Gesetz über die Gewährung von Unfall- und Hinterbliebenenrenten an die Opfer der Naziunterdrückung
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Gesetz über die Gewährung von Unfall- und Hinterbliebenenrenten an die Opfer der Naziunterdrückung

Gesetz über die Gewährung von Unfall- und Hinterbliebenenrenten an die Opfer der Naziunterdrückung
Vom 5. März 1947 (Fn 1)

§ 1

Die Opfer des nationalsozialistischen Terrors genießen nach Maßgabe dieses Gesetzes wegen der an Leib und Leben erlittenen Schäden grundsätzlich Versicherungsschutz wie die nach dem III. Buche der Reichsversicherungsordnung auf Grund eines Arbeitsverhältnisses gegen Arbeitsunfall versicherten Beschäftigten.

§ 2

Träger der in diesem Gesetz geregelten Versicherung ist das Land Nordrhein-Westfalen.

§ 3 (Fn 2)

Dem Versicherungsschutz unterliegen Schäden an Körper, Gesundheit oder Leben, die jemand im In- und Ausland dadurch erlitten hat, daß er wegen seines Glaubens, seiner Rasse, seiner früheren politischen Betätigung, wegen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus oder Nichtanerkennung seiner Lehre oder wegen sog. politischer Unzuverlässigkeit mißhandelt, getötet oder mit Gefahr für Freiheit, Leib oder Leben verfolgt worden ist.
Ist jemand aus den in Absatz 1 genannten Gründen inhaftiert worden, so umfaßt der Versicherungsschutz Schäden an Leib oder Leben, die während oder als Folge der Haft entstanden sind. Ist ein aus diesen Gründen Inhaftierter nach seiner Inhaftnahme verschollen, ohne nachweisbar die Freiheit wiedererlangt zu haben, so wird vermutet, daß er während der Haft verstorben ist. Ist er nach seiner Außerhaftsetzung verschollen, so wird vermutet, daß er an den Folgen der Haft verstorben ist.
Beantragen Witwen und Waisen von Verfolgten eine Beschädigtenrente, so wird im Feststellungsverfahren vermutet, daß ihre Gesundheitsschäden durch die Verfolgung verursacht sind, wenn
a) die Witwen und Waisen nach dem Gesetz über die Anerkennung der Verfolgten und Geschädigten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und über die Betreuung der Verfolgten vom 4. März 1952 (GV. NW. S. 39) (Fn 3) als Verfolgte anerkannt sind,
b) der Verfolgte während der Freiheitsentziehung im Sinne des Gesetzes über die Entschädigung für Freiheitsentziehung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen vom 11. Februar 1949 (GV. NW. S. 63) (Fn 4) oder an deren Folgen verstorben ist,
c) der Verfolgte vor seinem Tode seinen Haftentschädigungsanspruch nach dem vorgenannten Gesetz nicht geltend gemacht hat.
Der Gegenbeweis ist zulässig.

§ 4

Als Versicherter im Sinne dieses Gesetzes gilt nur, wer auf Grund der Richtlinien der Militärregierung betreffend Hilfeleistung für frühere Häftlinge der Konzentrationsläger - HQ/2900/Sec. - (Zon/PI) 45) 20) oder der hierzu mit Einwilligung der Militärregierung erlassenen Ergänzungsbestimmungen als politisch, rassisch oder religiös Verfolgter amtlich anerkannt ist oder als solcher anerkannt werden würde, wenn er noch lebte. Der Nachweis, daß ein Verstorbener oder ein Verschollener die vorbezeichneten Voraussetzungen erfüllen würde, wenn er noch lebte oder nicht verschollen wäre, gilt als erbracht, wenn einer seiner Angehörigen im Hinblick auf ihn als Hinterbliebener eines Opfers der Naziunterdrückung amtlich anerkannt worden ist.

§ 5

Die Bestimmungen des III. Buches der Reichsversicherungsordnung sind sinngemäß und, soweit sich nicht aus diesem Gesetz oder seinen Durchführungsbestimmungen etwas anderes ergibt, mit folgender Maßgabe anzuwenden:
1. Bei Erreichung des 65. Lebensjahres wird ohne Rücksicht auf den Grad der Erwerbsfähigkeit die Vollrente gewährt.
2. Die Witwenrente beträgt ohne Rücksicht auf den Grad der Erwerbsfähigkeit der Witwe 140 RM monatlich. Witwenrente wird auch solchen Personen gezahlt, die mit dem Getöteten in Gemeinschaft gelebt haben, wenn die Absicht der Eingehung der Ehe bestand und die Eingehung der Ehe auf Grund der Rassegesetzgebung oder infolge der Auswirkung der politischen Verfolgung unterblieben ist. Der Nachweis der Absicht der Eheschließung kann durch eidesstattliche Erklärung geführt werden. Darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, entscheidet der Sozialminister. Seine Entscheidung ist unanfechtbar und für die Ausführungsbehörde bindend.
3. Die Berechnung der Renten erfolgt einheitlich nach einem angenommenen Jahresarbeitsverdienst von 4200 RM.
4. Die Kinderzuschläge zur Schwerverletztenrente werden auch über das 16. Lebensjahr hinaus für die Dauer der vollen Schul- oder Berufsausbildung gezahlt. Ist die Schul- oder Berufsausbildung bei Vollendung des 25. Lebensjahres noch nicht abgeschlossen, so soll der Zuschlag über diesen Zeitpunkt hinaus gewährt werden. Anträge auf Weiterzahlung des Kindergeldes für einen über das vollendete 25. Lebensjahr hinausgehenden Zeitpunkt sind dem zuständigen Minister zur Entscheidung vorzulegen. Entsprechendes gilt für Waisenrenten.
5. Ist der Tod einer Person die Folge eines Schadens, auf den sich die Versicherung erstreckt, so erhalten die in häuslicher Gemeinschaft lebenden Eltern eine Elternrente von insgesamt 150 RM monatlich. Leben die Eltern getrennt, weil einer der Elternteile zur ehelichen Lebensgemeinschaft nicht verpflichtet ist, so beträgt die an jeden Elternteil zu zahlende Rente 90 RM monatlich. Dies gilt auch dann, wenn nur noch ein Elternteil am Leben ist.
Für die übrigen Verwandten aufsteigender Linie verbleibt es bei der entsprechenden Anwendung der Bestimmung des § 1593 der Reichsversicherungsordnung.
6. Sterbegeld wird nur dann gewährt, wenn der Tod nach dem 8. Mai 1945 eingetreten ist.

§ 6

Stehen einem nach diesem Gesetz zum Bezug von Leistungen Berechtigten auf Grund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen gegen einen öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger Ansprüche auf Sachleistungen zu, so besteht eine Leistungspflicht auf Grund dieses Gesetzes nur insoweit, als die anderweitigen Leistungen hinter den nach diesem Gesetz zu gewährenden Leistungen zurückbleiben.

§ 7

Ist eine Leistungspflicht auf Grund dieses Gesetzes lediglich aus dem Grund nicht gegeben, weil die Erwerbsfähigkeit um weniger als ein Fünftel gemindert ist oder weil die Leistungen anderer Versicherungsträger nicht hinter den nach diesem Gesetz zu gewährenden Leistungen zurückbleiben (§ 6), so kann die Feststellung des erlittenen Schadens beantragt werden, falls die Möglichkeit einer späteren Inanspruchnahme der in diesem Gesetz geregelten Versicherung besteht.

§ 8

Leistungs- und Feststellungsansprüche auf Grund dieses Gesetzes können nur von solchen Personen erhoben werden, die ihren ständigen Wohnsitz im Land Nordrhein-Westfalen haben.
Zahlungen für einen vor dem 1. September 1946 liegenden Zeitraum werden nicht gewährt.
Ergeben sich aus der Bestimmung des Absatzes 1 in einem Einzelfall besondere Härten, so ist der zuständige Minister zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen berechtigt.

§ 9 (Fn 5)

§ 10 (Fn 6)

§ 11

Auf die nach Maßgabe dieses Gesetzes zum Bezuge von Leistungen berechtigten Personen ist das Gesetz über die Unfallfürsorge für Gefangene vom 30. Juni 1900 nicht anzuwenden. Bereits festgesetzte Leistungen sind mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes einzustellen.
Soweit die nach diesem Gesetz Versicherten oder ihre Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften Schadenersatz beanspruchen können, ist die Bestimmung des § 1542 der Reichsversicherungsordnung entsprechend anzuwenden.

§ 12 (Fn 7, 8)

§ 13 (Fn 9)

Über die Erfahrungen mit diesem Gesetz ist dem Landtag bis zum 1. Juli 2014 und danach alle fünf Jahre zu berichten.

Fussnoten

Fn 1

GV. NW. 1947 S. 225/GS. NW. S. 503, i. d. F. des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über die Gewährung von Unfall- und Hinterbliebenenrenten an die Opfer der Naziunterdrückung vom 5. März 1947 (GV. NW. S. 225) v. 12. Mai 1953 (GV. NW. S. 275) und nach Maßgabe des Bundesgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (Bundesentschädigungsgesetz - BEG -) i. d. F. v. 29. Juni 1956 (BGBl. I S. 559, 562); geändert durch Art. 31 des Gesetzes v. 18.5.2004 (GV. NRW. S. 248), in Kraft getreten am 4. Juni 2004; Artikel 16 des Gesetzes vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 765), in Kraft getreten am 16. Dezember 2009.

Fn 2

geändert durch Gesetz v. 12. Mai 1953 (GV. NW. S. 275).

Fn 3

GS. NW. S. 497/SGV. NW. 25.

Fn 4

GS. NW. S. 505/SGV. NW. 25.

Fn 5

§§ 9, 10 und 12 gegenstandslos durch Wegfall der Rechtsgrundlage.

Fn 6

§§ 9, 10 und 12 gegenstandslos durch Wegfall der Rechtsgrundlage.

Fn 7

§§ 9, 10 und 12 gegenstandslos durch Wegfall der Rechtsgrundlage.

Fn 8

GV. NW. ausgegeben am 24. Dezember 1947. Gesetz v. 12. Mai 1953 (GV. NW. S. 275) ist am Tage nach seiner Verkündung in Kraft getreten; GV. NW. ausgegeben am 30. Mai 1953.

Fn 9

§ 13 angefügt durch Art. 31 des Gesetzes v. 18.5.2004 (GV. NRW. S. 248); in Kraft getreten am 4. Juni 2004; geändert durch Artikel 16 des Gesetzes vom 8. Dezember 2009 (GV. NRW. S. 765), in Kraft getreten am 16. Dezember 2009.

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