienen können, sich der Unterbringung zu entziehen, sind in den Besuchsräumen nicht zugelassen. Die Bediensteten können das Mitführen von Gegenständen, die geeignet sind, Personen zu verletzen oder Sachen zu beschädigen, untersagen. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch für anwaltliche Besuche mit der Einschränkung, dass eine inhaltliche Überprüfung der von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen nicht zulässig ist.
(5) Aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung können die Untergebrachten nach einem Besuch durchsucht werden.
§ 4 Taschengeld, Bargeld, Eigengeld
(1) Taschengeld wird entsprechend den gesetzlichen Vorgaben gezahlt. Soweit die Untergebrachten über hinreichende eigene finanzielle Mittel verfügen, kann eine Auszahlung unterbleiben.
(2) Der Besitz von Bargeld und persönlichen Wertgegenständen ist Untergebrachten aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung nicht gestattet. Die Untergebrachten haben insbesondere bei der Aufnahme mitgeführtes Bargeld und persönliche Wertgegenstände der Einrichtung gegen Bestätigung in Verwahrung zu geben. Die Bestätigung erfasst die Höhe des Bargeldes oder die Art des Wertgegenstandes.
(3) Untergebrachten sind eingebrachte, für sie eingezahlte oder überwiesene Geldbeträge, die ihnen nicht als Bargeld belassen werden, als Eigengeld gutzuschreiben. Untergebrachte dürfen vorbehaltlich des § 66
Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes und des § 7a
des Asylbewerberleistungsgesetzes über entsprechende Eigengeldguthaben verfügen.
§ 5 Verpflegung, Einkauf
(1) Die Untergebrachten werden angemessen verpflegt. Auf religiöse Speisevorschriften und gesundheitliche Erfordernisse wird hierbei Rücksicht genommen.
(2) Den Untergebrachten ist im Rahmen der baulich-organisatorischen Möglichkeiten zu gestatten, in Gemeinschaftsküchen Speisen selbst zuzubereiten, soweit dem nicht im Einzelfall die Sicherheit oder Ordnung oder betriebliche Gründe der Einrichtung entgegenstehen.
(3) Die Untergebrachten können auf eigene Kosten zusätzliche Nahrungsmittel und Getränke sowie Hygieneartikel und Gegenstände des täglichen Bedarfs käuflich erwerben.
(4) Die Einrichtung bietet die Möglichkeit eines regelmäßigen Einkaufs, dessen Angebot die Wünsche und Bedürfnisse der Untergebrachten angemessen berücksichtigt. Alkoholhaltige Getränke und andere berauschende Mittel, rezept- und apothekenpflichtige Arzneimittel sowie Gegenstände, welche die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung gefährden können, sind vom Verkauf ausgeschlossen.
§ 6 Freizeit, Sport
(1) Im Rahmen der räumlichen und betrieblichen Gegebenheiten der Einrichtung sind ausreichende Möglichkeiten der Freizeitgestaltung vorzuhalten.
(2) Den Untergebrachten soll ausreichende sportliche Betätigung im Freien innerhalb der Einrichtung und in den Gebäuden der Einrichtung ermöglicht werden.
(3) In den Gemeinschaftsräumen sollen Spiele und handwerklich-künstlerische Aktivitäten angeboten werden. Darüber hinaus sollen Druckerzeugnisse in verschiedenen Sprachen im Rahmen des Medienangebots bereitgehalten werden.
§ 7 Kleidung, persönlicher Bereich
(1) Untergebrachte dürfen eigene Kleidung benutzen. Dies gilt nicht, wenn und soweit Gründe der Sicherheit oder Ordnung es erfordern. Bettzeug und Handtücher werden durch die Einrichtung gestellt. Bei Bedarf sind Untergebrachten Kleidung und Artikel der Körperhygiene zur Verfügung zu stellen. Die Kleidung kann von den Untergebrachten selbst gereinigt werden. Geeignete Waschmöglichkeiten sind in der Einrichtung vorzusehen.
(2) Unbeschadet des § 4 Absatz 2 Satz 1 dürfen Untergebrachte keine Gegenstände besitzen, welche die Sicherheit oder Ordnung in der Einrichtung gefährden können. Hierzu gehören insbesondere Gegenstände, die geeignet sind, Personen zu verletzen oder Sachen zu beschädigen, oder die zur Flucht oder dazu dienen können, sich der Unterbringung zu entziehen. Derartige Gegenstände können den Untergebrachten entzogen werden. Sie dürfen verwertet oder auf Kosten der Untergebrachten vernichtet werden, wenn sie nicht in Verwahrung genommen werden können.
(3) Nicht zulässig ist der Besitz oder Konsum von Alkohol und sonstigen Rauschmitteln sowie rezept- oder apothekenpflichtigen Medikamenten, soweit diese nicht im Einzelfall durch ärztliche Verordnung zugelassen wurden.
§ 8 Reinigung
(1) Gemeinschafts- und Verwaltungsräume, Flure, Treppenhäuser und sanitäre Einrichtungen werden außerhalb der Nachtruhe regelmäßig gereinigt. Während der Reinigung haben die Untergebrachten die jeweils zu säubernden Bereiche zu verlassen.
(2) Bedienstete der Einrichtung kontrollieren außerhalb der Nachtruhe in regelmäßigen Abständen den hygienischen Zustand aller Räume und Einrichtungsgegenstände.
§ 9 Betreuung und Beratung
(1) Die soziale und psychologische Betreuung der Untergebrachten wird durch Bedienstete der Einrichtung gewährleistet.
(2) Das Regierungspräsidium Karlsruhe berät die Untergebrachten in Angelegenheiten, die seiner Zuständigkeit nach § 8
der Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung unterfallen.
(3) Auf Wunsch erhalten Untergebrachte eine kostenlose Erstberatung durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nach Maßgabe des Beratungshilfegesetzes.
§ 10 Beirat
(1) Der Beirat im Sinne des § 13
des Abschiebungshaftvollzugsgesetzes Baden-Württemberg besteht aus drei Mitgliedern. Die Mitglieder des Beirats werden für die Dauer von fünf Jahren vom Justizministerium bestellt. Die Bestellung erfolgt aus einer Vorschlagsliste, um deren Aufstellung die Einrichtungsleitung den Gemeinderat der Gemeinde, in der die Einrichtung liegt, bittet. Für jedes Mitglied ist eine Stellvertreterin oder ein Stellvertreter zu bestellen. Bedienstete der Einrichtung dürfen nicht Mitglieder des Beirats sein. Die Mitglieder des Beirats haben über die ihnen in ihrem Amt bekannt gewordenen Angelegenheiten auch nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft Verschwiegenheit zu wahren. Scheidet ein Mitglied des Beirats im Laufe der Amtsperiode aus, so wird für den Rest der Amtsperiode ein neues Mitglied bestellt. Die Bestellung eines Mitglieds kann aus wichtigem Grund, insbesondere wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, widerrufen werden.
(2) Der Beirat wählt aus seiner Mitte das vorsitzende Mitglied und dessen Stellvertretung mit den Stimmen der Mehrheit der Mitglieder. Entsprechendes gilt für die Abwahl. Wahl oder Abwahl können nur erfolgen, wenn eine entsprechende Tagesordnung den Mitgliedern des Beirats rechtzeitig vor der Sitzung schriftlich oder elektronisch zugegangen ist.
(3) Das vorsitzende Mitglied führt die Geschäfte, vertritt den Beirat nach außen und beruft den Beirat zu mindestens drei Sitzungen im Jahr ein, an denen auch die Einrichtungsleitung beratend teilnimmt. Auf Wunsch des Beirats sollen auch weitere von ihm benannte Bedienstete der Einrichtung an der Sitzung beratend teilnehmen. Der Beirat beschließt mit Stimmenmehrheit. Er ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesend ist.
(4) Über jede Beiratssitzung ist eine Niederschrift einschließlich einer Anwesenheitsliste zu fertigen, die der Leitung der Einrichtung und dem Justizministerium zuzuleiten ist. Personenbezogene Daten der Untergebrachten sind vor der Übermittlung zu anonymisieren. Personenbezogene Daten der Untergebrachten dürfen vom Beirat an die Einrichtungsleitung und das Justizministerium nur übermittelt werden, wenn dies zu deren Aufgabenerfüllung oder zur eigenen Aufgabenerfüllung des Beirats erforderlich ist oder die betroffenen Personen im Einzelfall nach
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4. Mai 2016, S. 1, ber. ABl. L 314 vom 22. November 2016, S. 72) in der jeweils geltenden Fassung in die Übermittlung eingewilligt haben. Sofern Daten im Sinne des
Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 übermittelt werden, muss sich die Einwilligung der betroffenen Personen auch ausdrücklich darauf beziehen.
(5) Die Mitglieder des Beirats können die Einrichtung besichtigen und sich insbesondere über die Unterbringung, Freizeitangebote, Verpflegung und medizinische Versorgung unterrichten lassen. Sie können die Untergebrachten mit deren Einverständnis in ihren Zimmern außerhalb der Nachtruhe aufsuchen. Der Beirat kann im Einzelfall Aufgaben einem Mitglied übertragen.
(6) Die Einrichtungsleitung unterstützt den Beirat bei der Erfüllung seiner Aufgaben, erteilt ihm auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte und nimmt an Besichtigungen der Einrichtung teil. Die Einrichtungsleitung unterrichtet das vorsitzende Mitglied über jede Flucht aus der Einrichtung sowie über besondere Vorkommnisse in der Einrichtung. Personenbezogene Daten der Untergebrachten dürfen von der Einrichtungsleitung an den Beirat nur übermittelt werden, wenn dies zur eigenen Aufgabenerfüllung oder zur Aufgabenerfüllung des Beirats erforderlich ist oder die betroffenen Personen im Einzelfall nach
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2016/679 in die Übermittlung eingewilligt haben. Sofern Daten im Sinne des
Artikels 9 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2016/679 übermittelt werden, muss sich die Einwilligung der betroffenen Personen auch ausdrücklich darauf beziehen.
(7) Das Justizministerium soll jährlich eine Besprechung mit dem Beirat durchführen. Der Beirat soll dem Justizministerium einen Jahresbericht vorlegen und dabei Anregungen und Empfehlungen aussprechen.
§ 11 Entschädigung der Beiratsmitglieder
(1) Die Mitglieder des Beirats erhalten für ihre Tätigkeit ein Sitzungsgeld. Mit dem Sitzungsgeld wird auch eine Zeitversäumnis abgegolten. Daneben kann eine Entschädigung für Verdienstausfall nach Maßgabe des Absatzes 3 gewährt werden. Ein weiterer Auslagenersatz findet nicht statt.
(2) Für die Teilnahme an einer Sitzung des Beirats wird je Sitzungstag bei einer Sitzungsdauer bis zu zwei Stunden ein Sitzungsgeld in Höhe von 10 Euro und bei einer längeren Sitzungsdauer in Höhe von 20 Euro gewährt. Die Besichtigung der Einrichtung durch den Beirat ist wie die Teilnahme an einer Sitzung zu behandeln. Sitzungen und Besichtigungen gelten für die Berechnung des Sitzungsgeldes als eine Tätigkeit, wenn sie am selben Tage stattfinden.
(3) Weist ein Beiratsmitglied Verdienstausfall oder notwendige Stellvertretungskosten nach, so kann, soweit eine Entschädigung nicht von anderer Seite gewährt wird, eine Entschädigung gezahlt werden. Die Entschädigung richtet sich bei unselbstständiger Tätigkeit nach dem regelmäßigen Bruttoverdienst des Beiratsmitgliedes einschließlich der vom Arbeitgeber zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge. Es kann jedoch für jede angefangene Stunde der versäumten Arbeitszeit höchstens eine Entschädigung für Verdienstausfall in sinngemäßer Anwendung des § 18
Satz
1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes gewährt werden. Als versäumt gilt die Zeit, während der das Beiratsmitglied seiner gewöhnlichen Beschäftigung infolge seiner Teilnahme an der Sitzung nicht nachgehen konnte. Die Entschädigung wird für höchstens zehn Stunden je Sitzungstag gewährt. Die letzte angefangene Stunde wird voll gerechnet. Die Entschädigung für den Verdienstausfall oder notwendige Stellvertretungskosten wird nur dann gewährt, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Sitzungsgeldes vorliegen.
(4) Beiratsmitglieder, die Landesbedienstete sind, erhalten Reisekostenvergütung nach Maßgabe des Landesreisekostengesetzes. Auf Beiratsmitglieder, die nicht Landesbedienstete sind, findet das Landesreisekostengesetz entsprechende Anwendung.
§ 12 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.
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