EULG
DE - Landesrecht Baden-Württemberg

Gesetz über die Beteiligung des Landtags in Angelegenheiten der Europäischen Union (EULG) Vom 17. Februar 2011

§ 1 Information des Landtags

(1) Die Landesregierung übersendet dem Landtag auf elektronischem Weg unverzüglich die ihr vom Bundesrat übermittelten Vorhaben der Europäischen Union und gibt ihm rechtzeitig vor den Beratungen des Bundesrats Gelegenheit zur Stellungnahme.
(2) Offene Dokumente der Europäischen Union werden von der Landesregierung offen weitergegeben. Die Sicherheitseinstufung über eine besondere Vertraulichkeit wird vom Landtag beachtet.

§ 2 Unterrichtung des Landtags über Vorhaben der Europäischen Union

(1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt in einem Berichtsbogen über alle Vorhaben der Europäischen Union, die von erheblicher politischer Bedeutung für das Land sind und entweder die Gesetzgebungszuständigkeiten des Landes betreffen oder wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren.
(2) Der Berichtsbogen enthält Angaben über den Inhalt des Vorhabens und die Zuständigkeit der Europäischen Union und gibt eine erste Einschätzung über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Subsidiaritäts- und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sowie die zu erwartenden Folgen des Vorhabens für das Land, insbesondere zu Kosten, Verwaltungsaufwand, Umsetzungsbedarf und Kommunalverträglichkeit. Die Landesregierung teilt den voraussichtlichen Termin der Behandlung des Vorhabens im Bundesrat mit.
(3) Die Landesregierung leitet dem Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt ferner den Berichtsbogen zu, den die Bundesregierung dem Bundesrat gemäß Ziffer II. Nr. 3 der Anlage (zu § 9) des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union übermittelt.

§ 3 Unterrichtung über Frühwarndokumente

(1) Zu Entwürfen von Gesetzgebungsakten der Europäischen Union (Frühwarndokumente) gemäß § 2 Abs. 1 übermittelt die Landesregierung dem Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens jedoch drei Wochen nach Eingang des Frühwarndokuments bei der Landesregierung, einen Berichtsbogen gemäß § 2 Abs. 2.
(2) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag im Hinblick auf Frühwarndokumente zum frühestmöglichen Zeitpunkt über den Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens der Europäischen Union; diese Unterrichtung enthält alle relevanten Informationen, insbesondere auch zu Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten.
(3) Die Landesregierung weist den Landtag im Rahmen ihrer Mitteilungen über die Ergebnisse der Sitzungen des Bundesrates auf die vom Bundesrat erhobenen Subsidiaritätsrügen und -klagen hin.

§ 4 Unterrichtung über das Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission

Die Landesregierung legt dem Landtag eine Bewertung des jeweiligen Arbeitsprogramms der Europäischen Kommission zeitnah nach dessen Erscheinen vor.

§ 5 Unterrichtung im Falle der Übertragung der Verhandlungsführung

Wird die Verhandlungsführung im Rat der Europäischen Union auf einen Vertreter der Länder übertragen, leitet die Landesregierung dem Landtag um frühestmöglichen Zeitpunkt die Tagesordnung der Sitzung zu. Auf Verlangen des Landtags unterrichtet die Landesregierung den Landtag rechtzeitig vor der entsprechenden Sitzung mündlich oder schriftlich über die zu beratenden Themen.

§ 6 Unterrichtung über Vertragsänderungsverfahren, Flexibilitätsklausel und Notbremsemechanismus

(1) Die Landesregierung unterrichtet den Landtag zum frühestmöglichen Zeitpunkt über beabsichtigte Vertragsänderungen sowohl im Rahmen von Regierungskonferenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch im Rahmen von im Vertrag von Lissabon geregelten Vertragsänderungsverfahren (Vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren, besondere Vertragsänderungsverfahren, Brückenklauseln, Kompetenzerweiterungsklauseln), die die Zustimmung des Bundesrats erfordern.
(2) Die Landesregierung unterrichtet ferner über Vorschläge zum Erlass von Vorschriften gemäß Artikel 352 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (Flexibilitätsklausel), die dem Bundesrat zur Zustimmung vorliegen oder bei denen der Bundesrat im Rahmen des Notbremsemechanismus über ein Weisungsrecht verfügt.

§ 7 Unterrichtung über Prioritäten des Ratsvorsitzes der Europäischen Union

Die Landesregierung übermittelt dem Landtag die vom jeweiligen Vorsitz des Rates der Europäischen Union vorgelegten Schwerpunkte seiner Tätigkeit.

§ 8 Berücksichtigung von Stellungnahmen des Landtags

Die Landesregierung berücksichtigt Stellungnahmen des Landtags zu Vorhaben der Europäischen Union, die Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder wesentlich berühren.

§ 9 Bindung der Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags

(1) Sollen ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder ganz oder teilweise auf die Europäische Union übertragen werden, ist die Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags gebunden.
(2) Werden durch ein Vorhaben der Europäischen Union im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder unmittelbar betroffen, ist die Landesregierung an Stellungnahmen des Landtags gebunden, es sei denn, erhebliche Gründe des Landesinteresses stünden entgegen. Dies gilt auch für Beschlüsse des Landtags, mit denen die Landesregierung ersucht wird, im Bundesrat darauf hinzuwirken, dass entweder der Bundesrat im Falle der Subsidiaritätsklage oder die Bundesregierung zum Schutz der Gesetzgebungszuständigkeiten der Länder eine Klage vor dem Gerichtshof der Europäischen Union erhebt.
(3) Weicht die Landesregierung aus erheblichen Gründen des Landesinteresses von Stellungnahmen des Landtags nach Absatz 2 ab, so teilt sie nach der Sitzung des Bundesrats dem Landtag die maßgeblichen Gründe mit. Über ein bereits vor der Sitzung des Bundesrates beabsichtigtes abweichendes Stimmverhalten informiert die Landesregierung schon vor der Sitzung.

§ 10 Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Das vorstehende Gesetz wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden.
STUTTGART, den 17. Februar 2011

Die Regierung des Landes Baden-Württemberg:

MAPPUS

PROF. DR. GOLL

RAU

STÄCHELE

PFISTER

KÖBERLE

DR. STOLZ

 

GÖNNER

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