Verordnung über das Nationale Naturmonument Kluterthöhlensystem (NNM-VO Kluterthöhlensystem)
Verordnung über das Nationale Naturmonument Kluterthöhlensystem (NNM-VO Kluterthöhlensystem)
Vom 12. Februar 2019 (Fn 1)
Aufgrund des § 36 Absatz 4 des Landesnaturschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW. S. 568), der durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934) neu gefasst worden ist, in Verbindung mit § 22 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 und Absatz 5 sowie § 24 Absatz 4 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) geändert worden ist, verordnet das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur:
Präambel
Das großräumige Kluterthöhlensystem stellt einen einzigartigen und Millionen Jahre alten Karbonatkarst dar. Gelegen innerhalb des Klutertbergs, besteht es aus bisher acht voneinander getrennten Höhlen, die hydrologisch beziehungsweise speläologisch miteinander verbunden sind. Das bisher bekannte Höhlensystem umfasst Gänge von insgesamt über 7 000 Meter Länge. Es ist eine herausragende Naturerscheinung, die aus wissenschaftlichen und naturgeschichtlichen Gründen und wegen ihrer Seltenheit, Eigenart und Schönheit von nationaler Bedeutung ist. Durch tektonische Prozesse während der variszischen Gebirgsbildungsphase wurde eine devonische, etwa 385 Millionen Jahre alte Riffkalklinse zerklüftet und emporgehoben. Das Riff bildet eine etwa 12 Meter mächtige Karbonatschicht, die vorwiegend aus Korallen, Stromatoporen, Nautiliden und anderen Organismen aufgebaut ist und mit bis über 60 Meter Deckgestein überdeckt ist. Im Laufe der Zeit wurde das Riff durch eindringendes Wasser ausgelaugt und später durch die Hebung des Gebirges trockengelegt. Zurück blieb ein bizarr anmutendes Karsthöhlensystem mit vielfältigen Laugformen und einem dreidimensionalen Aufschluss des Riffkörpers, in dem die fossilen Organismen intakt und überwiegend in Lebendposition betrachtet werden können. Es handelt sich um den bundesweit einzigen Aufschluss dieser Art, der darüber hinaus im europaweiten Vergleich außerordentlich selten ist. Da das Höhlensystem nur in einem relativ kleinen Bereich als Schauhöhle für die Öffentlichkeit zugänglich ist, können sich die übrigen Areale ungestört weiter entwickeln. Die klimatischen Verhältnisse des Höhlensystems bedingen ein konstantes, jedoch empfindliches Ökosystem. Es bietet Lebensraum für zahlreiche geschützte und seltene Tierarten - insbesondere Arten, die ausschließlich in Höhlen vorkommen - und solche, die Höhlen als Teilhabitate nutzen. Aufgrund des ausgedehnten Gewässersystems bietet das Höhlensystem einen hervorragenden Einblick in das Grundwasserökosystem. Eine dort beschriebene Art, der Höhlenschnurwurm (Prostoma putealis), ist nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen bundesweit nur im Kluterthöhlensystem nachgewiesen. Überdies bedingt das konstante Höhlenklima im Zusammenwirken mit der Luftzusammensetzung positive Wirkungen auf den Menschen in Bezug auf Atemwegsleiden. Der hier seit Jahrzehnten betriebene Kurbetrieb verfolgt die anerkannte Therapieform der Speläotherapie.
§ 1 Erklärung zum Nationalen Naturmonument
Das sich unmittelbar nördlich der Ennepe auf dem Gebiet der Stadt Ennepetal im Ennepe-Ruhr-Kreis und innerhalb des verkarsteten Riffkörpers befindliche Kluterthöhlensystem mit seiner herausragenden wissenschaftlichen und naturgeschichtlichen Bedeutung wird in den in § 2 Absatz 2 bezeichneten Grenzen zum Nationalen Naturmonument mit der Bezeichnung „Kluterthöhlensystem“ erklärt.
§ 2 Geltungsbereich
(1) Das Nationale Naturmonument umfasst den 30 Hektar großen, das Höhlensystem einschließenden, verkarsteten und bis über 60 Meter überdeckten Riffkörper.
(2) Die maßgeblichen Grenzen des Nationalen Naturmonuments werden in einer Übersichtskarte im Maßstab 1 : 10 000 (Anlage 1) und einer Detailkarte im Maßstab 1 : 5 000 (Anlage 2) durch eine schwarze Linie mit einfachen, senkrecht aufstehenden Strichen nach innen zum Schutzgebiet hin gekennzeichnet. Die Karten und ein Flurstücksverzeichnis (Anlage 3) sind als Anlagen Bestandteile dieser Verordnung.
§ 3 Schutzzweck
(1) Dem verkarsteten Riffkörper mit dem darin befindlichen Kluterthöhlensystem kommt aus wissenschaftlichen und naturgeschichtlichen Gründen sowie wegen der Seltenheit, Eigenart und Schönheit der sich in ihm befindlichen geologischen Aufschlüsse als Erdarchiv, als Forschungsgegenstand sowie als Lebensraum seltener Tierarten eine bundesweit herausragende Bedeutung zu.
(2) Schutzzweck ist:
1. die Erhaltung des verkarsteten Riffkörpers einschließlich des sich in ihm befindlichen Höhlensystems aufgrund seiner Seltenheit, Eigenart und Schönheit,
2. die dauerhafte Sicherung, Pflege und Entwicklung des Höhlensystems innerhalb des verkarsteten Riffkörpers als einzigartiges und bedeutendes wissenschaftliches und naturgeschichtliches, insbesondere geowissenschaftliches, paläontologisches und paläoökologisches Objekt,
3. die Erhaltung, der Schutz und die Entwicklung der in den Höhlengewässern vorkommenden seltenen Arten, insbesondere des
a) Höhlenschnurwurms (Prostoma putealis)
sowie unter anderem der Höhlenflohkrebs-Arten
b) Niphargus fontanus,
c) Niphargus kochianus ssp. Kochianus und
d) Niphargus schellenbergi.
(3) Soweit es mit den Schutzzwecken des Absatzes 2 vereinbar ist, soll das Nationale Naturmonument auch
1. naturwissenschaftliche Forschungsarbeiten zur Aufklärung weiterer geowissenschaftlicher, paläontologischer, paläoökologischer, speläotherapeutischer und ökologischer Sachverhalte ermöglichen und
2. die geowissenschaftlichen, paläontologischen und paläoökologischen Besonderheiten gemäß ihrer nationalen Bedeutung erlebbar machen.
§ 4 Schutz-, Pflege- und Entwicklungsziele
(1) Im Nationalen Naturmonument
1. ist die Seltenheit, Eigenart und Schönheit des Höhlensystems für nachfolgende Generationen durch geeignete Maßnahmen zu erhalten und zu entwickeln,
2. sind alle Maßnahmen so durchzuführen, dass das Höhlensystem in seiner geohistorisch gewachsenen Form einschließlich seines unbelebten Inventars erhalten und sein Erlebniswert sowie sein Erscheinungsbild dauerhaft gesichert wird,
3. ist bei der Nutzung, Pflege und Entwicklung des Höhlensystems seine Funktion als Lebensraum für die Arten im Sinn des § 3 Absatz 2 Nummer 3 zu wahren,
4. ist bei der Durchführung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten, der Umwelt- und Geschichtsbildung, sowie bei den Maßnahmen zur Erlebbarkeit des Nationalen Naturmonuments zu gewährleisten, dass sie mit den in § 3 formulierten Schutzzwecken vereinbar sind und
5. ist das besondere Höhlenklima zu erhalten.
(2) Die untere Naturschutzbehörde bestimmt die erforderlichen Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten der Verordnung und legt ein Konzept für ein Monitoring fest.
§ 5 Verbote
Es sind alle Handlungen verboten, die den Schutzzweck des Nationalen Naturmonuments beeinträchtigen oder zu einer Zerstörung oder Beschädigung desselben oder seiner Bestandteile führen können.
Verboten ist insbesondere,
1. die Felssubstanz der Höhlen zu zerstören, zu beschädigen, zu entnehmen oder das Erscheinungsbild der Höhlen in jedweder Weise zu verändern,
2. das Höhleninventar oder Teile von ihm, insbesondere Tropfsteine und Fossilien, zu zerstören, zu beschädigen, zu berühren, zu entnehmen oder in jedweder anderen Weise sein Erscheinungsbild zu verändern,
3. wild lebende Tiere, insbesondere Tiere im Sinn des § 3 Absatz 2 Nummer 3, einschließlich all ihrer Entwicklungsstadien zu töten, zu verletzen, erheblich zu stören oder zu entnehmen,
4. das Höhlenklima zu verändern,
5. die Höhle außerhalb von mit der unteren Naturschutzbehörde abgestimmten, geführten Veranstaltungen oder kurtherapeutischen Anwendungen zu betreten,
6. das für den Kurbetrieb und die Führungen abgenommene Betriebswegenetz zu verlassen,
7. das Hinterlassen von Abfällen,
8. das Anlegen oder Mitführen offenen Feuers und offenen Lichts,
9. der Verzehr von Nahrungsmitteln,
10. das Anlegen oder Errichten von Wegen oder Einrichtungen, die Änderung bestehender Wege sowie die Durchführung von Erschließungsmaßnahmen, unter anderem die Errichtung stationärer und mobiler Einrichtungen, das Anlegen weiterer Öffnungen oder Zugänge zum Höhlensystem,
11. Maßnahmen durchzuführen, welche die Grundwassersituation oder die Funktion der Quellaustritte des Höhlensystems verändern,
12. das Einbringen von nicht autochthonem Gesteins- oder Bodenmaterial.
§ 6 Nicht betroffene Tätigkeiten, zulässige Handlungen
Unberührt von den Verboten des § 5 bleiben
1. von der unteren Naturschutzbehörde angeordnete oder mit ihr abgestimmte Schutz-, Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen sowie von dieser angeordnete oder mit dieser abgestimmte wissenschaftliche Untersuchungen,
2. soweit mit den Schutzzwecken des § 3 vereinbar unwesentliche Änderungen des Betriebswegenetzes inklusive der zugehörigen Einbauten im Rahmen der Unterhaltung,
die Pflege und Erhaltung und Ertüchtigung der elektrischen Anlage sowie unwesentliche Änderungen im Bereich des Vorplatzes und des Zugangsbereiches im Rahmen der Unterhaltung und Pflege, die Maßnahmen sind der zuständigen unteren Naturschutzbehörde nach Durchführung unverzüglich anzuzeigen und
3. unaufschiebbare Maßnahmen der Abwehr einer unmittelbar drohenden gegenwärtigen Gefahr, die Maßnahmen sind der zuständigen unteren Naturschutzbehörde nach Durchführung unverzüglich anzuzeigen.
§ 7 Ausnahmen und Befreiungen
(1) Auf Antrag kann die untere Naturschutzbehörde Ausnahmen für wesentliche Änderungen des Betriebswegenetzes einschließlich der zugehörigen Einbauten im Rahmen der Unterhaltung und Pflege und für wesentliche Änderungen des Vorplatzes und des Zugangsbereiches, sowie der elektrischen Anlage von den Verboten des § 5 zulassen, sofern der Schutzzweck nicht entgegensteht.
(2) Von den Verboten dieser Verordnung kann die untere Naturschutzbehörde auf Antrag eine Befreiung nach Maßgabe des § 67 Absatz 1 und 3 des Bundesnaturschutzgesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. September 2017 (BGBl. I S. 3434) geändert worden ist, in Verbindung mit § 75 Absatz 1 des Landesnaturschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juli 2000 (GV. NRW. S. 568), das durch Gesetz vom 15. November 2016 (GV. NRW. S. 934) neu gefasst worden ist, erteilen.
§ 8 Verhältnis zu anderen Schutzvorschriften
(1) Das Nationale Naturmonument ist zugleich Bestandteil des im Landschaftsplan „Raum Ennepetal / Gevelsberg / Schwelm“ im Jahr 2001 festgesetzten Naturschutzgebietes „Kluterthöhle und Bismarckhöhle“.
(2) Die Regelungen der in Absatz 1 genannten Unterschutzstellung bleiben unberührt.
§ 9 Ordnungswidrigkeiten
(1) Ordnungswidrig nach § 77 Absatz 1 Nummer 4 des Landesnaturschutzgesetzes handelt, wer im Nationalen Naturmonument vorsätzlich oder fahrlässig einem Verbot nach § 5 zuwiderhandelt, sofern nicht die Handlung nach § 6 zulässig ist oder für sie eine Ausnahme oder Befreiung nach § 7 erteilt wurde. Nach § 78 des Landesnaturschutzgesetzes können Ordnungswidrigkeiten mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden.
(2) Unberührt bleiben die Regelungen über die Ordnungswidrigkeiten nach anderen gesetzlichen Vorschriften.
§ 10 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Die Ministerin
für Umwelt, Landwirtschaft,
Natur- und Verbraucherschutz
des Landes Nordrhein-Westfalen
Anlagen: Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3
Fussnoten
In Kraft getreten am 13. März 2019 (GV. NRW. S. 160). |
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