Neufassung der Geschäftsordnung der Landesregierung Baden-Württemberg Vom 26. Juli 2022
§ 1 Aufgaben und Vertretung des Ministerpräsidenten
(1) Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik und trägt dafür die politische Verantwortung.
(2) Die Beschlüsse der Landesregierung sind im Regelfall im Landtag und in der Öffentlichkeit einheitlich zu vertreten.
(3) Innerhalb der Richtlinien der Regierungspolitik leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbstständig unter eigener Verantwortung.
(4) Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte.
(5) Ist der Ministerpräsident dauerhaft an der Wahrnehmung der Geschäfte verhindert, werden sie von dem von ihm bestellten Vertreter (stellvertretenden Ministerpräsidenten), bei dessen Verhinderung von den Ministern in der vom Ministerpräsidenten bestimmten Reihenfolge wahrgenommen.
§ 2 Unterrichtung des Ministerpräsidenten
(1) Der Ministerpräsident ist aus den Geschäftsbereichen der einzelnen Ministerien über alle Maßnahmen, die für die Richtlinien der Politik und die Leitung der Regierungsgeschäfte von Bedeutung sind, fortlaufend zu unterrichten.
(2) Im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen kann der Ministerpräsident von den Ministern Auskünfte sowie wesentliche Unterlagen verlangen.
§ 3 Staatsministerium und Vertretung des Landes nach außen
(1) Der Ministerpräsident bedient sich zur Führung seiner Geschäfte des Staatsministeriums. Dessen Leitung obliegt nach Weisung des Ministerpräsidenten dem Chef der Staatskanzlei.
(2) Dem Vertreter des Landes bei der Europäischen Union ist unbeschadet des Vertretungsrechts des Ministerpräsidenten nach außen (Artikel 50 Satz 1
der Landesverfassung) grundsätzlich die ständige Wahrnehmung der Aufgaben und Interessen des Landes gegenüber den Organen und Institutionen der Europäischen Union übertragen.
(3) Der Bevollmächtigte des Landes beim Bund wird vom Ministerpräsidenten bestellt. Ihm obliegt nach Weisung des Ministerpräsidenten die Leitung der Vertretung des Landes beim Bund und grundsätzlich die ständige Wahrnehmung der Aufgaben und Interessen des Landes gegenüber den Organen und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland.
§ 4 Art der Beschlussfassung
(1) Die Landesregierung fasst ihre Beschlüsse in der Regel nach mündlicher Beratung in einer Sitzung des Ministerrats. Die mündliche Beratung und die Beschlussfassung können auch im Wege elektronischer Kommunikation erfolgen, sofern der Chef der Staatskanzlei dies anordnet.
(2) In eiligen Angelegenheiten oder in Angelegenheiten, in denen eine mündliche Beratung nicht erforderlich ist, kann der Chef der Staatskanzlei die Zustimmung der Mitglieder der Landesregierung in Textform einholen (Umlaufverfahren). Das Ergebnis ist zu dokumentieren. Bestehen Zweifel, ob eine Beschlussfassung ohne mündliche Beratung angezeigt ist, hat er die Entscheidung des Ministerpräsidenten einzuholen. Die im Umlaufverfahren gefassten Beschlüsse werden unverzüglich vom Staatsministerium den anderen Ministerien zugeleitet.
§ 5 Vorherige Beratung, Vorkonferenz
(1) Angelegenheiten, die den Geschäftsbereich mehrerer Ministerien berühren, sind vor ihrer Beratung durch die Landesregierung zwischen den zuständigen Ressorts abzustimmen. In den Kabinettsvorlagen sind die nach der Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und der Ministerien zur Erarbeitung von Regelungen (VwV Regelungen) durchzuführenden Folgenabwägungen darzustellen. Das Nähere regelt die VwV Regelungen.
(2) Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Ministerien berühren, dürfen in der Regel dem Ministerrat erst dann zur Beratung und Entscheidung unterbreitet werden, wenn ein Verständigungsversuch zwischen den beteiligten Ministern ohne Erfolg geblieben ist.
(3) Kabinettsvorlagen, die für die Richtlinien der Politik und die Leitung der Regierungsgeschäfte von Bedeutung sein können, sind vorab mit dem Staatsministerium zu erörtern. Sämtliche Kabinettsvorlagen sind im Rahmen der Ressortabstimmung auch dem Staatsministerium zuzuleiten.
(4) Die Sitzungen des Ministerrats werden durch die Vorkonferenz der Amtschefs der Ressorts unter Vorsitz des Chefs der Staatskanzlei vorbereitet.
(5) Kabinettsvorlagen sind von dem federführenden Ressort spätestens sechs Arbeitstage vor der Sitzung des Ministerrats dem Staatsministerium und sämtlichen Mitgliedern der Landesregierung zuzuleiten. Die Aufnahme verspätet eingereichter Vorlagen auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung kann durch den Chef der Staatskanzlei abgelehnt werden. Der Kabinettsvorlage ist als Vorblatt eine einseitige Zusammenfassung ihrer wesentlichen Inhalte beizufügen.
§ 6 Einberufung der Sitzungen, Vertraulichkeit
(1) Die Sitzungen des Ministerrats und deren Tagesordnung werden durch den Chef der Staatskanzlei nach näherer Anweisung des Ministerpräsidenten festgesetzt. Das Staatsministerium veranlasst die rechtzeitige Einladung zu den Sitzungen unter Beifügung der Tagesordnung.
(2) Die Sitzungen der Landesregierung und der Vorkonferenz sowie die zu beratenden Kabinettsvorlagen sind streng vertraulich.
§ 7 Vorsitz, Teilnahme
(1) Die Sitzungen des Ministerrats finden unter Vorsitz des Ministerpräsidenten statt.
(2) An den Sitzungen der Landesregierung nehmen außer den Mitgliedern in der Regel teil:
1.
der Chef der Staatskanzlei,
2.
die politischen Staatssekretäre,
3.
die Abteilungsleiter des Staatsministeriums,
4.
im Verhinderungsfall eines Regierungsmitglieds, dessen Ressort über keinen politischen Staatssekretär verfügt, der Amtschef, sofern der Ministerpräsident im Einzelfall keine andere Anordnung trifft.
(3) Weitere Personen können im Einvernehmen mit dem Ministerpräsidenten hinzugezogen werden.
§ 8 Beschlussfähigkeit, Beschlussfassung
(1) Die Landesregierung ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder anwesend ist.
(2) Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefasst. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Ministerpräsidenten.
§ 9 Niederschrift über die Sitzung der Landesregierung
(1) Über die Sitzung der Landesregierung wird eine Niederschrift gefertigt, die vom Chef der Staatskanzlei freigegeben wird. Die Niederschrift hält die Anwesenheit in der Sitzung und den Wortlaut der Ministerratsbeschlüsse fest. Mehrfertigungen der Niederschrift werden unverzüglich den Regierungsmitgliedern zugeleitet. Die Niederschrift gilt als genehmigt, wenn nicht gegen sie binnen drei Arbeitstagen nach Zugang von den Regierungsmitgliedern Einwendungen erhoben werden. Die Frist kann auf Anordnung des Chefs der Staatskanzlei in eiligen Angelegenheiten verkürzt werden.
(2) Die Niederschriften der Sitzungen der Landesregierung und der Vorkonferenz sind streng vertraulich.
§ 10 Ausfertigung von Verordnungen
(1) Verordnungen der Landesregierung werden nach Gegenzeichnung durch den zuständigen Minister vom Ministerpräsidenten gezeichnet. Ressortverordnungen werden - auch wenn sie der Landesregierung vorgelegen haben - in der Regel von dem zuständigen Minister allein gezeichnet.
(2) Unter der ausdrücklichen Bezeichnung »Die Landesregierung« sollen - abgesehen von Fällen besonderer Ermächtigung durch die Landesregierung - nur der Ministerpräsident oder mit ihm der zuständige oder mit ihm alle Minister zeichnen.
§ 11 Kabinettsausschüsse
(1) Der Ministerrat kann Kabinettsausschüsse einsetzen. Die Kabinettsausschüsse wirken an der Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen mit.
(2) Vorsitzender der Kabinettsausschüsse ist der Ministerpräsident. Der Vorsitz kann auf ein Mitglied der Landesregierung übertragen werden.
(3) Ständige Mitglieder eines Kabinettsausschusses sind die Mitglieder der Landesregierung, deren Geschäftsbereich regelmäßig und nicht nur unwesentlich betroffen ist. Andere Mitglieder der Landesregierung werden von Fall zu Fall hinzugezogen, wenn Gegenstände ihres Geschäftsbereichs beraten werden.
(4) Im Übrigen gelten für die Arbeitsweise und Durchführung der Sitzungen die Vorschriften über die Sitzungen des Ministerrats entsprechend.
§ 12 Geschäftsverkehr mit dem Bund und der Europäischen Union
Die Ministerien verkehren mit den Organen und Behörden von Bund und der Europäischen Union unmittelbar, soweit es sich nicht um Angelegenheiten handelt, die in ihrer Bedeutung über den Verantwortungsbereich des einzelnen Ministeriums hinausgehen. In politisch bedeutsamen Fällen sind dabei zur Sicherstellung der Einheitlichkeit von Erklärungen und Maßnahmen des Landes andere Ministerien, deren Zuständigkeit berührt ist, und das Staatsministerium zu beteiligen.
§ 13 Auslegung der Geschäftsordnung
(1) Sofern in der Geschäftsordnung für Kommunikations-, Niederschrifts- und Zuleitungsprozesse keine Form vorgeschrieben ist, genügt die Textform.
(2) Bei Zweifeln über die Auslegung der Geschäftsordnung entscheidet der Ministerpräsident im Einvernehmen mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten.
§ 14 Inkrafttreten
Die Geschäftsordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Geschäftsordnung vom 12. Mai 2021 (GBl. S. 429) außer Kraft.
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