Aufbewahrungsverordnung der Justiz Nordrhein-Westfalen AufbewJustVO NRW
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Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Aufbewahrungsverordnung der Justiz Nordrhein-Westfalen AufbewJustVO NRW)

Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (Aufbewahrungsverordnung der Justiz Nordrhein-Westfalen AufbewJustVO NRW)
Vom 29. November 2022 (Fn 1)
Auf Grund des § 121 Absatz 1 des Justizgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GV. NRW. S. 30), der durch Gesetz vom 23. Februar 2022 (GV. NRW. S. 254) geändert worden ist, und des § 2 Absatz 3 des Justizaktenaufbewahrungsgesetzes vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837, 852), der durch Artikel 3 Nummer 2 des Gesetzes vom 16. Oktober 2020 (BGBl. I S. 2187) neu gefasst worden ist, verordnet das Ministerium der Justiz:

§ 1 Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung regelt die Aufbewahrung und Speicherung der Akten, Aktenregister, Karteien und Verzeichnisse
1. in Verwaltungssachen der Gerichte, Staatsanwaltschaften, Justizvollzugseinrichtungen, Aus- und Fortbildungseinrichtungen und des für die Justiz zuständigen Ministeriums,
2. in Rechtssachen der Gerichte und Staatsanwaltschaften, die auf Landesrecht beruhen,
die für das Verfahren nicht mehr erforderlich sind, und die hierbei zu beachtenden Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen. Die Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen der Akten, Aktenregister, Karteien, Namens- und sonstigen Verzeichnisse der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Rechtssachen im Übrigen bestimmen sich nach der Justizaktenaufbewahrungsverordnung vom 8. November 2021 (BGBl. I S. 4834).
(2) Die Bestimmungen dieser Verordnung finden auch Anwendung, wenn Schriftgut zur Ersetzung der Urschrift als Wiedergabe auf einem Bildträger, auf anderen Datenträgern oder in elektronisch geführten Akten aufbewahrt wird, soweit nichts abweichend geregelt ist.
(3) Für die Akten, Aktenregister, Karteien, Namens- und sonstige Verzeichnisse deren Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Justizaktenaufbewahrungsverordnung bereits begonnen hatte, gelten die bisherigen landesrechtlichen Regelungen der Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2008 (GV. NRW. S. 404), die zuletzt durch Verordnung vom 14. November 2014
(GV. NRW. S. 766) geändert worden ist, fort.

§ 2 Durchführung der Aufbewahrung und Speicherung

(1) Die weggelegten oder abschließend bearbeiteten Akten, Aktenregister, Karteien, Namens- und sonstigen Verzeichnisse sind bis zum Ablauf der jeweiligen Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen vollständig aufzubewahren, vor unbefugtem Zugriff zu sichern und vor Beschädigung und Verfall zu schützen. Die Lesbarkeit der Akten ist zu gewährleisten.
(2) Bei elektronisch gespeicherten Akten, Aktenregistern, Karteien, Namens- und sonstigen Verzeichnissen sind die Vertraulichkeit, die Integrität, die Verfügbarkeit und die Authentizität durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten.

§ 3 Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen

(1) Die Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen bestimmen sich, mit Ausnahme des in den Absätzen 2 bis 6 genannten Schriftgutes, nach der Anlage zu dieser Verordnung. Für in der Anlage nicht ausdrücklich bezeichnete Akten gelten die für Akten in vergleichbaren Angelegenheiten bestimmten Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen.
(2) Aktenregister, Karteien, Namens- und sonstige Verzeichnisse sind dauernd aufzubewahren, soweit in ihnen Akten oder Aktenteile verzeichnet sind, die dauernd aufzubewahren sind. Im Übrigen sind Aktenregister und Karteien auszusondern, sobald die darin verzeichneten Dokumente vollständig ausgesondert wurden. Daten in Namens- und sonstigen Verzeichnissen sind zu löschen oder unkenntlich zu machen, sobald sie für abgeschlossene und laufende Verfahren nicht mehr benötigt werden.
(3) Die Aufbewahrung und Speicherung der Personalakten der Richterinnen und Richter, Beamtinnen und Beamten, der Unterlagen über Beihilfen, Heilfürsorge, Heilverfahren, Unterstützungen, Erholungsurlaub, Erkrankungen, Umzugs- und Reisekosten sowie der Versorgungsakten bestimmt sich nach § 90 des Landesbeamtengesetzes vom 14. Juni 2016 (GV. NRW. S. 310, ber. S. 642) in der jeweils geltenden Fassung. Die beamtenrechtliche Regelung ist nach § 18 Absatz 5 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 17. Mai 2018 (GV. NRW. S. 244, ber. S. 278, 404) in der jeweils geltenden Fassung für alle nicht beamteten Beschäftigten entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Besonderheiten des Tarif- und Arbeitsrechts hinsichtlich der Aufnahme und Entfernung von bestimmten Vorgängen und Vermerken eine abweichende Behandlung erfordern.
(4) Die Aufbewahrung und Speicherung für Schriftgut über Disziplinarsachen bestimmen sich nach § 16 des Landesdisziplinargesetzes vom 16. November 2004 (GV. NRW. S. 624) in der jeweils geltenden Fassung.
(5) Die Aufbewahrung und Speicherung für die von dem Amtsgericht bis zum 31. Dezember 2021 in Verwahrung genommenen Akten, Bücher und Verzeichnisse der Notare bestimmen sich nach § 118 Abs. 3 der Bundesnotarordnung in der im Bundesgesetzblatt III, Gliederungsnummer 303-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, in der jeweils geltenden Fassung.
(6) Die Aufbewahrung und Speicherung von Akten über die Beantragung von Registrierungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840) in der jeweils geltenden Fassung bestimmt sich nach § 7 der Rechtsdienstleistungsverordnung vom 19. Juni 2008 (BGBl. I S. 1069) in der jeweils geltenden Fassung.
(7) Werden in Papierform geführte Teile einer Akte, für die jeweils unterschiedliche Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen gelten, in die elektronische Form oder in eine Mikroform übertragen und ist damit ihre jeweils fristgerechte Löschung nicht mehr oder nur noch mit unvertretbarem Aufwand möglich, so bestimmt sich die Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist nach der längsten Frist.
(8) Die Leitung der für die Aktenaufbewahrung oder -speicherung zuständigen Stelle kann von Amts wegen im Einzelfall eine längere oder kürzere Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist für einzelne Akten oder Aktenteile anordnen, soweit dies aufgrund besonderer Umstände erforderlich ist. Die Anordnung kann auch auf Antrag einer am Verfahren beteiligten oder einer sonstigen Person erfolgen, sofern diese ein berechtigtes Interesse darlegt. Der Anordnung dürfen weder schutzwürdige Interessen von Verfahrensbeteiligten oder sonstigen Personen noch öffentliche Interessen entgegenstehen. Die Anordnung ist zu begründen und zu dokumentieren. Im Fall einer Verkürzung der Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist ist die Dokumentation bis zum Ablauf der ursprünglichen Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist aufzubewahren oder zu speichern.

§ 4 Beginn der Aufbewahrungs- und Speicherungsfristen

(1) Die Aufbewahrungs- und Speicherfrist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Weglegung der Akten angeordnet wurde. Für Personalakten beginnt sie mit deren Abschluss.
(2) Als Jahr der Weglegung gilt
1. bei Prüfungsarbeiten und sonstigen Prüfungsunterlagen das Jahr, in dem die Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses an den Prüfling erfolgt ist, im Falle der Wiederholungsprüfung das Jahr, in dem das Ergebnis der letzten Prüfung bekannt gegeben worden ist,
2. bei Hinterlegungen das Jahr, in dem die Hinterlegung beendet worden ist oder die nach dem Hinterlegungsgesetz Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2010 (GV. NRW. S. 192) in der jeweils geltenden Fassung zu beachtenden Fristen abgelaufen sind;
3. bei Büchern über Urkundenverwahrungen nach Nummer 1.1.10 des Abschnitts 1 der Anlage zu dieser Verordnung das Jahr, in dem alle darin verzeichneten Fälle erledigt sind,
4. bei Gefangenen- und Untergebrachtenbüchern mit den dazugehörigen Gefangenen- und Untergebrachtenkarteien und bei den Listen über die den Gefangenen und Untergebrachten abgenommenen Gegenstände sowie bei Büchern und Nachweisen über die den Gefangenen und Untergebrachten abgenommenen Geldern das Jahr, in dem der Vollzug bezüglich aller der darin aufgeführten Gefangenen und Untergebrachten beendet ist,
5. für Sammelakten und Akten mit den Unterlagen über die Wahl, Ernennung, Berufung oder Bestellung und Heranziehung ehrenamtlicher Richterinnen und Richter das Jahr des Ablaufs der jeweiligen Wahl- beziehungsweise Amtsperiode und
6. für Akten über sonstige Angelegenheiten, für die die Weglegung nicht durch besondere Vorschrift geregelt ist, das Jahr, in dem die letzte Verfügung zur Sache ergangen ist.
(3) Personalakten von Notarinnen und Notaren sowie Notarassessorinnen und Notarassessoren sind abgeschlossen, im Fall
1. des Ausscheidens aus dem Amt oder dem Beruf mit Ablauf des Jahres der Vollendung des 70. Lebensjahres,
2. der Tätigkeit über das 70. Lebensjahr hinaus mit Ablauf des Jahres, in dem das Amts- oder Berufsverhältnis endet,
3. des vorherigen Todes mit Ablauf des Todesjahres und
4. einer Notariatsverwalterschaft nach § 56 Bundesnotarordnung nach deren Abwicklung.
(4) Für Akten, die nach einem wieder aufgenommenen oder fortgesetzten Verfahren erneut weggelegt werden, beginnt mit Ablauf des Jahres der erneuten Weglegung eine neue Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist.
(5) Beträgt die Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist weniger als ein Jahr, beginnt sie abweichend von Absatz 1 mit Ablauf des Monats, in dem die Weglegung der Akten angeordnet wurde oder die letzte Verfügung zur Sache ergangen ist. Absatz 5 gilt mit der Maßgabe, dass die neue Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist mit Ablauf des Monats der erneuten Weglegung beginnt.

§ 5 Abweichende Bestimmung des Beginns der Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist

Die Leitung der für die Aktenaufbewahrung oder -speicherung zuständigen Stelle kann anordnen, dass die Aufbewahrungs- und Speicherungsfrist allgemein oder für einzelne Angelegenheiten abweichend von § 4 unmittelbar mit dem Ereignis beginnt, das dem Fristbeginn zugrunde liegt. Die Anordnung ist zu dokumentieren. Sie kann auch von einer übergeordneten Stelle erlassen werden.

§ 6 Aussetzung der Aussonderung, Aussonderung, Ablieferung und Vernichtung des Schriftguts

(1) Die Leitung der für die Aktenaufbewahrung oder -speicherung zuständigen Stelle kann für eine Gruppe von Akten anordnen, dass deren Aussonderung bis zum Ablauf einer von ihr bestimmten Frist auszusetzen ist, wenn ein öffentliches Interesse dies erfordert. Die Frist darf höchstens vier Jahre betragen. Sie kann einmalig um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Ein öffentliches Interesse besteht insbesondere dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Akten für einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss von Bedeutung sein können.
(2) Spätestens zwei Jahre nach der Anordnung nach Absatz 1 Satz 1 ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Anordnung weiterhin vorliegen. Ist dies nicht der Fall, ist die Anordnung aufzuheben.
(3) Entscheidungen nach den Absätzen 1 und 2 sind zu begründen und zu dokumentieren. § 5 Satz 3 gilt entsprechend.
(4) Im Übrigen gelten die für die Aussonderung, Ablieferung und Vernichtung von Schriftgut erlassenen besonderen Vorschriften.

§ 7 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2023 in Kraft.
Gleichzeitig tritt die Verordnung über die Aufbewahrung von Schriftgut in der Justiz und Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 2008 (GV. NRW. S. 404), die zuletzt durch Verordnung vom 14. November 2014 (GV. NRW. S. 766) geändert worden ist, außer Kraft.
Der Minister der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen
Anlagen: Anlage

Fussnoten

Fn 1

In Kraft getreten am 1. Januar 2023 (GV. NRW. S. 1026).

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